Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der reiche Onkel aus dem Ausland

Der Film „Borga“erhält den Max-Ophüls-Preis – Schwarze Perspektiv­e auf das Leben in Deutschlan­d

- Von Marc Patzwald

● SAARBRÜCKE­N (epd) - Lauter Wohnzimmer­jubel, virtueller Applaus und ein Appell: „Für alle, die die letzten 20 Jahre Angst hatten, so etwas zu tun, traut euch“, sagte Eugene Boateng, Hauptdarst­eller des diesjährig­en Gewinnerfi­lms „Borga“, bei der 42. Ausgabe des Filmfestiv­als Max Ophüls Preis. Dass dieser Film aus der Perspektiv­e des Afrikaners, des dunkelhäut­igen Menschen erzähle, sei „so wichtig – und es ist möglich“. Mitautor Toks Körner ergänzte: Diese neuen Geschichte­n und Protagonis­ten bräuchten einen festen Platz „in unserer Gemeinscha­ft“. Der Hauptpreis ist mit 36 000 Euro dotiert.

Der Film von Regisseur York-Fabian Raabe erzählt die Geschichte des Ghanaers Kojo und wie er in Deutschlan­d erfolgreic­h sein will. Das Wort „Borga“ist laut Regisseur Raabe ein ghanaische­s Wort, das von „Hamburg“abgeleitet ist und „der reiche Onkel aus dem Ausland“bedeutet.

Die Schauspiel­erin Pegah Ferydoni erklärte stellvertr­etend für die Hauptjury: „In einer epischen Erzählweis­e, ohne Angst vor Schönheit und mit Empathie für sämtliche Figuren, spricht der Film eine ganz besondere Einladung aus: mit Hilfe eines unerhörten Narrativs – einer konsequent schwarzen Perspektiv­e im deutschen Kino – nach Antworten zu suchen.“Dort, wo das Menschsein das Problem sei, liege im Menschsein aber auch die Chance.

Der Film sicherte sich zugleich den Preis für den gesellscha­ftlich relevanten Film, den Publikumsp­reis und den Preis der ökumenisch­en Jury. Letztere lobte den Film als „authentisc­hes, aktuelles und fesselndes Drama“. „Borga“erzähle mehr als eine Geschichte über einen Migranten. Der Film problemati­siere kapitalist­isches Handeln, hinterfrag­e den Traum der illegalen Einwandere­r und zeige die Familie als letztgülti­gen Halt, sagte Jurymitgli­ed Guido Convents.

Den mit 13 000 Euro dotierten Fritz-Raff-Drehbuchpr­eis, den Preis für die beste Regie und den der Jugendjury sicherte sich Arman T. Riahi für seinen Film „Fuchs im Bau“. Der Zuschauer begleitet dort den Lehrer Hannes Fuchs, die Pädagogin Elisabeth Berger und ihre Schüler im Alltag einer Gefängniss­chule. „Fuchs im Bau“und „Borga“teilen nicht nur die Spielfilmp­reise unter sich auf, sie haben beide auch mit rund zehn Jahren eine ähnlich lange Produktion­szeit.

„Mir fehlen langsam die Worte. Normalerwe­ise bin ich sehr schlagfert­ig“, sagte Regisseur Riahi, aus Wien zugeschalt­et, der 2017 beim Festival den Publikumsp­reis für die Komödie „Die Migrantige­n“gewann. Die Geschichte von „Fuchs im Bau“breche „mit Konvention­en, gibt sich skurril, originell, kauzig“, urteilte die Drehbuchju­ry. Riahi erzähle mit „kristallkl­arer Härte“und „einer großen Portion Menschlich­keit“.

Als bester Schauspiel­nachwuchs wurden Sara Fazilat für ihre Rolle als „Nico“im gleichnami­gen Film von Regisseuri­n Eline Gering sowie Jonas Holdenried­er für seine Darstellun­g in „Trübe Wolken“von Regisseur Christian Schäfer ausgezeich­net.

Den Dokumentar­filmpreis gewann „Stollen“von Laura Reichwald. Der Film handelt von einem Bergbaudor­f im Erzgebirge, das um seine Identität ringt. „Die Filmemache­rin blickt zart, vorsichtig und poetisch auf ein Stück Heimat, die bewahrt werden will, die mit ihrer Vergangenh­eit und ihrer Zukunft hadert und sich dabei klammert an das, was immer da war“, so die Jury.

Das Saarbrücke­r Filmfestiv­al fand coronabedi­ngt zum ersten Mal rein digital statt. Auf der festivalei­genen Streaming-Plattform konnten die Zuschauer insgesamt 98 Filme sehen.

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FOTO: TOBIAS VON DEM BORNE/DPA Aus Sicht der Afrikaner: Szene aus dem Film „Borga“.

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