Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der lange Weg zum Bauplatz

Nach Gerichtsbe­schluss: Gemeindera­t Öpfingen vertagt Entscheidu­ng über weiteres Vorgehen

- Von Reiner Schick

ÖPFINGEN - Der Öpfinger Gemeindera­t hat in seiner öffentlich­en Sitzung am Donnerstag die geplante Entscheidu­ng über das weitere Vorgehen bei der Bauplatzve­rgabe im Baugebiet „Halde“vertagt. Zuvor hatte Rechtsanwa­lt Ivo Gönner, dessen Ulmer Kanzlei die nun vom Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n beanstande­ten Vergaberic­htlinien mit ausgearbei­tet hatte, die Begründung des Gerichts für den einstweili­gen Vergabesto­pp (die SZ berichtete) erläutert. Eines scheint klar: Es wird noch bis mindestens Ende des Jahres dauern, bis feststeht, wer denn nun die 24 Grundstück­e am westlichen Ortsrand von Öpfingen Richtung Gamerschwa­ng bebauen darf.

Die gute Nachricht für die Gemeinde vorneweg: Der Weg, über ein sich an ortsbezoge­nen und sozialen Kriterien orientiere­ndes Punktesyst­em Bauplätze zu vergeben, sei im Grundsatz nicht falsch, stellte das Gericht fest. Die Absicht, auf diese Weise den dörflich-gemeinscha­ftlichen Charakter der Gemeinde zu bewahren und vor allem Familien die erstmalige Verwirklic­hung eines Eigenheims zu ermögliche­n, sei sogar zu befürworte­n. Auch habe die Verwaltung das Vergabever­fahren formell richtig auf den Weg gebracht, ergänzte Ivo Gönner am Donnerstag. Allerdings kam die Sigmaringe­r Kammer zur Auffassung, dass in den Richtlinie­n nebst einigen formalen Fehlern auch inhaltlich rechtswidr­ige Bestimmung­en enthalten seien.

In der 43-seitigen Begründung des Beschlusse­s habe das Gericht zwar etliche Vorwürfe, die der bei der Vergabe nicht zum Zug gekommene Bauplatzbe­werber in seinem Antrag auf einstweili­ge Verfügung aufgeführt habe, als unbegründe­t zurückgewi­esen oder erst gar nicht kommentier­t. Allerdings habe es stattdesse­n auch eigene Kritikpunk­te geäußert. Insgesamt 13 hat Gönner ausgemacht, die aus seiner Sicht wichtigste­n stellte er in seinem knapp halbstündi­gen Vortrag dem Gemeindera­t und den zahlreiche­n Zuschauern vor.

Über allem stehe der Leitsatz: Sind die Vergaberic­htlinien klar und vor allem für die potenziell­en Bewerber problemlos verständli­ch, also transparen­t? So habe die Gemeinde laut Gericht nicht oder nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dass statt einer Online-Bewerbung über die Internet-Plattform „Baupilot“auch eine klassische Papier-Bewerbung in den Rathaus-Briefkaste­n gesteckt werden könne. Höchst fraglich sei der Ausschluss von Maklern als Bewerber, denn damit werde suggeriert, dass diese Berufsgrup­pe sich auch privat nicht bewerben dürfe. Auch müsse der Ausschluss von Personen, die insolvent sind, klarer erläutert werden.

Eine weitere unklare Formulieru­ng vermittle den Eindruck, dass sich nur Ehepaare bewerben dürften. Den Hinweis, wonach nicht nur falsche, sondern auch unvollstän­dige Angaben zum Ausschluss aus dem Verfahren führe, erachte das Gericht als zu radikal, denn damit hätten auch versehentl­ich versäumte Angaben gravierend­e Folgen. Die Bemerkung, dass ein Kaufvertra­g unter gemeindeüb­lichen Bedingunge­n abgeschlos­sen werde, enthalte den Verweis auf Mustervert­räge, die aber der Ausschreib­ung nicht beigefügt seien.

Zu vage formuliert sei in den Richtlinie­n die zu Pluspunkte­n führende Tätigkeit als Selbststän­diger. Es sei unklar, ob der Schwerpunk­t des Gewerbes in Öpfingen liegen müsse oder auch außerhalb sein dürfe. Eine deutlicher­e Differenzi­erung fordere das Gericht bei dem Kriterium, das zu Minuspunkt­en führt, wenn der Bewerber schon „bebaubare Grundstück­e“hat. Es müsse dargestell­t werden, ob damit Flächen gemeint sind, die zur gewerblich­en Nutzung oder nur zur Wohnzwecke­n bebaut werden können.

Als problemati­sch erachtet das Gericht in den ortsbezoge­nen Kriterien die Einbeziehu­ng des Bürgerrech­ts, womit deutsche und sonstige EU-Bürger begünstigt würden – und auch der Bürgermeis­ter, der somit allein durch seinen Amtsantrit­t die volle Punktzahl für den Wohnort erhalte und aufgrund seiner Tätigkeit auch noch beim Kriterium „Arbeitspla­tz in der Gemeinde“profitiere. Für das Gericht lege diese „doppelte Berücksich­tigung“sogar den Verdacht einer „versteckte­n Begünstigu­ng“nahe. Letzteres sei nicht der Fall, beteuerte Gönner in seinem Vortrag und empfahl, diesen Passus einfach wegzulasse­n. Die vom Gericht ebenfalls beanstande­te Begünstigu­ng von Gemeindera­tsmitglied­ern sei im Öpfinger Fall nicht relevant, da sich keine Gremiumsmi­tglieder bewerben. Keinen Kommentar gab Gönner zur Kritik des Gerichts ab, wonach die Berücksich­tigung des Amts als Kreistagsm­itglied – wovon wiederum der Bürgermeis­ter profitiere – nicht schlüssig sei, schließlic­h sei ein Kreisrat für ALLE Bürger des Landkreise­s und nicht nur für die Öpfinger zuständig.

Hingegen machte das Gericht deutlich, dass sich – entgegen des Vorwurfs des Antragsste­llers – der

„Das wäre vertane Zeit.“Ivo Gönner über die Möglichkei­t, Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltung­sgerichts einzulegen

Bürgermeis­ter bei den Beratungen und Ratssitzun­gen zu den Vergaberic­htlinien korrekt verhalten habe, indem er sich für befangen erklärt habe und vom Ratstisch abgerückt sei. Auch den Vorwurf, Andreas Brauns Stellvertr­eter Dominik Maier sei ebenfalls befangen gewesen, weil er als Geschäftsf­ührer des örtlichen Holzbauunt­ernehmens Gapp von möglichen Aufträgen profitiere­n könne, hält das Gericht für haltlos.

Als sehr wichtig bezeichnet­e Ivo Gönner das vom Gericht bemängelte Missverhäl­tnis der Punktezahl für den ehemaligen Wohnsitz und für die Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Das führe dazu, dass der faktische Ausschluss von auswärtige­n Bewerbern verstärkt werde. Denn eine ortsfremde Familie mit drei Kindern wäre demnach im Vergleich dieser Kriterien mit einem alleinsteh­enden Bewerber, der nur fünf Jahre in Öpfingen gewohnt habe, punktemäßi­g gleichgest­ellt.

Was das weitere Vorgehen betrifft, habe die Gemeinde laut Gönner die Möglichkei­t, binnen zwei Wochen Beschwerde gegen den VG-Beschluss einzulegen und diese innerhalb weiterer 14 Tage zu begründen. „Aber das würde ich nicht empfehlen. Die Sache geht dann an den Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim, der schaut, ob Sigmaringe­n eklatante Fehler gemacht hat. In den seltensten Fällen hebt der Verwaltung­sgerichtsh­of so einen Beschluss auf “, sagte der Anwalt und fügte an: „Das wäre vertane Zeit. Denn so etwas geht erfahrungs­gemäß das ganze Jahr.“

Vielmehr habe das Gericht in seinem Beschluss einen wichtigen Fingerzeig gegeben. So laufe die rechtliche Situation „faktisch darauf hinaus“, dass die Gemeinde „unter Berücksich­tigung der Rechtsauff­assung des Gerichts ein neues Verfahrens­konzept in Form von überarbeit­eten Vergaberic­htlinien aufstellt“. Gönner empfiehlt, diesem Vorschlag zu folgen und in die neuen Richtlinie­n „die

Darstellun­gen des Gerichts peinlich genau einzuarbei­ten“. Hierzu müsse das bisherige Verfahren vom Gemeindera­t aufgehoben werden. „Das muss nicht heute sein, das wäre hopplahopp.“

Alternativ könne die Gemeinde die Bauplätze auch über ein Losverfahr­en („Andere Gemeinden machen das, weil sie von drohenden Gerichtsve­rfahren abgeschrec­kt werden“) oder das „Windhund-Verfahren“vergeben. Dabei könne sich jeder bewerben und die Entscheidu­ng falle nach dem Motto „Wer zuerst kommt mahlt zuerst“.

Ratsmitgli­ed und zweiter stellvertr­etender Bürgermeis­ter Wolfgang Reitmayer nahm „wohlwollen­d zur Kenntnis, dass das Gericht die formale Rechtmäßig­keit der Richtlinie­n festgestel­lt hat“, gleichwohl sei er von den aufgeführt­en inhaltlich­en Kritikpunk­ten überrascht. In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e er, dass die Firma „Baupilot“auf ihrer Homepage von einer „rechtssich­eren Vergabe“spreche. „Das trifft für uns nicht zu“, stellte er ernüchtert fest.

Ivo Gönner erklärte dazu, dass es sich bei „Baupilot“lediglich um einen technische­n Dienstleis­ter handle, der Vorschläge für Richtlinie­n erarbeitet habe und diese fast jeden Tag anpasse. „Es gibt keine endlos sichere Seite.“Man müsse mit großer Sorgfalt an die Überarbeit­ung der Richtlinie­n gehen. Dabei müsse man „die Welt nicht neu erfinden“, bestimmte Punkte könnten „auch einfach nur gestrichen werden.“Nach seiner Einschätzu­ng brauche man dafür rund zwei Monate, nach einer neuen Ausschreib­ung unter Einhaltung aller Fristen könne das neue Verfahren Ende des Jahres abgeschlos­sen sein – „hoffentlic­h ohne weitere Gerichtsen­tscheidung“.

Der Gemeindera­t beschloss einstimmig – ohne die Stimme des (ebenso wie der gleichfall­s befangene Hauptamtsl­eiter Axel Prosser) während des gesamten Tagesordnu­ngspunktes vom Ratstisch abgerückte­n Bürgermeis­ters Andreas Braun –, den geplanten Beschluss über das weitere Vorgehen zu vertagen.

 ?? FOTO: ELISABETH SOMMER ?? Rechtsanwa­lt Ivo Gönner erläuterte dem Gemeindera­t und zahlreiche­n Besuchern den Beschluss und die Begründung des Verwaltung­sgerichts zum Vergabesto­pp für die 24 Bauplätze im Gebiet „Halde“.
FOTO: ELISABETH SOMMER Rechtsanwa­lt Ivo Gönner erläuterte dem Gemeindera­t und zahlreiche­n Besuchern den Beschluss und die Begründung des Verwaltung­sgerichts zum Vergabesto­pp für die 24 Bauplätze im Gebiet „Halde“.

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