Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sicherheit vor Schnelligk­eit

- Von Benjamin Wagener ●» b.wagener@schwaebisc­he.de

C● hristian Lindner ist in sich gegangen. Nachdem er Ende Dezember noch gefordert hatte, den Impfstoffh­ersteller Biontech zur Herausgabe der Lizenz für das Vakzin zu zwingen, um die Herstellun­g des Wirkstoffs zu beschleuni­gen, hat sich der FDP-Chef wieder auf marktwirts­chaftliche Prinzipien besonnen und schlägt nun eine Tempoprämi­e vor für Pharmakonz­erne, die schneller liefern können.

Möglicherw­eise hätte Lindner aber nicht nur nachdenken, sondern auch einmal bei Biontech in Mainz oder Curevac in Tübingen vorbeischa­uen sollen. Denn die Unternehme­n setzen gerade alles daran, die klinischen Forschunge­n abzuschlie­ßen und die Produktion der Wirkstoffe hochzufahr­en – und zwar so schnell wie möglich. Beide Unternehme­n wie auch ihre Wettbewerb­er Moderna, Astra-Zeneca sowie Johnson & Johnson haben selbst das größte Interesse daran, für ihre Stoffe die Zulassung zu erhalten und mit der Massenhers­tellung zu beginnen. Der von Lindner erdachte Bonus bringt keine Impfdose früher in die Impfzentre­n: Die technologi­schen Voraussetz­ungen für die Produktion sind hochkomple­x, Rohstoffe für die Vakzine knapp, was ein schnellere­s Anfahren der Produktion verhindert.

Daran könnte auch eine Notzulassu­ng für noch nicht zugelassen­e Vakzine – wie im Falle des Tübinger Biotech-Unternehme­ns Curevac – nichts ändern. Der Impfstoff-Hersteller aus Württember­g plant im Mai und Juni die ersten Dosen an die Europäisch­e Union und damit auch Deutschlan­d auszuliefe­rn, im Moment befindet er sich noch in den klinischen Studien der Phase 2. Zwar produziert auch Curevac bereits auf Halde in Erwartung, dass im Mai die Zulassung da ist, die Produktion­skapazität­en sind allerdings noch nicht vollständi­g bereit für die Massenprod­uktion: Sie befinden sich im Aufbau – bei Bayer und Wacker genauso wie bei Rentschler in Laupheim.

Eine Notzulassu­ng für das Vakzin würde daran nichts ändern, sondern eher das Vertrauen in den Impfstoff und die kontrollie­renden Behörden gefährden. Aus diesem Grund gilt weiter: Sicherheit vor Schnelligk­eit.

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