„Fasnet lebt von der persönlichen Begegnung“
Die Zunftmeister Peter Kienle (Ehingen) und Ralf Lindner (Munderkingen) über Fasnet in Corona-Zeiten
EHINGEN/MUNDERKINGEN (seli/ tg) - Wenn Treffen, Feiern und persönlicher Austausch aufgrund der Corona-Regelungen nicht möglich sind, ist viel Kreativität gefordert. Auch im Fall der Fasnet müssen die Zünfte in diesem Jahr die Tradition an sich komplett umdenken. Vieles muss ausfallen, manches wird ins Internet verlegt. Doch wie kann in solchen Zeiten überhaupt Fasnetsstimmung aufkommen und welchen Aufwand müssen die Zünfte hierfür betreiben? Über diese und weitere Themen haben SZLokalchef Tobias Götz und Redakteurin Selina Ehrenfeld mit dem Ehinger Narrenchef Peter Kienle sowie seinem Munderkinger Kollegen Ralf Lindner in einem virtuellen Treffen gesprochen.
Was bedeutet für Sie persönlich das Brauchtum Fasnet? Lindner: Für mich ist die Fasnet ein fester und wichtiger Zeitpunkt im Jahr, ein fester Termin im Jahreskreis wie Weihnachten, Ostern, den man mit all seinen Facetten feiert. Kienle: Fasnet ist für mich Leidenschaft. Entweder man hat diese Leidenschaft oder nicht. Fasnet braucht aber auch Macher. Wichtig ist, dass der Spaßfaktor dazugehört, wobei wir merken, dass Spaß nicht immer ganz einfach ist. Fasnet wird immer mehr be- und verurteilt, was die ganze Sache schwieriger macht.
Und Fasnet 2021, nun in Zeiten von Corona, was bedeutet das für Sie? Ralf Lindner: Wir haben genau gewusst, dass es anders sein wird, als man es gewohnt ist. Aber trotzdem merkt man: Die Leute sehnen sich in der Pandemie nach Abwechslung, auch wenn es vielleicht nur etwas Fasnetsgefühl auf dem Sofa ist.
Peter Kienle: Oh, wir haben schon viele Pläne in der ganzen Zeit gemacht, die wir fast alle wieder über den Haufen werfen mussten. Es gab tolle Ideen. Wir wollten den Groggadäler aus dem Groggensee schauen lassen, wollten die Stadt wie immer mit den Wimpeln und Fasnetsfiguren dekorieren und hatten auch Dinge vor wie „Call an Umzug“, bei dem sich Menschen eine Abordnung in die eigene Straße hätten bestellen können. Ein Gespräch mit dem Ehinger Ordnungsamt mit Blick auf die aktuelle Corona-Verordnung hat uns da aber auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das müssen wir natürlich akzeptieren.
Ralf Lindner: Was wir alles schon geplant hatten seit dem Sommer. Man startete quasi als Tiger und endete als Bettvorleger, wenn man es so beschreiben will. Wir mussten im Lauf der vergangenen Wochen immer wieder feststellen, dass die selbstverständlichsten Dinge teilweise nicht möglich sind. Dass unsere Leute da die Lust an der Organisation nicht verlieren, beeindruckt mich sehr. Teilweise ist es einfach sehr mühsam und man muss alles neu denken. Eine Maßgabe, die wir dabei aber nicht missachten werden, ist, dass wir uns an die Corona-Regelungen halten werden.
Kienle: Wir haben auch gemerkt, dass momentan selbst virtuelle Ideen daran scheitern, dass sich keine Menschen treffen dürfen. Es ist aber nur eine virtuelle Fasnet möglich und auch hier haben wir Ideen, die in der Umsetzung sind. Es wird eine virtuelZeit, le Kinderfasnet geben, an einem virtuellen Bürgerball wird gearbeitet.
Das heißt, in Zeiten der Pandemie ist eine Art IT-Experte in der Zunft unverzichtbar?
Ralf Lindner: Wir haben das Glück, dass wir im Narrenrat eine gute Mischung zwischen Jung und „Erfahren“haben, so dass außer unserer Medienbeauftragten Katharina Schumann auch noch andere völlig selbstverständlich mit den neuen Medien umgehen. Und diese jungen Narrenräte bringen dann noch ein Netzwerk an Leuten mit so das solche Online Angebote dann auch realisiert werden können. Und es erfordert tatsächlich einiges, diese Online-Angebote auf die Beine zu stellen. Für ein kleines Filmchen braucht es nicht nur ein Handy. Das geht über das richtige Licht hin zum Ton.
Das ist viel Arbeit. Deswegen bin ich froh, dass es junge Leute gibt, die das für uns tun. Kienle: Ich glaube, meine glorreichste Idee war es, die Stelle eines Medienbeauftragten im Narrenrat zu schaffen. Dass wir mit Nik Johannsen natürlich hier gleich einen Profi gefunden haben, der auch noch über die passende Ausrüstung verfügt, ist ein Glücksfall. Sonst hätten wir in Sachen digitaler Fasnet wohl die weiße Flagge schwenken müssen. Denn was alleine an Technik hierfür beansprucht wird, ist gigantisch.
Lindner: Klar ist, dass man viele Dinge anders regeln muss als bei einer Präsenzveranstaltung.
Gab es für die Fasnet 2021 Überlegungen, sich virtuell auch mit anderen Zünften auszutauschen? Lindner: Es gab die Idee für ein virtuelles Landschaftstreffen Donau. Denn jetzt haben die Leute ja eigentlich da hat manch einer sich überlegt, ob denn irgendwie zwischen den Zünften ein Austausch zustande kommen könnte. Aber das wäre ein riesiger Aufwand gewesen. Und man muss auch sehen: Die virtuellen Angebote können nur ein Teil sein. Das, was die Fasnet ausmacht, kann das nie ersetzen.
Kienle: Und es wäre nicht einfach geworden. Wir sind in Sachen digitaler Umsetzung mit Munderkingen schon die Speerspitze unserer Landschaft Donau. Nicht alle Zünfte in der Landschaft haben das Glück, auf solch gute fachliche Unterstützung zurückgreifen zu können. Wer die Manpower hier nicht hat, tut sich verdammt schwer damit.
Was entgegnen Sie den Menschen, die kein Verständnis für Ihre Pläne, Fasnetsstimmung in CoronaZeiten aufleben zu lassen haben? Lindner: Ich verstehe, wenn jemand von Corona betroffen ist, dass er dann auch aktuell der Fasnet gegenüber kritisch sein mag. Aber ich erwarte da auch etwas Toleranz. Wir zwingen ja niemandem etwas auf. Wenn jemand in diesem Jahr keine Fasnet feiern will, dann ist das okay. Aber die Fasnet gehört auch einfach wie Weihnachten zum Jahr dazu.
Kienle: Wir wissen, dass Fasnet immer polarisiert, jetzt natürlich erst recht. Auch ich erwarte einfach Toleranz. Auch bei uns gibt es Mitglieder, die gerade keine Lust auf Fasnet haben und schon gar nicht auf eine digitale. Aber hier hat doch jeder die Wahl, mitzumachen oder eben nicht.
Wie sah das Vereinsleben im vergangenen Jahr aus? Lindner: Es hat quasi nichts stattgefunden. Erst vor ein paar Wochen habe ich noch die Bilder von der Fasnet 2020 angeschaut und musste fast schon lachen, als ich gesehen habe, wie alle eng beinander in Massen unterwegs waren. Das war völlig normal. Und das ist gerade einmal zehn Monate her. Meine Hoffnung ist nun, dass nach Corona vielleicht auch ein Stück Wertschätzung für die alltäglichen Dinge zurückkommt und ich hoffe auch, dass die Leute, was das ehrenamtliche Engagement in den Vereinen angeht, auch nach Corona bereitstehen werden.
Kienle: Krass ist, dass wir direkt nach der Fasnet und eigentlich im kompletten vergangenen Jahr keine Narrenratssitzung hatten, in der wir über die vergangene Fasnet 2020 gesprochen haben. Die erste Sitzung im Jahr 2020 fand im September statt. Unser Austausch hat komplett gefehlt. Und Fasnet sowie das Vereinsleben lebt eben vom Austausch und den Begegnungen. Es fühlt sich alles ein bisschen fremd an und es ist definitiv schlimmer geworden. Und gerade jetzt, im Januar und Februar, sind wir eigentlich mitten in der Fasnet, und es ist nichts. Wir versuchen daher, die Zeit zu nutzen und unser Landschaftstreffen 2022 in Ehingen zu planen.
Was werden Sie am meisten in diesem Jahr vermissen während der Fasnetszeit?
Lindner: Für mich ist das die ganze Abfolge, die Fasnet an sich mit ihren Facetten. Das geht los mit dem Glompigen bis hin zum Umzug in Ehingen am Fasnetsdienstag. Vor allem das Zwischenmenschliche werde ich vermissen, mit den Leuten lustige Lieder singen, einfach mal Unfug schwätzen. Kienle: Vieles. Die Hauptversammlung der VSAN mit all ihren Begegnungen, die tollen Narrentreffen bei befreundeten Zünften und dann natürlich unsere Ehinger Hausfasnet mit den Bällen. Mein persönlicher Höhepunkt ist aber eigentlich immer der Glombige, weil ich dort kaum Termine habe. Ich komme immer gerne zur Schwäbischen Zeitung, schaue mir das Brauchtum an und freue mich dann auf das Maschgra gau am Abend, nicht als Zunftmeister, sondern als Peter Kienle.
Wenn Sie sich an Ihre Kindheit erinnern – wie wurde damals Fasnet gefeiert?
Kienle: Früher war Fasnet einfacher, es war viel weniger Andrang. Damals gab es kaum Termine, heute verkommt die Fasnet oft zu einer Terminschlacht. Ich würde auch behaupten, dass die Fasnet früher ehrlicher und gemächlicher gefeiert wurde, heute ist die Fasnet öffentlicher und vor allem sensibler geworden. Früher sind die Hexen noch die Dachrinnen hoch, heute denkt man nur daran, was da alles passieren könnte.
Lindner: Früher war es das eine Fest im Jahr, das ultimative Fest, und man konnte viele Dinge einach noch tun, die heute nicht mehr möglich sind. Heute muss alles ein Event werden, jeder muss es kommentieren und bewerten. Da wird Corona für viele sicher auch eine Art Zäsur bedeuten, wenn äußerlich wenige Zeichen auf die Fasnetszeit deuten und man deswegen die Dinge wieder mehr wertschätzen kann.
Mit welchen Worten würden Sie die jeweils andere Zunft beschreiben?
Kienle: Was ich bei den Trommgesellen schätze, ist das Familiäre. In Munderkingen geht alles noch etwas persönlicher zu. Ich mag die Veranstaltungen wie die Aktionärsversammlung oder den Umzug am Glompigen. Ich mag die historischen Gruppen – das alles haben wir so in Ehingen nicht.
Lindner: Ich bewundere, wie die Narrenzunft Spritzenmuck ihre HausFasnet feiern kann. Deswegen ist es toll, dass wir uns da austauschen und ein freundschaftliches Verhältnis pflegen. Der Höhepunkt der Ehinger Fasnet ist für mich dabei der Fasnetsdienstag mit Zunftmeisterempfang und Umzug, da ich hier einfach auf die Fasnet kann. Das ist für mich immer etwas besonderes. Toll finde ich auch die Vielfalt und die technischen Möglichkeiten der Bälle in Ehingen.
Wie werden Sie den Glombigen in Ehingen beziehungsweise Glompigen in Munderkingen in diesem Jahr verbringen?
Kienle: Das ist wohl die brutalste aller Fragen. Ich weiß es wirklich noch überhaupt nicht. Ich tue mir hier echt schwer, eine Aussage zu machen. Ich muss es einfach auf mich zukommen lassen.
Lindner: Zu 100 Prozent kann ich das noch nicht beantworten. Ich werde aber sicher Urlaub haben. Mit der Familie werden wir in der Munderkinger Gastronomie etwas zu essen holen und dann auf den Abend hinfiebern. Denn dann singen und musizieren die Munderkinger um 18.30 Uhr alle gemeinsam von ihren Fenstern und Balkonen aus das Munderkinger Narrenlied. Damit wenigstens ein bisschen Gemeinschaftsgefühl aufkommt.
Alle Berichte der neuen Serie zur Fasnet finden Sie in einem unter
Dossier www.schwäbische.de/fasnet2021-albdonau