Digitale Datenströme als Lastwagen-Lotsen
Ein Forschungsprojekt untersucht in Friedrichshafen, wie Gütertransporte künftig am besten durch die Stadt geleitet werden
● FRIEDRICHSHAFEN - Staus und Abgase, verstopfte Kreuzungen und immer wieder blockierte Straßen: Städte und Metropolregionen, die innerorts viele Fabriken haben, leiden zunehmend unter Lastwagen, die Vorprodukte und Teile hin und her transportieren, und ihren Emissionen. Das Bundesverkehrsministerium hofft, dass sich die Belastungen, die sich durch diesen Verkehr für die Bewohner ergeben, vermindern lassen – durch eine intelligente Verkehrsführung, alternative Routen und flexible Abfahrtszeiten. In Friedrichshafen am Bodensee fördert das Ministerium nun eine Untersuchung, die die Möglichkeiten auslotet, wie Güterfahrten am Beispiel des Werksverkehrs des Automobilzulieferers ZF optimiert werden können.
„Wenn man die Verkehrsführung im Hinblick auf Staus, Straßenauslastung und Baustellen intelligent organisiert, kann man die Belastungen für Anwohner senken“, sagt Celina
Herbers, die das Projekt beim Institut für Weiterbildung, Wissen- und Technologietransfer (IWT) verantwortet. Das IWT mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee koordiniert die im Januar begonnene Analyse, hinter der das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt steht und die das Bundesverkehrsministerium mit elf Millionen Euro fördert. Das Projekt trägt den Namen „Automatisiertes und vernetztes Fahren in der Logistik am Testfeld Friedrichshafen“(Alfried) und soll auch die bereits installierte Verkehrsinfrastruktur nutzen, mit der unter anderen die Stadt Friedrichshafen gemeinsam mit ZF Daten für den Betrieb autonom fahrender Personenshuttles sammelt.
„Um die Routen und Zeiten der Güterfahrten zu optimieren, benötigen wir vor allem Daten“, sagt Herbers im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. So könne man dann Zeiten, Fahrten und Routen nach und nach optimieren. Ausgangsbasis seien die digitalisierten Ampeln des Testfelds Friedrichshafen. Hinzu sollen Überwachungssysteme für Kreuzungen und sogenannte intelligente Leitpfosten kommen. „In einer Leitstelle, die als Kommandozentrum fungiert, werden die Daten gesammelt und in einem ersten Schritt zu Simulationen zusammengefügt, bevor diese dann später im realen Verkehr
überprüft werden“, erläutert Herbers. Für die technische Umsetzung sind in das Projekt neben ZF weitere Unternehmen und Forschungseinrichtungen involviert.
So übernimmt das Unternehmen Voltra aus Langenargen am Bodensee die Entwicklung der Technik, mit der die Kreuzungen und Einmündungen überwacht werden. „Wir erfassen den Verkehrsraum mit Laserund Radaranlagen, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt in Friedrichshafen aufbauen werden“, sagt Bernhard Niechoj, Geschäftsführer des Spezialisten für Verkehrsdatenerfassung. „Die Schwierigkeit ist es, in jedem Fall fehlerlos zu erfassen, ob es sich bei den Objekten auf der Straße um Fahrzeuge wie Autos, Lastwagen oder Fahrräder oder um Fußgänger handelt.“Perspektivisch werden die Daten nicht nur an die Kommandozentrale des Projekts, sondern auch an die Fahrzeuge im fließenden Verkehr gegeben, damit autonom fahrende Autos in Zukunft Informationen über die Verkehrslage an nicht einsehbaren Stellen bekommen und darauf reagieren können.
Der Autozulieferer ETO aus Stockach im Landkreis Konstanz soll für Alfried einen intelligenten Leitpfosten entwickeln, der sich äußerlich nicht von den Pfosten an Landstraßen unterscheidet, der aber sowohl Autos die exakte GPS-Position übermittelt, damit die Wagen millimetergenau an Hindernissen wie Baustellen vorbeifahren, als auch Daten aller Art sammelt. „Die Pfosten werden mit Solarmodulen ausgestattet, haben Radarsensoren und können so Verkehrsaufkommen, Wetterdaten und Fahrzeugabstände erkennen und zur Auswertung übermitteln“, sagt der bei ETO zuständige Entwicklungschef, Benjamin Bönisch.
Bis die digitalen Datenströme die schweren Lastenwagen von ZF so leiten, dass keine Staus mehr entstehen, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. Das Projekt ist auf zweieinhalb Jahre angelegt – und erst dann werden die Verantwortlichen wissen, ob alle Ziele realistisch sind.