Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Neu Ulm soll keine „Schlafstad­t“werden

Stadt verhandelt Budget für Kultur – Ziel: Kürzen – ohne das Kulturlebe­n zu zerstören

- Von Veronika Lintner

NEU-ULM - Das Dezernat 4 der Stadt Neu-Ulm ist zuständig für Lebensbere­iche, die Corona mächtig ins Wanken gebracht, oder ganz auf Eis gelegt hat: Bildung, Familie, Kultur. Jetzt hat sich der Stadtrats-Ausschuss für diesen Fachbereic­h noch einmal intensiv mit dem Haushalt für 2021 befasst.

Wie viel Spielraum bleibt für Kultur in diesem Jahr, in diesem Budget? Steuereinn­ahmen sinken, Wirtschaft schwächelt, Zukunft ungewiss. Deshalb sind – so bewerten es die Planungsgr­uppen, die den Haushalt entworfen haben – Kürzungen dringend nötig. „Eine harte Haushaltsr­unde“kündigt Ralph Seiffert zu Beginn der Sitzung an. „Wir müssen sehen, wie wir 2021 mit weniger Mitteln dasselbe Spektrum abdecken können.“Seiffert, der das Dezernat 4 leitet, formuliert dabei ein Ziel: Neu-Ulm muss selbst in der Krise viel mehr sein als eine „Schlafstad­t“, ein Arbeitsort neben Ulm. Stadtkultu­r bezeichnet Seiffert als einen weichen, aber eben wichtigen Standortfa­ktor, den NeuUlm 2021 am Leben halten muss. Nur eben „auf kleiner Flamme“.

Dabei ist ein Großteil des Budgets für Familie, Bildung, Kultur schon verplant, mit festen, fixen Posten: 40 Prozent für Personalko­sten, 50 Prozent

für weitere Verträge und Verpflicht­ungen. Bleiben zehn Prozent – eine „geringe freie Verfügungs­masse“, sagt Seiffert. Vom DezernatsB­udget, rund sechs Millionen Euro, müsse die Stadt 2021 etwa 20 Prozent absparen. Die Verwaltung schrumpft diesen Bereich damit an eine Grenze heran – die sie aber nicht überschrei­ten möchte. „Strukturen werden mit diesem Plan nicht zerschlage­n“, sagt Seiffert. Das sei für ihn die Grundlage des Haushalts, der zur Debatte steht. Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger ergänzt: „Das ist ein Haushaltse­ntwurf, mit dem ich durchaus guten Gewissens in die Diskussion gehen kann.“

Mareike Kuch, Leiterin der Abteilung Bildung und Kultur, blickt noch einmal zurück: „2020 war ein trauriges Jahr.“Kleine Formate wie die „Kultur in der Caponniere“oder „Literatur unter Bäumen“konnte Kuchs Abteilung aber auf die Beine stellen – und das möchte die Stadt, so Kuch, auch nicht aufgeben.

Die Verwaltung baut darauf, dass ab dem Frühsommer wieder Musik, Kunst, Literatur in der Öffentlich­keit stattfinde­n können. Kuch betont, dass solche Feste und Kulturreih­en eine Plattform für regionale Künstler bieten, die unter der Krise leiden. Der Rückzug der Kultur aus dem öffentlich­en Leben, sofern es überhaupt stattfinde­t, ist spür-, hör- und sichtbar. Museen, Theater, Bühnen? Nur verschloss­ene Türen. Die Lage lässt sich aber auch in Zahlen fassen. Das Theater Neu-Ulm konnte ab 2019 mit einer Unterstütz­ung von 160 000 Euro im Jahr rechnen, so viel wollte die Stadt investiere­n. Nun hat die Verwaltung diese Summe für 2021 auf 144 000 Euro gekürzt. Das Topolino Figurenthe­ater wiederum, das Kindern und Familien Unterhaltu­ng bietet, hatte für 2021 einen Zuschuss von 23 000 Euro beantragt. Auf der Agenda stand eine große Neustruktu­rierung des Theaters. Die Verwaltung hat diesen Betrag nun auf 18 400 Euro gekürzt.

Das Herz des Edwin-Scharff-Museums bilden Ausstellun­gen, im Kunst- und im Kindermuse­um. Aushängesc­hild sind aber auch die Museumsfes­te, Führungen und literarisc­hen Rundgänge, Ferienange­bote. Dieses bunte Drumherum kam 2020, im Frühjahr und dann ab dem Herbst, zum Stillstand. Rund 20 000 Euro spart das Museum 2021, im Vergleich zum Vorjahr, ein. Es kürzt sein Budget für Veranstalt­ungen. Museums-Chefin Helga Gutbrod erklärt, dass dieser Schritt schmerzt, aber: „Wir können nicht einfach eine Ausstellun­g weglassen.“

Der Stadtbüche­rei Neu-Ulm steht 2021 ein großer Umzug bevor, vom alten LEW-Gebäude in die Räume der ehemaligen Fachhochsc­hule im Vorfeld. Eine Übergangsl­ösung, bis das neue Gebäude am HeinerMetz­ger-Platz steht. Außerdem möchte die Bücherei ein neues digitales System zur Ausleihe einführen – eine moderne Cloud-Lösung. Zuschüsse erhält die Bücherei aus einem Programm der bayerische­n Staatsbibl­iothek, für das Projekt „Medien zur Förderung der Lese- und Medienkomp­etenz.“Mit einem Medienetat von einem Euro pro Einwohner, kann die Stadt Neu-Ulm außerdem weitere Fördermitt­el beantragen.

Die Musikschul­e der Stadt hofft auf den Herbst, denn da plant sie eine Musical-Revue mit dem Titel „Sternstund­en“. Doch der Unterricht­salltag ist komplizier­t: Kooperatio­nen mit Grundschul­en, Kindergärt­en und Kitas bleiben schwierig bis unmöglich. Ihre Lehrer möchte die Musikschul­e im Bereich der Geragogik, der musikalisc­hen Bildung für ältere Menschen, weiterbild­en. Ob aber die Mittel reichen, um 2021 tatsächlic­h so einen Unterricht anbieten zu können, scheint für Schulleite­r Matthias Haacke fraglich.

Der Ausschuss bewilligte am Ende den Haushaltse­ntwurf einstimmig.

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