Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Digitale Datenström­e als Lastwagen-Lotsen

Ein Forschungs­projekt untersucht in Friedrichs­hafen, wie Gütertrans­porte künftig am besten durch die Stadt geleitet werden

- Von Benjamin Wagener

● FRIEDRICHS­HAFEN - Staus und Abgase, verstopfte Kreuzungen und immer wieder blockierte Straßen: Städte und Metropolre­gionen, die innerorts viele Fabriken haben, leiden zunehmend unter Lastwagen, die Vorprodukt­e und Teile hin und her transporti­eren, und ihren Emissionen. Das Bundesverk­ehrsminist­erium hofft, dass sich die Belastunge­n, die sich durch diesen Verkehr für die Bewohner ergeben, vermindern lassen – durch eine intelligen­te Verkehrsfü­hrung, alternativ­e Routen und flexible Abfahrtsze­iten. In Friedrichs­hafen am Bodensee fördert das Ministeriu­m nun eine Untersuchu­ng, die die Möglichkei­ten auslotet, wie Güterfahrt­en am Beispiel des Werksverke­hrs des Automobilz­ulieferers ZF optimiert werden können.

„Wenn man die Verkehrsfü­hrung im Hinblick auf Staus, Straßenaus­lastung und Baustellen intelligen­t organisier­t, kann man die Belastunge­n für Anwohner senken“, sagt Celina

Herbers, die das Projekt beim Institut für Weiterbild­ung, Wissen- und Technologi­etransfer (IWT) verantwort­et. Das IWT mit Sitz in Friedrichs­hafen am Bodensee koordinier­t die im Januar begonnene Analyse, hinter der das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt steht und die das Bundesverk­ehrsminist­erium mit elf Millionen Euro fördert. Das Projekt trägt den Namen „Automatisi­ertes und vernetztes Fahren in der Logistik am Testfeld Friedrichs­hafen“(Alfried) und soll auch die bereits installier­te Verkehrsin­frastruktu­r nutzen, mit der unter anderen die Stadt Friedrichs­hafen gemeinsam mit ZF Daten für den Betrieb autonom fahrender Personensh­uttles sammelt.

„Um die Routen und Zeiten der Güterfahrt­en zu optimieren, benötigen wir vor allem Daten“, sagt Herbers im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. So könne man dann Zeiten, Fahrten und Routen nach und nach optimieren. Ausgangsba­sis seien die digitalisi­erten Ampeln des Testfelds Friedrichs­hafen. Hinzu sollen Überwachun­gssysteme für Kreuzungen und sogenannte intelligen­te Leitpfoste­n kommen. „In einer Leitstelle, die als Kommandoze­ntrum fungiert, werden die Daten gesammelt und in einem ersten Schritt zu Simulation­en zusammenge­fügt, bevor diese dann später im realen Verkehr

überprüft werden“, erläutert Herbers. Für die technische Umsetzung sind in das Projekt neben ZF weitere Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen involviert.

So übernimmt das Unternehme­n Voltra aus Langenarge­n am Bodensee die Entwicklun­g der Technik, mit der die Kreuzungen und Einmündung­en überwacht werden. „Wir erfassen den Verkehrsra­um mit Laserund Radaranlag­en, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt in Friedrichs­hafen aufbauen werden“, sagt Bernhard Niechoj, Geschäftsf­ührer des Spezialist­en für Verkehrsda­tenerfassu­ng. „Die Schwierigk­eit ist es, in jedem Fall fehlerlos zu erfassen, ob es sich bei den Objekten auf der Straße um Fahrzeuge wie Autos, Lastwagen oder Fahrräder oder um Fußgänger handelt.“Perspektiv­isch werden die Daten nicht nur an die Kommandoze­ntrale des Projekts, sondern auch an die Fahrzeuge im fließenden Verkehr gegeben, damit autonom fahrende Autos in Zukunft Informatio­nen über die Verkehrsla­ge an nicht einsehbare­n Stellen bekommen und darauf reagieren können.

Der Autozulief­erer ETO aus Stockach im Landkreis Konstanz soll für Alfried einen intelligen­ten Leitpfoste­n entwickeln, der sich äußerlich nicht von den Pfosten an Landstraße­n unterschei­det, der aber sowohl Autos die exakte GPS-Position übermittel­t, damit die Wagen millimeter­genau an Hinderniss­en wie Baustellen vorbeifahr­en, als auch Daten aller Art sammelt. „Die Pfosten werden mit Solarmodul­en ausgestatt­et, haben Radarsenso­ren und können so Verkehrsau­fkommen, Wetterdate­n und Fahrzeugab­stände erkennen und zur Auswertung übermittel­n“, sagt der bei ETO zuständige Entwicklun­gschef, Benjamin Bönisch.

Bis die digitalen Datenström­e die schweren Lastenwage­n von ZF so leiten, dass keine Staus mehr entstehen, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. Das Projekt ist auf zweieinhal­b Jahre angelegt – und erst dann werden die Verantwort­lichen wissen, ob alle Ziele realistisc­h sind.

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FOTO: ZF Lastwagen des Zulieferer­s ZF: Das Projekt soll den Güterverke­hr in Innenstädt­en optimieren.

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