RE-Bahnhalt Erbach für Stuttgart 21 geopfert?
Grünen-Politiker Michael Joukov-Schwelling erhebt Vorwürfe – und erntet Widerspruch
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ERBACH - „Die Verantwortlichen im Landkreis und der Region waren unfähig, sich rechtzeitig für diesen Halt einzusetzen, und fordern nun etwas, was ohne Nachrüstungen technisch nicht möglich ist.“Mit diesen Worten kritisiert der Ulmer Grünen-Landtagskandidat und -Stadtrat Michael Joukov-Schwelling das jüngste politische Scharmützel um den RE-Bahnhalt Erbach. Ein Vorwurf, den die Landtagsabgeordneten Manuel Hagel (CDU) und Martin Rivoir (SPD) sowie Landrat Heiner Scheffold, die das grüne Verkehrsministerium scharf kritisiert und eine kaum minder scharfe Antwort von Minister Winfried Hermann provoziert hatten, nicht stehen lassen wollen.
Der Schnellzug-Halt in Erbach sei vor vielen Jahren in der Begeisterung für das Projekt Stuttgart 21 geopfert worden, mit immenser Verspätung versuche man nun, die Weichen in die richtige Richtung zu lenken, so die Kernaussage von Joukov-Schwelling. Zum besseren Verständnis der Situation müsse man wissen, dass im Zuge des derzeit geplanten Deutschland-Takts Verbindungen, die über wichtige Knotenpunkte führen, in einer fest vorgegebenen Zeitspanne stattfinden müssten. Eine spätere Ergänzung eines Haltepunkts, der etwa vier Minuten Fahrtzeit koste, sei nur möglich, wenn es an anderer Stelle einen entsprechenden Zeitgewinn gibt.
„Der Halt schneller Züge in Erbach war im Zuge von Stuttgart 21 ausdrücklich nicht möglich“, sagt JoukovSchwelling und belegt dies mit dem damals aufgelegten S21-Fahrplan. Auch ein Alb-Bahnhof sei damals nicht vorgesehen gewesen. Dennoch habe der Regionalverband Donau-Iller die Pläne begrüßt und in die Lobeshymnen zum „bestgeplanten Projekt aller Zeiten“eingestimmt – „anstatt für Erbach oder den Alb-Bahnhof zu kämpfen. So viel zum Thema Verkehrswende.“Erst später sei man zur Erkenntnis gelangt, dass der AlbBahnhof durchaus eine gute Sache sei „und das ,bestgeplante Projekt aller Zeiten’ nachgebessert werden muss. Was das Land auch tat, weil es ein wirklich wichtiger Beitrag zur Verkehrsvervesserung ist“. Dies aber habe alle Fahrplanreserven aufgebraucht und der Schnellzughalt in Erbach sei nur möglich, wenn es eine zusätzliche Beschleunigung auf der Südbahn gebe. Der Regionalverband habe dafür aber zunächst nichts getan, einen Vorstoß der Grünen dazu habe man abgebügelt und in den Regio-SBahn-Studien von 2012 und 2014 auf den Schnellzughalt Erbach verzichtet.
Auf dieser Grundlage sei auch die Planfeststellung der Südbahn-Elektrifizierung erfolgt. „Und erst dann, als die technischen Rahmenbedingungen eindeutig gegen den Halt gesetzt wurden, hat man sich gerührt und in der Regio-S-Bahn-Studie 2016 den Halt erstmals gefordert“, so JoukovSchwelling. Allerdings habe der Regionalverband selbst angemerkt, dass man hierfür auf Fernverkehrsanschlüsse in Ulm verzichten müsse. „Aber genau das ist im Finanzierungsvertrag
für Stuttgart 21 untersagt.“
Die einzige Chance, doch noch einen Halt schneller Züge in Erbach zu ermöglichen und in Ulm den Takt halten zu können, sei ein zusätzlicher, der fünfte Bahnsteig in Ulm – „der gestrichen wurde, um das ,bestgeplante Projekt aller Zeiten’ zu ermöglichen“, so der Grünen-Politiker. Die Warnungen
hierzu seien als „Panikmache“abgetan worden, inzwischen werde das Problem zwar eingeräumt – „aber eben erst, als es zu spät wurde“. Er selbst setzte sich seit Jahren für den Bahnsteig 5 ein und habe mit den Ulmer Grünen auch einen Einspruch eingelegt, „ohne allzuviel Support seitens des Alb-Donau-Kreises“.
Michael Joukov-Schwelling betont abschließend: „Es ist mein absoluter Schwerpunkt, für den fünften Bahnsteig in Ulm zu sorgen, und auch die Bedienung Erbachs mit durchgehenden schnellen Zügen. Wenn Herr Hagel mithelfen will, ist es sehr willkommen. Briefe an den Minister und Pressemitteilungen helfen ohne diese Infrastruktur recht wenig – er kann die Züge nicht durch die Luft bewegen, sie brauchen Schienen, Weichen und Bahnsteige, die für Herrn Hagel und Konsorten bisher eher obsolet waren. Deren Verkehrswende hieß möglichst schnell am Flughafen zu sein, was die Beschlüsse dokumentieren.“
Er zieht aus den Stellungnahmen den Schluss, dass „Verkehrswende für Rivoir bedeutet, schnell am Flughafen zu sein, während sein Kollege Hagel eher zum Bodensee will“. Berufspendelnde kämen hingegen gar nicht vor. Joukov-Schwelling: „Es wäre hilfreich, erst zu klären, was man will, bevor man beklagt, es nicht zu bekommen.“