Neu Ulm soll keine „Schlafstadt“werden
Stadt verhandelt Budget für Kultur – Ziel: Kürzen – ohne das Kulturleben zu zerstören
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NEU-ULM - Das Dezernat 4 der Stadt Neu-Ulm ist zuständig für Lebensbereiche, die Corona mächtig ins Wanken gebracht, oder ganz auf Eis gelegt hat: Bildung, Familie, Kultur. Jetzt hat sich der Stadtrats-Ausschuss für diesen Fachbereich noch einmal intensiv mit dem Haushalt für 2021 befasst.
Wie viel Spielraum bleibt für Kultur in diesem Jahr, in diesem Budget? Steuereinnahmen sinken, Wirtschaft schwächelt, Zukunft ungewiss. Deshalb sind – so bewerten es die Planungsgruppen, die den Haushalt entworfen haben – Kürzungen dringend nötig. „Eine harte Haushaltsrunde“kündigt Ralph Seiffert zu Beginn der Sitzung an. „Wir müssen sehen, wie wir 2021 mit weniger Mitteln dasselbe Spektrum abdecken können.“Seiffert, der das Dezernat 4 leitet, formuliert dabei ein Ziel: Neu-Ulm muss selbst in der Krise viel mehr sein als eine „Schlafstadt“, ein Arbeitsort neben Ulm. Stadtkultur bezeichnet Seiffert als einen weichen, aber eben wichtigen Standortfaktor, den NeuUlm 2021 am Leben halten muss. Nur eben „auf kleiner Flamme“.
Dabei ist ein Großteil des Budgets für Familie, Bildung, Kultur schon verplant, mit festen, fixen Posten: 40 Prozent für Personalkosten, 50 Prozent
für weitere Verträge und Verpflichtungen. Bleiben zehn Prozent – eine „geringe freie Verfügungsmasse“, sagt Seiffert. Vom DezernatsBudget, rund sechs Millionen Euro, müsse die Stadt 2021 etwa 20 Prozent absparen. Die Verwaltung schrumpft diesen Bereich damit an eine Grenze heran – die sie aber nicht überschreiten möchte. „Strukturen werden mit diesem Plan nicht zerschlagen“, sagt Seiffert. Das sei für ihn die Grundlage des Haushalts, der zur Debatte steht. Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger ergänzt: „Das ist ein Haushaltsentwurf, mit dem ich durchaus guten Gewissens in die Diskussion gehen kann.“
Mareike Kuch, Leiterin der Abteilung Bildung und Kultur, blickt noch einmal zurück: „2020 war ein trauriges Jahr.“Kleine Formate wie die „Kultur in der Caponniere“oder „Literatur unter Bäumen“konnte Kuchs Abteilung aber auf die Beine stellen – und das möchte die Stadt, so Kuch, auch nicht aufgeben.
Die Verwaltung baut darauf, dass ab dem Frühsommer wieder Musik, Kunst, Literatur in der Öffentlichkeit stattfinden können. Kuch betont, dass solche Feste und Kulturreihen eine Plattform für regionale Künstler bieten, die unter der Krise leiden. Der Rückzug der Kultur aus dem öffentlichen Leben, sofern es überhaupt stattfindet, ist spür-, hör- und sichtbar. Museen, Theater, Bühnen? Nur verschlossene Türen. Die Lage lässt sich aber auch in Zahlen fassen. Das Theater Neu-Ulm konnte ab 2019 mit einer Unterstützung von 160 000 Euro im Jahr rechnen, so viel wollte die Stadt investieren. Nun hat die Verwaltung diese Summe für 2021 auf 144 000 Euro gekürzt. Das Topolino Figurentheater wiederum, das Kindern und Familien Unterhaltung bietet, hatte für 2021 einen Zuschuss von 23 000 Euro beantragt. Auf der Agenda stand eine große Neustrukturierung des Theaters. Die Verwaltung hat diesen Betrag nun auf 18 400 Euro gekürzt.
Das Herz des Edwin-Scharff-Museums bilden Ausstellungen, im Kunst- und im Kindermuseum. Aushängeschild sind aber auch die Museumsfeste, Führungen und literarischen Rundgänge, Ferienangebote. Dieses bunte Drumherum kam 2020, im Frühjahr und dann ab dem Herbst, zum Stillstand. Rund 20 000 Euro spart das Museum 2021, im Vergleich zum Vorjahr, ein. Es kürzt sein Budget für Veranstaltungen. Museums-Chefin Helga Gutbrod erklärt, dass dieser Schritt schmerzt, aber: „Wir können nicht einfach eine Ausstellung weglassen.“
Der Stadtbücherei Neu-Ulm steht 2021 ein großer Umzug bevor, vom alten LEW-Gebäude in die Räume der ehemaligen Fachhochschule im Vorfeld. Eine Übergangslösung, bis das neue Gebäude am HeinerMetzger-Platz steht. Außerdem möchte die Bücherei ein neues digitales System zur Ausleihe einführen – eine moderne Cloud-Lösung. Zuschüsse erhält die Bücherei aus einem Programm der bayerischen Staatsbibliothek, für das Projekt „Medien zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz.“Mit einem Medienetat von einem Euro pro Einwohner, kann die Stadt Neu-Ulm außerdem weitere Fördermittel beantragen.
Die Musikschule der Stadt hofft auf den Herbst, denn da plant sie eine Musical-Revue mit dem Titel „Sternstunden“. Doch der Unterrichtsalltag ist kompliziert: Kooperationen mit Grundschulen, Kindergärten und Kitas bleiben schwierig bis unmöglich. Ihre Lehrer möchte die Musikschule im Bereich der Geragogik, der musikalischen Bildung für ältere Menschen, weiterbilden. Ob aber die Mittel reichen, um 2021 tatsächlich so einen Unterricht anbieten zu können, scheint für Schulleiter Matthias Haacke fraglich.
Der Ausschuss bewilligte am Ende den Haushaltsentwurf einstimmig.