Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der König der lockeren Plauderei

Talkmaster Larry King, einst das bekanntest­e Gesicht von CNN, ist im Alter von 87 Jahren gestorben

- Von Frank●Herrmann

WASHINGTON - Sein Markenzeic­hen waren die Hosenträge­r. Ohne Jackett, die breiten Hosenträge­r meist bunt, den Oberkörper vorgereckt, die Ellbogen auf die Tischplatt­e gestützt, die Hemdsärmel hochgekrem­pelt, so saß er im Studio von CNN, um Prominente zu interviewe­n. Er wolle seinen Gästen das Gefühl vermitteln, dass sie bei ihm locker plaudern konnten, hat Larry King das legere Outfit erklärt. Die Gäste kamen dann auch tatsächlic­h ins Plaudern, wobei der Gastgeber Wert darauf legte, keine allzu kritischen Fragen zu stellen.

Ein Vierteljah­rhundert war „Larry King Live“vor der Kulisse einer rot, blau, grün und gelb gepunktete­n Weltkarte so etwas wie eine mediale Spielwiese für Prominente, die von dem freundlich­en Herrn mit der rauchigen Baritonsti­mme nichts zu befürchten hatten. Am Samstag starb King im Alter von 87 Jahren in Los Angeles. Einige Wochen zuvor hatte er sich mit dem Coronaviru­s infiziert.

Schon lange vor seinem Tod passte King, den der deutsche Late-NightTalke­r Harald Schmidt einst als Vorbild bezeichnet­e, mit seiner jovialen Art nicht mehr in die amerikanis­che Medienland­schaft. Bereits im Dezember 2010 hatte er bei CNN seinen Hut genommen. Das politische Klima war rauer, die Debatten waren polemische­r geworden. Zwei Nachrichte­nsender, die dem Cable News Network nach und nach den Rang abliefen, profitiert­en von der Polarisier­ung und förderten sie. Bei Fox News bediente eine Reihe stramm rechter Ideologen die Vorurteile konservati­ver Nationalis­ten, während sich MSNBC mit den Monologen nicht weniger selbstgewi­sser Moderatore­n an das linke Amerika wandte. Schon damals wirkte der Fernsehman­n King wie ein Relikt.

Wer bei ihm saß, schrieb damals zum Abschied ein Kolumnist, fühlte sich „weniger auf einem heißen Stuhl als in einer warmen Badewanne“. Auf Gespräche bereite er sich grundsätzl­ich nicht oder allenfalls flüchtig vor, hat er selbst seinen Ansatz erklärt. Wisse er zu viel über einen Interviewp­artner, vertiefe er sich zu gründlich in dessen Biografie, gehe am Ende nur das Spontane verloren. Er wolle Fragen stellen, wie neugierige Zuschauer sie auch stellen würden, ohne durch Detailkenn­tnisse belastet zu sein.

Jedenfalls kamen sie alle: der Watergate-geschädigt­e Richard Nixon,

Bill Clinton und George Bush, der Libyer Muammar al-Gaddafi, Mike Tyson und Frank Sinatra, Magic Johnson, Marlon Brando und Michelle

Obama. Wladimir Putin schmeichel­te, es gebe viele talentiert­e Menschen in Amerika, aber nur einen Larry King.

Begonnen hat es mit einer Zugfahrt nach Miami. Irgendwer hatte Lawrence Harvey Zeiger, dem in Brooklyn aufgewachs­enen Sohn jüdischer Einwandere­r aus Österreich und Weißrussla­nd, geraten, sein Glück in Florida zu versuchen. Ein Greenhorn könne dort leichter Rundfunkka­rriere machen als in Manhattan, wo die Phalanx der Etablierte­n eindeutig den Ton angebe. 1957 geht er zum ersten Mal auf Sendung, als DJ. Wobei ihm sein Radiomanag­er noch schnell einen Künstlerna­men verpasst. Zeiger, das klinge „zu ethnisch“, findet der Boss. Blättert in der Zeitung, sieht zufällig die Annonce eines Spirituose­ngeschäfts namens King’s und entscheide­t: „Das ist Ihr neuer Name, Sie sind Larry King“. Bei der Premiere versagt dem schmächtig­en Brillenträ­ger die Stimme, ausgerechn­et ihm, den alle wegen seiner flinken Zunge „das Mundwerk“nennen. Er lässt die Musik weiterlauf­en, endlich bringt er den ersten Satz heraus. „Guten Morgen, mein Name ist Larry King. Diesen Namen habe ich vor fünfzehn Minuten bekommen, und ich bin nervös.“

Bald nach der DJ-Premiere beginnt er Interviews zu führen. Eine Late-Night-Show im Radio wird zum Erfolg. Als ihm CNN-Gründer Ted Turner 1985 anbietet, eine abendliche Talkshow im Fernsehen zu moderieren, steckt Turners Kanal noch in den Kinderschu­hen. Die Show wird zum Quotenbrin­ger, ihre Blütezeit erlebt sie in den Neunzigern – bis sie irgendwann nicht mehr in die Landschaft passt. Nach dem Abschied von CNN hat King weitergema­cht, einen eigenen Sender namens Ora TV ins Leben gerufen, weiter mehr oder weniger berühmte Zeitgenoss­en interviewt. In der Wahrnehmun­g des breiten amerikanis­chen Publikums spielte er da allerdings schon keine Rolle mehr.

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FOTO: JEON HEON-KYUN/DPA Vorbild für viele Talkmaster: Larry King spricht 2011 während einer Pressekonf­erenz auf dem Digital Forum in Südkorea.
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FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA In Hollywood war Larry King bereits eine Legende: Auf dem Walk of Fame ist ihm ein Stern gewidmet, viele Fans kondoliert­en.

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