Tui-Betriebsratschef verteidigt Staatshilfe in Milliardenhöhe
Für Arbeitnehmervertreter Frank Jakobi sind die umstrittenen Kredite für den größten Reiseanbieter berechtigt – Massive Kritik an Piloten
●
HANNOVER (dpa) - Für Tui-Betriebsratschef Frank Jakobi sind die umstrittenen Staatshilfen an den größten Reiseanbieter berechtigt. Innerhalb des Konzerns müssten sich aber die Piloten fragen, ob sie nicht auch selbst einen größeren Beitrag zur Rettung leisten könnten, betonte der oberste Belegschaftsvertreter im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das für den Tourismus verheerende Corona-Jahr 2020 hat bei den Hannoveranern bereits zu einem personellen Aderlass geführt. Das Management fährt außerdem einen harten Sparkurs.
„Man kann sich sicher die Frage stellen, ob Tui als Unternehmen systemrelevant für die Bundesrepublik ist“, sagte Jakobi. „In direkter Form wohl nicht. Aber im Tourismus als Wirtschaftszweig ist Tui systemrelevant.“Die Milliardenkredite und Bürgschaften, die vor allem über die Förderbank KfW laufen, seien insgesamt in Ordnung. Denn man müsse auch Anschlusseffekte beachten. „Wenn es uns nicht mehr gibt, dann hat auch das kleine Reisebüro an der Ecke fast kein Produkt mehr und bekommt Sortimentsprobleme“, sagt Jakobi. „Viele, viele Arbeitsplätze und Existenzen sind indirekt von Tui abhängig.“
Er habe sich dazu mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgetauscht. „Wir freuen uns natürlich, dass wir die staatlichen Hilfen bekommen.“Jakobi betonte, dass dies aber „keine (geeignet sowohl für Android als auch für Apple)
Geschenke“seien, sondern eben Kredite mit teils hohen Zinsen: „Wir werden alle Hilfen zurückzahlen, am Ende wird der deutsche Steuerzahler an Tui viel Geld verdienen.“Zudem zahlten die Beschäftigten mit erhaltenen Jobs ja weiter ein. „Die Alternative wäre gewesen: Zehntausende Kolleginnen und Kollegen werden arbeitslos, zahlen keine Steuern mehr und erhalten staatliche Unterstützung wie Arbeitslosengeld“, sagte der Betriebsratschef.
Insgesamt schätzt Jakobi die Chancen im neuen Jahr als durchaus gut ein. „Ich glaube, für ein profitables Oster-Programm wird es 2021 noch zu früh sein. Aber wir werden schon eine gute Buchungslage für den Sommer bekommen, alle Indikatoren
deuten darauf hin. 2022 sind wir wieder da, wo wir 2019 vor dieser Krise waren – davon bin ich fest überzeugt.“Auch Branchenbeobachter nehmen an, dass es bald aufwärtsgehen könnte – falls sich Corona-Impfungen breit durchsetzen.
Tui müsse auch selbst nach weiteren, möglichst sozialverträglichen Sparmöglichkeiten suchen. „Insgesamt ist das alles natürlich nicht leicht für uns“, sagte Jakobi mit Blick etwa auf die eigene Airline Tuifly. „Der Druck auf die Kolleginnen und Kollegen und die Stimmung sind je nach Bereich aber auch sehr unterschiedlich. Es gibt Bereiche, die stärker vom Sparkurs betroffen sind als andere.“Rund 8000 Jobs will der Konzern insgesamt streichen, vor allem im Ausland.
Jakobi ermahnte die Piloten, sich solidarischer zu zeigen. „So gut wie alle Beschäftigten machen Kurzarbeit – aber eine Gruppe leistet im Augenblick keinen Beitrag“, kritisierte er. Viele Mitarbeiter, die gut verdienen und oberhalb der Schwellen für das Kurzarbeitergeld liegen, hätten sich ebenfalls bereit erklärt, auf bis zu ein Fünftel ihres Gehalts zu verzichten. „Die Piloten aber haben gesagt: ,Das kommt für uns nicht infrage, wir beteiligen uns nicht an Kurzarbeit und verzichten mit Blick auf Kurzarbeit auf nichts’“. Diese Haltung sei anders als in Reisebüros, Callcentern, der Verwaltung oder den Veranstaltungsbereichen, wo man im Interesse des Ganzen zurückstecke.