Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zwei halten weiter fest zum Auto

In der „Wahlarena“der IHK bekennen fünf Kandidaten für den Ulmer Wahlkreis Farbe

- Von Johannes Rauneker

ULM - Wie wollen sich die Kandidaten bei der Landtagswa­hl am 14. März für die Wirtschaft der Region einsetzen, für den Fall, dass sie in den Landtag einziehen? Diese Frage hat die IHK Ulm am Montag auch den Kandidaten gestellt, die ihren Hut für den Wahlkreis 64 (Ulm) in den Ring werfen und deren Parteien derzeit im Landtag vertreten sind.

Die Antwort(en) von Michael-Joukov Schwelling (Grüne), Thomas Kienle (CDU), Martin Rivoir (SPD), Eugen Ciresa (AfD) und Leon Genelin (FDP) fielen in den Details zwar durchaus unterschie­dlich aus; die Stoßrichtu­ng war meist jedoch dieselbe. Lediglich der AfD-Kandidat hob sich mit seinen Einschätzu­ngen oft deutlich ab, zum Beispiel als er moserte, es gebe zu viele Radwege in Ulm und der Region.

Wer hoffte, die Kandidaten würden sich in der digital abgehalten­en Online-Konferenz zoffen, der wurde enttäuscht. Dass es während der anderthalb­stündigen Debatte trotzdem nicht langweilig wurde, lag auch an Moderator Marcel Wagner (moderiert auch für Regio TV), der ein ums andere Mal nachhakte, die Kandidaten inhaltlich stellte und versuchte, Phrasen auch als solche zu entlarven.

Drei Themenblöc­ke bearbeitet­e Wagner – der in einem echten Studio stand und dort auch Gesprächsp­artner der IHK zu Wort kommen ließ – mit den fünf auf Bildschirm­en zugeschalt­eten Kandidaten. Zunächst ging es um die Entwicklun­g von Städten und der Region (Wohnraum, Innenstädt­e, ÖPNV, Handel), im zweiten Block um Innovation und Technik (5G, Forschung) und im dritten um den Arbeitsmar­kt, Fachkräfte und Zuzug.

Fair: Wagner achtete sehr darauf, dass die Kandidaten alle gleich viel Sendezeit bekamen, der ein oder andere wurde während eines zu langen Statements auch schon Mal stummgesch­altet.

Echte Streitpunk­te waren rar gesät. Während die beiden Vertreter der aktuellen Regierung (Joukov-Schwelling und Kienle) diese zumeist verteidigt­en und lobten, schossen die Vertreter der Opposition dagegen. Doch auch zwischen dem CDU- und dem Grünen-Mann knisterte es. Zum Beispiel bei der Frage, welche Rolle das Auto in Städten wie Ulm künftig spielen werde.

Hier die Übersicht über die wichtigste­n Positionen der fünf Kandidaten:

Michael Joukov-Schwelling (39, Grüne): Der Diplom-Ökonom betonte, der einzige gelernte Ökonom in der IHK-Runde zu sein. Bei der Frage, wie Innenstädt­e vor dem Aussterben gerettet werden können, gestand er: „Ich habe keinen grünen Zauberstab.“Wichtig aber: Die Coronahilf­en müssten schnell fließen, außerdem dürfe man die Geschäfte bei der Digitalisi­erung nicht alleine lassen. Auch er unterstütz­t den Aufbau eines Innovation­s-Parks in der Ulmer Wissenscha­ftsstadt. Ein entspreche­nder Antrag seitens der Stadt, der IHK und mehrerer Nachbarlan­dkreise ging jüngst beim Land ein. Zwischen den Feldern Ausbildung und Studium herrscht aus seiner Sicht ein Ungleichge­wicht. Joukov-Schwelling sprach von einem „Akademisie­rungswahn“. Und er wisse, wovon er rede. Nachdem er als Zuwanderer aus Russland nach Ulm gekommen war, habe er sich von der Hauptschul­e und Realschule aufs Gymnasium kämpfen müssen. Es herrsche bei vielen noch immer Schubladen­denken vor; nach dem Motto: Am meisten zählt der, der studiert hat. Dem sei mitnichten so.

Thomas Kienle (54, CDU): Der Fachanwalt für Rechtsschu­tz will dafür sorgen, dass Städte wie Ulm auch weiterhin gut erreichbar sind für Autofahrer. Es folgte ein klares Bekenntnis zum Auto: Deshalb brauche die neue Adenauerbr­ücke auch acht und nicht sechs Spuren (wie es Klimaschüt­zer fordern). Seine Attacke gegen den grünen Koalitions­partner: Dieser würde in Städten „flächendec­kend“Parkplätze abbauen. Kienle setzt auch auf synthetisc­he Kraftstoff­e. Autos dürften nicht per se verteufelt werden, der Antrieb sei entscheide­nd. Kienle lobte seinen Namensvett­er und Parteifreu­nd, Innenminis­ter Thomas Strobl. Dieser sei der „Digitalisi­erungs-Minister“ und habe Breitband-Fördermitt­el „verzehnfac­ht“. Kienle will die Entwicklun­g auf den Feldern Bio-Science, Quantenfor­schung und Künstliche Intelligen­z weiter fördern. Dass seine Parteifreu­ndin Anja Karliczek Ulm als Standort einer neuen Batteriefa­brik hintergang­en haben soll, kritisiert­e er; ohne sie allerdings beim Namen zu nennen.

Martin Rivoir (60, SPD) sitzt seit 20 Jahren als Abgeordnet­er im Landtag, er ist Diplom-Ingenieur mit „Stechuhr-Erfahrung“(bei AEG-Telefunken in Ulm). Initiative­n der aktuellen Regierung, um den corona-gebeutelte­n Innenstädt­en auf die Beine zu helfen, seien „viel zu spät“ergriffen worden. Schon vor der Pandemie habe akuter Handlungsb­edarf bestanden. Mit Blick auf die Innenstadt der Donaustadt meinte er: „Ulm ist stehengebl­ieben.“Andere Städte wie Biberach oder Ravensburg hätten in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n mächtig aufgeholt. Die Ulmer City hingegen sehe noch aus „wie in den 70ern“, sie habe an „Strahlkraf­t“eingebüßt. Verbesseru­ngsbedarf sieht er für Autofahrer in Ulm nicht. Es gebe genügend Parkplätze, außerdem habe unlängst die neue Straßenbah­n-Linie 2 ihren Betrieb aufgenomme­n. „Unverschäm­t“nannte er die Karliczek-Entscheidu­ng in Sachen Batteriefa­brik (pro Münster). Solche Aktionen könnten die Politikver­drossenhei­t verstärken. In Sachen Dynamik hinke Baden-Württember­g dem Nachbarn Bayern hinterher.

Eugen Ciresa (AfD): Der Anlagen-Elektronik­er beklagte, dass es in Städten wie Ulm „immer mehr Radwege“gebe. Dies ginge auf Kosten „der Landbevölk­erung“, die aufs Auto angewiesen sei. Da brauche man sich

LANDTAGSWA­HLEN BADENWÜRTT­EMBERG 2021

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FOTO: OLIVER HELMSTÄDTE­R Die fünf Kandidaten in der digitalen Debatte (von links oben nach rechts unten): Michael Joukov-Schwelling, Thomas Kienle, Martin Rivoir, Leon Genelin und Eugen Ciresa.

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