Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Corona-Pandemie verschärft Armut in der Welt

Oxfam warnt zum Weltwirtsc­haftsforum vor den wirtschaft­lichen Folgen des Virus

- Von Hannes Koch

BERLIN - Weltweit verschärft die Corona-Pandemie die wirtschaft­lichen Probleme vieler Menschen – vor allem: Der Abstand zwischen sehr armen und sehr reichen Menschen nimmt weiter zu. Das beklagt die Entwicklun­gs- und Lobbyorgan­isation Oxfam im Vorfeld des Weltwirtsc­haftsforum­s von Davos. Während die tausend Milliardär­e mit den größten Vermögen die Verluste des Jahres 2020 inzwischen wieder wett gemacht hätten, seien wohl Hunderte Millionen Menschen in die Armut gerutscht, heißt es im neuen OxfamBeric­ht „Das Virus der Armut“.

Beim Weltwirtsc­haftsforum von Davos trifft sich die globale Wirtschaft­sund Politikeli­te – in diesem Jahr wegen Corona aber nur online. Kurz vorher kritisiert Oxfam traditione­ll die zunehmende soziale Spaltung. Parallel wurde die Parole „Milliardär­e abschaffen“auf die Wand des Kongressze­ntrums in Davos projiziert – verantwort­lich war die Gruppe „Allianz gegen globale Ungleichhe­it“.

Oxfam, dem internatio­nalen Verbund von Hilfsorgan­isationen, zufolge besaßen die tausend reichsten Milliardär­e weltweit Anfang 2020 vor Corona zusammen rund 9000 Milliarden US-Dollar (rund 8200 Milliarden Euro). Durch die Krise im vergangene­n Frühjahr und Sommer nahm ihr Reichtum zunächst um etwa ein Drittel ab, hat bis Ende 2020 aber wieder die alte Höhe erreicht. Eine wesentlich­e Ursache liegt in der Tatsache, dass die Aktienprei­se an den Börsen kletterten. Die Organisati­on stützt ihre Berechnung­en auf Daten der Schweizer Bank Credit Suisse und die Liste der Milliardär­e des Magazins „Forbes“. Dieses geht davon aus, dass das Vermögen der Milliardär­e im vergangene­n Jahr sogar um 20 Prozent gewachsen ist.

Währenddes­sen stieg die globale Armut im Corona-Jahr an. Nach Oxfam-Berechnung­en auf Basis von Weltbankda­ten sind 2020 wohl 100 bis 200 Millionen Menschen zusätzlich in tiefe Armut abgerutsch­t, müssen also mit weniger als 5,50 US-Dollar pro Tag auskommen. Hier liegt der Grund unter anderem darin, dass durch die Kontaktbes­chränkunge­n in vielen Staaten Unternehme­n in Schwierigk­eiten gerieten und die Arbeitslos­igkeit zunahm. Betroffen sind überdurchs­chnittlich Leute, die sowieso nur geringe Einkommen erwirtscha­ften.

Um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken, fordert Oxfam Gegenmaßna­hmen, zum Beispiel höhere Steuern für global agierende Unternehme­n und ihre Besitzer. „Die Steuergeld­er werden dringend benötigt, um insbesonde­re in Ländern des Globalen Südens Menschen in Armut zu unterstütz­en und öffentlich finanziert­e Systeme für Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung auszubauen“, erklärte Tobias Hauschild von Oxfam Deutschlan­d.

Wolle man beispielsw­eise alle Menschen der Erde gegen Corona impfen, kostete das etwa 140 Milliarden Dollar (ungefähr 130 Milliarden Euro) – eine geringe Summe im Vergleich zu den 9000 Milliarden, die die Reichsten besitzen. Auf die Frage, wie höhere Steuern weltweit durchsetzb­ar sind, geht die Organisati­on nicht ein. Unternehme­n und vermögende Privatpers­onen wehren sich gegen eine höhere Abgabenlas­t oft, indem sie in Staaten mit niedrigen Tarifen und Steueroase­n ausweichen. Dagegen helfen könnte vielleicht ein globales Steuerabko­mmen. Ein solches auszuhande­ln, versuchen mehr als 100 Staaten im Rahmen der Industriel­änder-Organisati­on OECD – bislang ohne Erfolg.

Eine andere Variante sind sogenannte Lieferkett­engesetze: Reiche Staaten müssten ihren Unternehme­n vorschreib­en, dass sie die Beschäftig­ten ihrer Zulieferfa­briken weltweit vernünftig bezahlen. Hierzuland­e wollen Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) ein Gesetz durchsetze­n, das in diese Richtung geht. Bisher blockiert Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Dazu erklärte der britische Konsumgüte­rherstelle­r Unilever kürzlich, er wolle bis zum Jahr 2030 jedem Beschäftig­ten in seiner Lieferkett­e einen existenzsi­chernden Lohn garantiere­n.

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FOTO: HEDI AYARI/DPA Proteste gegen die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Pandemie in der tunesische­n Hauptstadt Tunis: Eine Demonstran­tin hält am Wochenende ein Schild mit der Aufschrift „Armut steigt, Verhungern nimmt zu“hoch.
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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Ausgabe von Mittagesse­n für Bedürftige im baden-württember­gischen Mannheim: Eine Helferin serviert in der Vesperkirc­he der Evangelisc­he Kirche und des Diakonisch­en Werks Mannheim eine warme Mahlzeit.
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FOTO: ANGELA WEISS Hilfsmaßna­hmen gegen den Hunger in der US-Metropole Philadelph­ia: Amerikas mittlerwei­le vereidigte­r Präsident Joe Biden (links) packt vergangene Woche Konservend­osen in Lebensmitt­elpakete für arme Menschen.

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