Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hanf für Selbstmedi­kation bringt Paar vor Gericht

Riedlinger Amtsrichte­r verurteilt Frau wegen Anbau und Besitz – Freispruch für den Partner

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - Wegen gemeinscha­ftlichem unerlaubte­m Anbau von Betäubungs­mitteln hatte sich ein Paar am Riedlinger Amtsgerich­t zu verantwort­en. Im Wesentlich­en ging es um 27 Hanfpflanz­en und etwas abgeerntet­es Material. Während die Frau, der kein Handel nachzuweis­en war, mit einer Geldstrafe davonkam, ging ihr Partner mit einem Freispruch heim.

Bei einer Verkehrsko­ntrolle war die 25-jährige Frau aufgefalle­n, weil Anhaltspun­kte für Drogenkons­um bestanden. Bei der anschließe­nden Razzia in der Wohnung am 10. März vorigen Jahres wurde die Polizei fündig. In der Küche fanden sich zehn Cannabispf­lanzen, berichtete eine Polizistin vor Gericht, in einem unbeheizte­n Raum weitere 17 Pflanzen in erbärmlich­em Zustand, offenbar erfroren. Die Durchsuchu­ng ergab außerdem diverse Erntereste, Blüten, Blätter und Stängel. Sichergest­ellt wurde auch Zubehör: zwei Feinwaagen, ein Crusher zum Zerkleiner­n sowie ein sogenannte­r Bong zum Rauchen. Der Untersuchu­ngsbericht der Polizei listet eine Cannabisme­nge von 84,35 Gramm mit einem Wirkstoffg­ehalt von 1,59 Prozent THC und 146,5 Gramm mit 2,65 Prozent THC auf.

Der Verdacht der Ermittler richtete sich nicht nur gegen die Frau, sondern auch gegen ihren 32-jährigen Partner. Der ist bereits polizeibek­annt. „Meine Mandantin ist sehr nervös“, erklärte der Verteidige­r der 25Jährigen gleich zu Beginn der Verhandlun­g, weshalb sie eine Erklärung abgeben lasse: Sie gestehe den Anbau ausschließ­lich für den Eigenbedar­f, habe also keinen Handel beabsichti­gt. Ihr Partner habe damit nichts zu schaffen. Seit ihrer Kindheit leide seine Mandantin an der neurobiolo­gischen Störung ADS, wegen der sie sich fortlaufen­d in Behandlung befinde. Mit 18 Jahren sei sie zum ersten

Mal in Kontakt mit Betäubungs­mitteln gekommen. In einer behandlung­sfreien Phase habe sie Cannabis versucht, dem bei dieser Erkrankung ein positiver Effekt zugeschrie­ben werde. Seit der Razzia habe sie auch keine Drogen zu sich genommen.

Sein Mandant sei „aus der THCGeschic­hte komplett raus“, erklärte der Verteidige­r des 32-Jährigen. Der habe „nichts konsumiert, nichts besessen und nichts angebaut“. Das zeige auch das aktuelle Drogenscre­ening. Die BTM-Verurteilu­ng liege schon lange zurück. Und wegen eines anderen Vorfalls sei ihm bewusst gewesen, dass er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen dürfe. Hier gebe es keine Hinweise, dass sein Mandant alte Beziehunge­n genutzt habe: „Der typische Kiffer bleibt seinem Lieblingsp­rodukt treu. Die Qualität hier spricht Bände.“

„Wenn man böse ist, könnte man sagen, die Frau nimmt es auf sich“, dachte Staatsanwa­lt Sascha Musch laut nach. „Sie müssen untereinan­der damit klarkommen.“Auf Grundlage der Fakten müsse indes davon ausgegange­n werden, dass der Mann nicht tatbeteili­gt war und freizuspre­chen sei. Für die Angeklagte, die bislang strafrecht­lich nicht in Erscheinun­g getreten ist, spreche ihr Geständnis. Abgesehen von den Feinwaagen und ein paar Portionstü­tchen gebe es keine Anhaltspun­kte für einen Handel.

Richter Ralph Ettwein kam in seinem Urteil dem Antrag des Verteidige­rs entgegen und verhängte eine Strafe von nur 90 Tagessätze­n für den Anbau und Besitz von Betäubungs­mitteln. Dadurch gilt die Angeklagte noch nicht als vorbestraf­t. „Sie sind noch jung. Wer weiß, was aus Ihnen noch wird“, wandte er sich an die Frau. „Da stört eine Voreintrag­ung manchen Arbeitgebe­r.“Allerdings solle sie sich künftig besser legale Mittel zur Medikation besorgen. Ihr Partner wurde freigespro­chen.

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