Der lange Weg zum Bauplatz
Nach Gerichtsbeschluss: Gemeinderat Öpfingen vertagt Entscheidung über weiteres Vorgehen
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ÖPFINGEN - Der Öpfinger Gemeinderat hat in seiner öffentlichen Sitzung am Donnerstag die geplante Entscheidung über das weitere Vorgehen bei der Bauplatzvergabe im Baugebiet „Halde“vertagt. Zuvor hatte Rechtsanwalt Ivo Gönner, dessen Ulmer Kanzlei die nun vom Verwaltungsgericht Sigmaringen beanstandeten Vergaberichtlinien mit ausgearbeitet hatte, die Begründung des Gerichts für den einstweiligen Vergabestopp (die SZ berichtete) erläutert. Eines scheint klar: Es wird noch bis mindestens Ende des Jahres dauern, bis feststeht, wer denn nun die 24 Grundstücke am westlichen Ortsrand von Öpfingen Richtung Gamerschwang bebauen darf.
Die gute Nachricht für die Gemeinde vorneweg: Der Weg, über ein sich an ortsbezogenen und sozialen Kriterien orientierendes Punktesystem Bauplätze zu vergeben, sei im Grundsatz nicht falsch, stellte das Gericht fest. Die Absicht, auf diese Weise den dörflich-gemeinschaftlichen Charakter der Gemeinde zu bewahren und vor allem Familien die erstmalige Verwirklichung eines Eigenheims zu ermöglichen, sei sogar zu befürworten. Auch habe die Verwaltung das Vergabeverfahren formell richtig auf den Weg gebracht, ergänzte Ivo Gönner am Donnerstag. Allerdings kam die Sigmaringer Kammer zur Auffassung, dass in den Richtlinien nebst einigen formalen Fehlern auch inhaltlich rechtswidrige Bestimmungen enthalten seien.
In der 43-seitigen Begründung des Beschlusses habe das Gericht zwar etliche Vorwürfe, die der bei der Vergabe nicht zum Zug gekommene Bauplatzbewerber in seinem Antrag auf einstweilige Verfügung aufgeführt habe, als unbegründet zurückgewiesen oder erst gar nicht kommentiert. Allerdings habe es stattdessen auch eigene Kritikpunkte geäußert. Insgesamt 13 hat Gönner ausgemacht, die aus seiner Sicht wichtigsten stellte er in seinem knapp halbstündigen Vortrag dem Gemeinderat und den zahlreichen Zuschauern vor.
Über allem stehe der Leitsatz: Sind die Vergaberichtlinien klar und vor allem für die potenziellen Bewerber problemlos verständlich, also transparent? So habe die Gemeinde laut Gericht nicht oder nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dass statt einer Online-Bewerbung über die Internet-Plattform „Baupilot“auch eine klassische Papier-Bewerbung in den Rathaus-Briefkasten gesteckt werden könne. Höchst fraglich sei der Ausschluss von Maklern als Bewerber, denn damit werde suggeriert, dass diese Berufsgruppe sich auch privat nicht bewerben dürfe. Auch müsse der Ausschluss von Personen, die insolvent sind, klarer erläutert werden.
Eine weitere unklare Formulierung vermittle den Eindruck, dass sich nur Ehepaare bewerben dürften. Den Hinweis, wonach nicht nur falsche, sondern auch unvollständige Angaben zum Ausschluss aus dem Verfahren führe, erachte das Gericht als zu radikal, denn damit hätten auch versehentlich versäumte Angaben gravierende Folgen. Die Bemerkung, dass ein Kaufvertrag unter gemeindeüblichen Bedingungen abgeschlossen werde, enthalte den Verweis auf Musterverträge, die aber der Ausschreibung nicht beigefügt seien.
Zu vage formuliert sei in den Richtlinien die zu Pluspunkten führende Tätigkeit als Selbstständiger. Es sei unklar, ob der Schwerpunkt des Gewerbes in Öpfingen liegen müsse oder auch außerhalb sein dürfe. Eine deutlichere Differenzierung fordere das Gericht bei dem Kriterium, das zu Minuspunkten führt, wenn der Bewerber schon „bebaubare Grundstücke“hat. Es müsse dargestellt werden, ob damit Flächen gemeint sind, die zur gewerblichen Nutzung oder nur zur Wohnzwecken bebaut werden können.
Als problematisch erachtet das Gericht in den ortsbezogenen Kriterien die Einbeziehung des Bürgerrechts, womit deutsche und sonstige EU-Bürger begünstigt würden – und auch der Bürgermeister, der somit allein durch seinen Amtsantritt die volle Punktzahl für den Wohnort erhalte und aufgrund seiner Tätigkeit auch noch beim Kriterium „Arbeitsplatz in der Gemeinde“profitiere. Für das Gericht lege diese „doppelte Berücksichtigung“sogar den Verdacht einer „versteckten Begünstigung“nahe. Letzteres sei nicht der Fall, beteuerte Gönner in seinem Vortrag und empfahl, diesen Passus einfach wegzulassen. Die vom Gericht ebenfalls beanstandete Begünstigung von Gemeinderatsmitgliedern sei im Öpfinger Fall nicht relevant, da sich keine Gremiumsmitglieder bewerben. Keinen Kommentar gab Gönner zur Kritik des Gerichts ab, wonach die Berücksichtigung des Amts als Kreistagsmitglied – wovon wiederum der Bürgermeister profitiere – nicht schlüssig sei, schließlich sei ein Kreisrat für ALLE Bürger des Landkreises und nicht nur für die Öpfinger zuständig.
Hingegen machte das Gericht deutlich, dass sich – entgegen des Vorwurfs des Antragsstellers – der
„Das wäre vertane Zeit.“Ivo Gönner über die Möglichkeit, Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts einzulegen
Bürgermeister bei den Beratungen und Ratssitzungen zu den Vergaberichtlinien korrekt verhalten habe, indem er sich für befangen erklärt habe und vom Ratstisch abgerückt sei. Auch den Vorwurf, Andreas Brauns Stellvertreter Dominik Maier sei ebenfalls befangen gewesen, weil er als Geschäftsführer des örtlichen Holzbauunternehmens Gapp von möglichen Aufträgen profitieren könne, hält das Gericht für haltlos.
Als sehr wichtig bezeichnete Ivo Gönner das vom Gericht bemängelte Missverhältnis der Punktezahl für den ehemaligen Wohnsitz und für die Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Das führe dazu, dass der faktische Ausschluss von auswärtigen Bewerbern verstärkt werde. Denn eine ortsfremde Familie mit drei Kindern wäre demnach im Vergleich dieser Kriterien mit einem alleinstehenden Bewerber, der nur fünf Jahre in Öpfingen gewohnt habe, punktemäßig gleichgestellt.
Was das weitere Vorgehen betrifft, habe die Gemeinde laut Gönner die Möglichkeit, binnen zwei Wochen Beschwerde gegen den VG-Beschluss einzulegen und diese innerhalb weiterer 14 Tage zu begründen. „Aber das würde ich nicht empfehlen. Die Sache geht dann an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim, der schaut, ob Sigmaringen eklatante Fehler gemacht hat. In den seltensten Fällen hebt der Verwaltungsgerichtshof so einen Beschluss auf “, sagte der Anwalt und fügte an: „Das wäre vertane Zeit. Denn so etwas geht erfahrungsgemäß das ganze Jahr.“
Vielmehr habe das Gericht in seinem Beschluss einen wichtigen Fingerzeig gegeben. So laufe die rechtliche Situation „faktisch darauf hinaus“, dass die Gemeinde „unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts ein neues Verfahrenskonzept in Form von überarbeiteten Vergaberichtlinien aufstellt“. Gönner empfiehlt, diesem Vorschlag zu folgen und in die neuen Richtlinien „die
Darstellungen des Gerichts peinlich genau einzuarbeiten“. Hierzu müsse das bisherige Verfahren vom Gemeinderat aufgehoben werden. „Das muss nicht heute sein, das wäre hopplahopp.“
Alternativ könne die Gemeinde die Bauplätze auch über ein Losverfahren („Andere Gemeinden machen das, weil sie von drohenden Gerichtsverfahren abgeschreckt werden“) oder das „Windhund-Verfahren“vergeben. Dabei könne sich jeder bewerben und die Entscheidung falle nach dem Motto „Wer zuerst kommt mahlt zuerst“.
Ratsmitglied und zweiter stellvertretender Bürgermeister Wolfgang Reitmayer nahm „wohlwollend zur Kenntnis, dass das Gericht die formale Rechtmäßigkeit der Richtlinien festgestellt hat“, gleichwohl sei er von den aufgeführten inhaltlichen Kritikpunkten überrascht. In diesem Zusammenhang kritisierte er, dass die Firma „Baupilot“auf ihrer Homepage von einer „rechtssicheren Vergabe“spreche. „Das trifft für uns nicht zu“, stellte er ernüchtert fest.
Ivo Gönner erklärte dazu, dass es sich bei „Baupilot“lediglich um einen technischen Dienstleister handle, der Vorschläge für Richtlinien erarbeitet habe und diese fast jeden Tag anpasse. „Es gibt keine endlos sichere Seite.“Man müsse mit großer Sorgfalt an die Überarbeitung der Richtlinien gehen. Dabei müsse man „die Welt nicht neu erfinden“, bestimmte Punkte könnten „auch einfach nur gestrichen werden.“Nach seiner Einschätzung brauche man dafür rund zwei Monate, nach einer neuen Ausschreibung unter Einhaltung aller Fristen könne das neue Verfahren Ende des Jahres abgeschlossen sein – „hoffentlich ohne weitere Gerichtsentscheidung“.
Der Gemeinderat beschloss einstimmig – ohne die Stimme des (ebenso wie der gleichfalls befangene Hauptamtsleiter Axel Prosser) während des gesamten Tagesordnungspunktes vom Ratstisch abgerückten Bürgermeisters Andreas Braun –, den geplanten Beschluss über das weitere Vorgehen zu vertagen.