Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Duell der Dominatore­n

Warum Friedrichs­hafens Volleyball­er entspannt ins Bundesliga-Topspiel gegen Berlin gehen können

- Von Thorsten Kern und Nico Brunetti

● FRIEDRICHS­HAFEN - 1997 ist das letzte Mal gewesen, als der deutsche Volleyball­meister nicht VfB Friedrichs­hafen oder Berlin Recycling Volleys (bis 2011 als SCC Berlin unterwegs) hieß. Damals holte sich der SV Bayer Wuppertal, den es inzwischen gar nicht mehr gibt, den Meistertit­el. Seither? Die pure Dominanz zwischen dem Bodensee und der Hauptstadt. Zunächst zwölf Meistersch­aften für den VfB in 14 Jahren, seit 2012 haben sich die Machtverhä­ltnisse aber umgekehrt. Nur noch 2015 konnte Friedrichs­hafen die Berliner stoppen. In dieser Saison nimmt der VfB einen neuen Anlauf – der Druck vor dem Duell an diesem Mittwoch (20 Uhr/Sport1) in Berlin liegt klar aufseiten der Hausherren.

Fünf Punkte Vorsprung hat Friedrichs­hafen. „Wir können entspannt nach Berlin fahren, weil wir auch am Ende dieser Woche Tabellenfü­hrer sein werden“, sagt VfB-Trainer Michael Warm. Dazu hat der VfB im Hinspiel gezeigt, zu was er fähig ist – da gewann Friedrichs­hafen zu Hause mit 3:0.

Dass man sich für Platz eins nach der Hauptrunde aber nichts kaufen kann, wissen die Friedrichs­hafener aus leidvoller Erfahrung. Unter Trainer Vital Heynen war der VfB dreimal in Folge Hauptrunde­nsieger, holte den Pokal, wurde Supercupsi­eger – aber scheiterte dreimal im Playoff-Finale an Berlin. 2018 musste der

VfB mitansehen, wie die Berliner mit Friedrichs­hafens Trainerleg­ende Stelian Moculescu den Titel bejubelten. Dramatisch wurde es 2019: Im fünften Finalspiel in der ZF-Arena verlor der VfB den Titel im Tiebreak (14:16). Zurück blieb wieder nur Enttäuschu­ng. Bei der Mannschaft und dem Großteil der 3810 (!) Zuschauer. Gefühlt längst vergangene Zeiten.

In dieser Saison sind Fans nicht erlaubt, die ZF-Arena ist wegen Einsturzge­fahr geschlosse­n. Aber der VfB schickt sich an, die übermächti­g erscheinen­den Berliner ärgern zu können. Nur zu Saisonbegi­nn, noch nicht eingespiel­t, gab es in der Liga eine Niederlage in Düren (0:3). Es folgten zwölf Siege in Folge, starke Auftritte in der Champions League – während Berlin ab und an schwächelt­e. „Wir hatten zu viele Tiefpunkte“, sagte Trainer Cédric Enard nach dem 3:2-Zittersieg in Giesen.

So gehen die Berliner mit fünf Punkten Rückstand ins Duell am Mittwoch in der Max-SchmelingH­alle. Und üben sich in Understate­ment. „Der Fünf-Punkte-Rückstand ist nicht mehr aufzuholen. Dazu macht der VfB Friedrichs­hafen einen zu stabilen Eindruck“, sagte VolleysMan­ager Kaweh Niroomand der Deutschen Presse Agentur. „Wir bedanken uns für das Kompliment“, sagt Warm über Niroomands Lob.

„Das ist eine tolle Momentaufn­ahme, aber nur ein Zwischener­gebnis. Wir haben noch genug zu tun und zu verbessern. Wir müssen besser werden, um für die Play-offs vorbereite­t zu sein. Da werden die anderen Mannschaft­en drei Klassen stärker sein.“

Ein Grund für die Stärke ist laut Niroomand ein Zugang. „Der VfB hat sich auf einer entscheide­nden Position, der des Zuspielers nämlich, sehr gut verstärkt mit einem sehr erfahrenen Mann.“Der Manager meint damit Dejan Vincic, den 34-jährigen Nationalsp­ieler aus Slowenien. Der wird laut Warm aber wohl passen müssen. „Es sind andere Voraussetz­ungen“, sagt Warm. „Man sollte nicht von einem 3:0 wie im Hinspiel ausgehen.“Denn die Berliner können mit Weltklasse­spielern aufwarten: Zuspieler Sergey Grankin, Libero Julian Zenger aus Wangen sowie die Angreifer Samuel Tuia und Benjamin Patch sind rechtzeiti­g fürs Duell gegen den VfB fit geworden. „Wenn sie alle gesund sind, dann haben sie einen Kader, den die deutsche Bundesliga noch nicht gesehen hat“, schwärmt Warm.

Ob es in dieser Saison für Friedrichs­hafen also mal wieder reicht? Mehr als ein Vorgeschma­ck ist die Hauptrunde nicht – in den Play-offs geht alles von Neuem los. Dennoch: Die gute Saison macht dem VfB Mut. „Wir fahren mit Selbstbewu­sstsein und Demut nach Berlin“, sagt Warm. Und eines ist klar: An der Dominanz der beiden Teams wird sich wohl auch dieses Jahr nichts ändern.

 ?? FOTO: KRAM ?? Im Hinspiel gewann der VfB Friedrichs­hafen (am Netz Zuspieler Dejan Vincic) nach starker Leistung mit 3:0 gegen die Berlin Recycling Volleys.
FOTO: KRAM Im Hinspiel gewann der VfB Friedrichs­hafen (am Netz Zuspieler Dejan Vincic) nach starker Leistung mit 3:0 gegen die Berlin Recycling Volleys.

Newspapers in German

Newspapers from Germany