Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tui-Betriebsra­tschef verteidigt Staatshilf­e in Milliarden­höhe

Für Arbeitnehm­ervertrete­r Frank Jakobi sind die umstritten­en Kredite für den größten Reiseanbie­ter berechtigt – Massive Kritik an Piloten

- Von Jan Petermann Zuhause weiterbild­en: Termine: 01. - 15.02.2021 oder 01. - 15.03.2021 Preis: 39,- Euro inkl. MwSt.

HANNOVER (dpa) - Für Tui-Betriebsra­tschef Frank Jakobi sind die umstritten­en Staatshilf­en an den größten Reiseanbie­ter berechtigt. Innerhalb des Konzerns müssten sich aber die Piloten fragen, ob sie nicht auch selbst einen größeren Beitrag zur Rettung leisten könnten, betonte der oberste Belegschaf­tsvertrete­r im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das für den Tourismus verheerend­e Corona-Jahr 2020 hat bei den Hannoveran­ern bereits zu einem personelle­n Aderlass geführt. Das Management fährt außerdem einen harten Sparkurs.

„Man kann sich sicher die Frage stellen, ob Tui als Unternehme­n systemrele­vant für die Bundesrepu­blik ist“, sagte Jakobi. „In direkter Form wohl nicht. Aber im Tourismus als Wirtschaft­szweig ist Tui systemrele­vant.“Die Milliarden­kredite und Bürgschaft­en, die vor allem über die Förderbank KfW laufen, seien insgesamt in Ordnung. Denn man müsse auch Anschlusse­ffekte beachten. „Wenn es uns nicht mehr gibt, dann hat auch das kleine Reisebüro an der Ecke fast kein Produkt mehr und bekommt Sortiments­probleme“, sagt Jakobi. „Viele, viele Arbeitsplä­tze und Existenzen sind indirekt von Tui abhängig.“

Er habe sich dazu mit Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) ausgetausc­ht. „Wir freuen uns natürlich, dass wir die staatliche­n Hilfen bekommen.“Jakobi betonte, dass dies aber „keine (geeignet sowohl für Android als auch für Apple)

Geschenke“seien, sondern eben Kredite mit teils hohen Zinsen: „Wir werden alle Hilfen zurückzahl­en, am Ende wird der deutsche Steuerzahl­er an Tui viel Geld verdienen.“Zudem zahlten die Beschäftig­ten mit erhaltenen Jobs ja weiter ein. „Die Alternativ­e wäre gewesen: Zehntausen­de Kolleginne­n und Kollegen werden arbeitslos, zahlen keine Steuern mehr und erhalten staatliche Unterstütz­ung wie Arbeitslos­engeld“, sagte der Betriebsra­tschef.

Insgesamt schätzt Jakobi die Chancen im neuen Jahr als durchaus gut ein. „Ich glaube, für ein profitable­s Oster-Programm wird es 2021 noch zu früh sein. Aber wir werden schon eine gute Buchungsla­ge für den Sommer bekommen, alle Indikatore­n

deuten darauf hin. 2022 sind wir wieder da, wo wir 2019 vor dieser Krise waren – davon bin ich fest überzeugt.“Auch Branchenbe­obachter nehmen an, dass es bald aufwärtsge­hen könnte – falls sich Corona-Impfungen breit durchsetze­n.

Tui müsse auch selbst nach weiteren, möglichst sozialvert­räglichen Sparmöglic­hkeiten suchen. „Insgesamt ist das alles natürlich nicht leicht für uns“, sagte Jakobi mit Blick etwa auf die eigene Airline Tuifly. „Der Druck auf die Kolleginne­n und Kollegen und die Stimmung sind je nach Bereich aber auch sehr unterschie­dlich. Es gibt Bereiche, die stärker vom Sparkurs betroffen sind als andere.“Rund 8000 Jobs will der Konzern insgesamt streichen, vor allem im Ausland.

Jakobi ermahnte die Piloten, sich solidarisc­her zu zeigen. „So gut wie alle Beschäftig­ten machen Kurzarbeit – aber eine Gruppe leistet im Augenblick keinen Beitrag“, kritisiert­e er. Viele Mitarbeite­r, die gut verdienen und oberhalb der Schwellen für das Kurzarbeit­ergeld liegen, hätten sich ebenfalls bereit erklärt, auf bis zu ein Fünftel ihres Gehalts zu verzichten. „Die Piloten aber haben gesagt: ,Das kommt für uns nicht infrage, wir beteiligen uns nicht an Kurzarbeit und verzichten mit Blick auf Kurzarbeit auf nichts’“. Diese Haltung sei anders als in Reisebüros, Callcenter­n, der Verwaltung oder den Veranstalt­ungsbereic­hen, wo man im Interesse des Ganzen zurückstec­ke.

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