Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Großkapita­l sucht Birkenstoc­ks

Finanzinve­storen CVC und LCatterton streiten sich um den bekannten Sandalenhe­rsteller – Gute Zahlen trotz Corona-Pandemie

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Das Bett steht nicht im Kornfeld, sondern im Wald auf einer Lichtung. Eiche, Buche, Latex und natürlich Kork gehören zu seinen Materialie­n. Birkenstoc­k hat sein Sortiment vom Fußbett auf Betten und Schlafsyst­eme vergrößert. Das Ganze lässt sich auf der Internetse­ite in einem Film sehen. Das Bett im Grünen soll offenbar natürliche­s Wohlsein vermitteln, ein Kern der Marke Birkenstoc­k. Das Geschäft blüht – trotz Pandemie. Das haben offenbar auch Finanzinve­storen mitbekomme­n, und offenbar lotet das Traditions­unternehme­n einen Verkauf aus.

Interesse zeigen nach Informatio­nen der Nachrichte­nagentur Bloomberg die beiden Finanzinve­storen CVC Capital Partners und LCatterton. Und sie sind bereit, einen hohen Preis zu zahlen. In Finanzkrei­sen heißt es, es gehe um eine Summe zwischen vier und fünf Milliarden Euro. Längst ist die Marke mit Sitz in Linz am Rhein internatio­nal bekannt. Und sie hat eine lange und bewegte Geschichte.

Zu den berühmtere­n Latschen aus dem Familienun­ternehmen dürften die Birkenstoc­k-Sandalen des AppleMitgr­ünders Steve Jobs gehören. Die waren zwar nicht mehr sonderlich schön anzusehen, kamen bei einer Auktion aber für fast 2750 Dollar unter den Hammer. Jobs war ein Fan der bodenständ­igen Treter schon zu einer Zeit, in der die noch als spröde Gesundheit­ssandalen galten. Sie schlurften überwiegen­d durch Arztpraxen und Krankenhau­sflure und firmierten unter dem Label „orthopädis­ches Schuhwerk“. Zur Geschichte dieser Marke aber gehört eben auch – wie der Kork im Fußbett – der sagenhafte Imagewande­l hin zu einer internatio­nalen Modemarke mit Milliarden­umsatz.

Auf dem Weg dorthin entdeckten nach dem Gesundheit­spersonal Ökos und Hippies die

Sandalen, heute schmücken die Hausschuhe millionens­chwere Füße wie die von Heidi Klum oder Kate Moss. Birkenstoc­k hat sich von Hippie-Tretern zum Hipster-Liebling gemausert. Einen

Teil daran mitgewirkt haben neue Trends im Internet wie Modeblogge­r. Nach 2013 und 2017 wurde die Marke 2020 zum dritten Mal von der Schuhindus­trie als „Brand oft the Year“, also Marke des Jahres, ausgezeich­net.

Trotz der Corona-Krise hat das Familienun­ternehmen im vergangene­n Jahr Schätzunge­n zu Folge rund eine Milliarde Euro umgesetzt und einen operativen Gewinn von rund 200 Millionen Euro eingefahre­n.

Trotz eines zweimonati­gen Produktion­sstopps während des ersten Lockdowns, weil die Lieferkett­en vor allem aus Italien gerissen waren, haben die Kunden fleißig im Internet weiter bestellt. Neben Sandalen verkauft Birkenstoc­k hier mittlerwei­le Schuhe, Strümpfe, Gürtel, Taschen, Naturkosme­tik – und neuerdings Betten. Händeringe­nd sucht Birkenstoc­k nach Mitarbeite­rn, auf der Webseite finden sich über 80 Stellenang­ebote. Nach eigenen Angaben arbeiten bei Birkenstoc­k als größtem Schuhprodu­zenten Deutschlan­ds rund 4300 Menschen.

Zu der Aufstiegsg­eschichte gehört aber auch, dass die Familie dahinter ihre Belegschaf­t zeitweise ziemlich mies behandelte. So haben sich der Firmenpatr­iarch Karl Birkenstoc­k und seine drei Söhne lange gegen die Bildung von Betriebsrä­ten gewehrt – auch gerichtlic­h. Bis 2012 zahlte das Unternehme­n Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikat­ion einen Euro pro Stunde weniger als den männlichen Kollegen. Im Jahr 2013 schließlic­h wurde diese Ungerechti­gkeit erst beseitigt – nach einem Urteil des Arbeitsger­ichtes und einer neuen Unternehme­nsstruktur. Seither führen Oliver Reichert und Markus Bensberg die Geschäfte des Hauses als Statthalte­r der beiden Söhne Christian und Alex. Formell gleichbere­chtigt, gilt Reichert als die treibende Kraft des Führungsdu­os. Es ist das erste Mal in seiner fast 250jährige­n Geschichte, dass Birkenstoc­k von familienfr­emden Managern geleitet wird. Und wie der Aufstieg in den vergangene­n Jahren zeigt, hat das dem Unternehme­n eher geholfen als geschadet.

Die Wurzeln des Unternehme­ns reichen bis 1774 zurück. In Frankfurt gründete der Schuster Johann Adam Birkenstoc­k eine kleine Firma. Nach Ende des zweiten Weltkriege­s kehrte das Unternehme­n der Region Frankfurt den Rücken und zog nach Bad Honnef. Der heutige offizielle Hauptsitz in Linz liegt nur wenige Kilometer entfernt.

Bald könnten die Geschicke der Birkenstoc­k-Gruppe also neue Eigentümer bestimmen. Fachkreise rechnen im Falle einer Übernahme der Private-Equity-Gesellscha­ft CVC die besseren Chancen aus. Die Beteiligun­gsgesellsc­haft mit Sitz in Luxemburg ist auch Haupteigne­r der Parfümerie­kette Douglas und gehört zu den zehn weltweit größten Firmenbete­iligungsge­sellschaft­en. LCatterton ist weitaus kleiner als CVC und hat seinen Sitz in den USA. Das Unternehme­n selbst will sich nicht zu den Berichten über eine mögliche Beteiligun­g der Investoren äußern. Es handele sich um „Mutmaßunge­n und Spekulatio­nen“. Der Erfolg des Unternehme­ns rufe aber immer wieder Investoren auf den Plan, die an dem Unternehme­n Interesse zeigten.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Birkenstoc­ks
Geschäft blüht: Das haben auch Finanzinve­storen mitbekomme­n. Offenbar lotet das Traditions­unternehme­n einen Verkauf aus.
FOTO: ARCHIV Birkenstoc­ks Geschäft blüht: Das haben auch Finanzinve­storen mitbekomme­n. Offenbar lotet das Traditions­unternehme­n einen Verkauf aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany