„Ein Schlag gegen die Menschlichkeit“
So reagieren Betroffene auf den Gerichtsbeschluss
ÖPFINGEN (reis) - Vor dem Jahresende gibt es – wenn überhaupt – wohl noch keine Gewissheit, wer die 24 Grundstücke im Baugebiet „Halde“in Öpfingen bebauen darf. Für die Bewerber, die beim Vergabeverfahren der Gemeinde zum Zuge gekommen wären, ist diese Nachricht ein Schock. Das geht auch aus den Kommentaren hervor, welche die SZ nach der Gemeinderatssitzung eingeholt hat.
Dabei wird vor allem deutlich: Es wächst der Unmut gegenüber dem Antragssteller, der in dem Vergabefahren mit Rang 54 unter knapp 100 Bewerbern weit abgeschlagen platziert ist. Dass ausgerechnet ein alteingesessener Öpfinger gerichtlich gegen Mitbürger vorgeht, dafür fehlt manchen das Verständnis. Zumal er auch mit einem überarbeiteten Punktesystem nicht wesentlich weiter vorne landen, also nicht zum Zuge kommen würde, lautet ein Vorwurf. Letztlich gehe es dem Antragssteller, der bereits einige Immobilien im Ort besitze, nur darum, das Verfahren zu torpedieren. „Das hat er schon letztes Jahr im Februar angekündigt“, sagen einige. Über die Gründe hierfür gibt es viele Spekulationen, die für den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen letztlich nicht von Belang waren. Von „bloßen Behauptungen“und „Hörensagen“, das nur einen geringen Beweiswert habe, schreibt das Gericht.
Bitter ist der Aufschub und der mögliche Neustart des Vergabeverfahrens vor allem für die Bewerber, die in der aktuellen Rangliste auf den ersten 24 Plätzen geführt werden. Für sie alle ist unklar wann, und für viele auch ob sie bei einem neuen Verfahren ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen können. „Wir haben uns nur fünf Tage gefreut, dann kam die Nachricht vom Gerichtsantrag“, schildert eine Frau die böse vorweihnachtliche Bescherung
– und ringt sichtlich um Fassung. Doch viel schwerer als die emotionale Wirkung wiegen andere Folgen. Zum Beispiel die finanziellen: Die mit der Bank längst festgezurrte Baufinanzierung ist obsolet, entgehendes Baukindergeld und voraussichtliche Preissteigerungen im Baugewerbe summieren sich auf einen Verlust von 70 000 bis 80 000 Euro gegenüber der bestehenden Finanzplanung, rechnet die Frau vor.
Dabei war der Zeitplan durchaus gezielt so gewählt worden, dass die ursprünglich bis 31. Dezember 2020 dauernde Frist zur Beantragung des Baukindergeldes eingehalten werden könne, erklärte Rechtsanwalt Ivo Gönner in der Ratssitzung. Nachdem die Bundesregierung die Frist wegen der Corona-Pandemie bis 31. März 2021 verlängert hat, habe Hoffnung geherrscht, dass es trotz der Gerichtsverfügung doch noch reichen könnte. „Das ist jetzt nicht mehr machbar“, stellte Gönner fest. Danach ist das Baukindergeld Geschichte.
Doch nicht nur das: Die betroffene Beispiel-Familie ist in Öpfingen verwurzelt, im Verein ehrenamtlich engagiert, und sucht seit fünf Jahren einen Bauplatz oder ein Haus, denn im bestehenden Eigenheim wegen gestiegener Kinderzahl viel zu eng geworden ist. „Wir müssen dringend raus, aber wir finden einfach nichts“, sagt die Mutter. „Und wir haben auch schon viele Häuser angeschaut.“
Das Baugebiet „Halde“schien die Lösung nicht nur für die eigene, sondern auch für die allgemeine Wohnungsnot im Ort, vor allem für Familien. „Die Situation ist schon krass“, klagt die Frau, „und dann kann da jemand kommen, einfach klagen und viele Familien im eigenen Ort vor den Kopf stoßen. Für mich ist sowas ein Schlag gegen die Menschlichkeit.“