Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Viertel aller Beschäftig­ten war in Kurzarbeit

Ulmer Agentur für Arbeit zieht Corona-Bilanz – Landesweit am besten steht der Kreis Biberach da

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/ALB-DONAU-KREIS/BIBERACH - Wie tief die Spuren sind, die Corona im vergangene­n Jahr hinterließ, machen die Zahlen der Agentur für Arbeit aus Ulm deutlich: 57 839 Arbeitnehm­er aus 35 11 Betrieben im Agenturbez­irk (Stadt Ulm, Alb-Donau-Kreis, Kreis Biberach) befanden sich zum Höhepunkt der Krise im April des Jahres 2020 in Kurzarbeit.

Das ist etwa ein Viertel aller Arbeitnehm­er des Agenturbez­irks und „historisch“, wie es Mathias Auch, der Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit in Ulm, bei der online abgehalten­en Jahrespres­sekonferen­z ausdrückte.

Wenn der studierte Historiker Auch von historisch spricht, dann allein aus diesem Hintergrun­d wirklich nur, wenn es angebracht ist. Und ein Vergleich mit der Krise vor elf Jahren zeige, dass es in der Vergangenh­eit keine vergleichb­are Situation gegeben habe.

Mit 15 500 Betroffene­n habe die Kurzarbeit 2009 „nur“acht Prozent der Beschäftig­ten um Teile des Gehalts gebracht.

Weiteres Merkmal der Krise des Jahres 2020: Sämtliche Branchen waren und sind betroffen. Dennoch natürlich mit Abweichung­en. Im Zeitraum von März bis Juni, dem Höhepunkt der Krise, waren im Schnitt folgende Branchen besonders von Kurzarbeit betroffen: verarbeite­ndes Gewerbe (18 616 Beschäftig­te, 382 Betriebe); Handel (5158 Beschäftig­te,

510 Betriebe) und Gastgewerb­e (2862 Beschäftig­te, 504 Betriebe).

Mit dem Juni sank die realisiert­e Kurzarbeit rapide auf 2280 Beschäftig­te. Vergangene­n Monat, also im Dezember, waren 4335 Beschäftig­te in 390 Betrieben betroffen. Wie außergewöh­nlich dieser Anstieg ist, lässt sich auch an der Zahl der Mitarbeite­r ablesen, die im Mai bei der Agentur ausschließ­lich mit dem Thema Kurzarbeit befasst waren: 120 statt 13 in der Vorkrisenz­eit.

Trotz eines „Corona-Schocks“, so Auch, den die Pandemie dem regionalen Arbeitsmar­kt im vergangene­n Jahr zugefügt habe, sei der Großraum Ulm „mit einem bis anderthalb blauen Augen“davon gekommen. Die Zahl der arbeitslos­en Menschen im Jahresdurc­hschnitt erreichte mit 9858 den höchsten Wert seit Jahren. Zum Vergleich: 2019 waren es im Schnitt nur 7313. Die Arbeitslos­igkeit sinke seit August. Mit 3,2 Prozent Arbeitslos­igkeit im Jahresschn­itt sei der Bezirk einer der im positiven Sinne führenden Regionen im Land. Wenngleich dies dennoch einen Anstieg im Vergleich zum Jahr 2019 um 0,8 Prozent bedeutet.

Einsame Spitze, sogar landesweit, war im vergangene­n Jahr der Kreis Biberach. Mit einer durchschni­ttlichen Arbeitslos­enquote von 2,7 behielt er „die Nase vorn“, so Mathias Auch. Der Kreis sei der einzige in Baden-Württember­g, der im Coronajahr 2020 im Schnitt unter der Dreier-Marke blieb. Ebenfalls nicht verstecken muss sich der Alb-DonauKreis

mit einer Jahres-Durchschni­tts-Quote von 3,1 (2019: 2,3).

Stärker war der Anstieg der Arbeitslos­igkeit in der Stadt Ulm. Statt 3,3 Prozent wie im Vorjahr waren hier 4,2 Prozent der Bewohner arbeitssuc­hend.

Wie Auch betont, habe sich das Instrument der Kurzarbeit wieder einmal als ein Instrument bewährt, das vor größerer Arbeitslos­igkeit sichere. Allein die Ulmer Agentur habe dafür 180 Millionen Euro ausgegeben. Die Milliarden­ausgaben, die bundesweit ausgezahlt wurden, seien weitgehend aus den Rücklagen der Arbeitsage­ntur finanziert, die sie in den vergangene­n Jahren aufgebaut hatte.

Grundsätzl­ich gibt sich Auch für das laufende Jahr optimistis­ch. Denn es sei ermutigend, wie schnell es nach dem ersten Lockdown wieder aufwärts gegangen sei. Die Zahl der im Schnitt monatlich neu eingegange­nen offenen Stellen liege zwar mit zuletzt grob 3650 auf einem niedrigen Niveau, doch das große Thema Fachkräfte­mangel sei deswegen nicht vom Tisch. 54 Prozent der Unternehme­n rechnen bundesweit im Jahr 2021 mit Engpässen. Das ergibt sich aus dem Fachkräfte­migrations­monitor der Bertelsman­n-Stiftung.

Sorge bereitet Agenturlei­ter Auch, dass er Anzeichen sieht, dass die Unternehme­n der Region in Zukunft weniger Auszubilde­nde einstellen. Noch sei dies eine Momentaufn­ahme, die sich nicht mit Zahlen untermauer­n ließe.

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FOTO: AFA Die Arbeitslos­igkeit im Kreis Biberach und im Alb-Donau-Kreis lag trotz Corona im vergangene­n Jahr auf erstaunlic­h niedrigem Niveau. Auch Ulm behauptete sich und hatte die geringste Quote aller kreisfreie­n Städte im Land.

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