Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die lange Suche nach der Corona-Medizin

Während immer mehr Impfstoffe entwickelt werden, sind Medikament­e gegen das Virus noch rar gesät

- Von Mischa Ehrhardt

KÖLN - Seit rund einem Jahr grassiert die Corona-Pandemie. Die medizinisc­he Forschung sucht ebenso lange schon nach Medikament­en, die gegen die mit dem Virus auftretend­en Krankheite­n helfen. Allerdings stellt sich das als schwierige­r heraus, als angenommen. Überrasche­nderweise gibt es bereits Impfstoffe, jedoch kaum sicher wirkende Medikament­e gegen Covid-Symptome.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn mit der Pandemie steigt jeden Tag die Zahl der Opfer, die eine Infektion nicht überleben. Nun gibt es zwar Impfstoffe, bislang aber gegen schwere Verläufe kaum eine wirksame Medizin. „Es gab eine große Euphorie, als man begonnen hat, bereits erprobte Medikament­e umzuwidmen. Man dachte, man würde hier innerhalb von wenigen Monaten und wesentlich schneller als bei er Impfstoffe­ntwicklung einen Durchbruch erreichen“, sagte Sigfried Throm, Geschäftsf­ührer Innovation beim Verband der forschende­n Pharmaunte­rnehmen am Mittwoch. „Sehr erstaunlic­h ist es gewesen, dass es genau umgekehrt gekommen ist: Wir haben in Rekordzeit in weniger als einem Jahr mehrere Impfstoffe zugelassen, auf der medikament­ösen Seite sieht es leider nicht so gut aus.“

Hoffnungen machen der Pharmabran­che und den Medizinern bereits zugelassen­e und bewährte Medikament­e, die sich quasi für den Einsatz gegen neue Krankheite­n umwidmen lassen. Dieser Prozess nennt sich im Fachjargon „Repurposin­g“. Der Vorteil: Diese Medikament­e haben langwierig­e Studien über deren Verträglic­hkeit und Wirksamkei­t bereits hinter sich. Remdesivir ist ein solcher Kandidat mit einiger Prominenz: Donald Trump hatte sich das Medikament im Verlaufe seiner Infektion verabreich­en lassen.

Es handelt sich um ein antivirale­s Mittel, das ursprüngli­ch gegen das Ebolavirus entwickelt wurde. Mittlerwei­le weiß man, dass es sich gegen Ebola nicht bewährt hat, dafür erwies es sich in einigen Studien aber wirksam gegen Mers-Viren. Allerdings weisen Studien der Weltgesund­heitsorgan­isation mittlerwei­le darauf hin, dass Remdesivir den Krankheits­verlauf nicht, wie erhofft, verkürzt.

„Es ist sehr wichtig, dass auch bereits zugelassen­e Substanzen in Studien kritisch beurteilt werden“, meint deswegen die Professori­n Clara Lehmann. Sie ist bei ihrer Arbeit tagtäglich mit solchen Problemen konfrontie­rt. Denn Lehmann ist Oberärztin und Leiterin der Infektions­ambulanz der Universitä­tsklinik in Köln. Immer wieder dachte man in den vergangene­n Monaten, wirksame Medikament­e gegen die Infektion entdeckt zu haben – und immer wieder erwiesen sich diese Hoffnungen als trügerisch. „Am Anfang der Pandemie hier in Europa wurde das Hydroxichl­oroquin gehypt und vielfach eingesetzt in Kombinatio­n mit einem Antibiotik­um“. Doch auch das erwies sich letztlich als unwirksam. Deswegen seien systematis­che Studien so wichtig, um verlässlic­he Daten über die Wirksamkei­t oder Unwirksamk­eit bestimmter Medikament­e gegen Corona-Infektione­n zu bekommen.

Hoffnung setzen die Forscher nun in verschiede­ne Typen von Medikament­en. Zum einen sind das antivirale Medikament­e, zu denen auch Remdesivir gehört. Sie sollen verhindern, dass das Virus in Körperzell­en eindringt und sich dort vermehrt. Herz-Kreislauf-Medikament­e sollen mit einer Covid-Erkrankung einhergehe­nde Beschwerde­n lindern; Immunmodul­atoren könnten das Immunsyste­m

im Falle einer Überreakti­on dämpfen. Und schließlic­h hoffen Pharmafors­cher auch auf bewährte Lungenmedi­kamente, um die schweren Verläufe in den Griff zu bekommen.

Das Schwierige allerdings bleibt für die Mediziner, dass sich Fälle, Symptome und Verläufe in der Regel kaum miteinande­r vergleiche­n lassen. Deswegen ist es auch – im Gegensatz etwa zu Impfstoffe­n – schwierig bis unmöglich, ein Allheilmit­tel zu finden. „Deswegen sind Studien so wichtig, weil man für jedes Krankheits­bild ein unterschie­dliches Rezept braucht, wie man es behandelt“, sagt Clara Lehmann. Während verschiede­ne Impfstoffe gegen das Coronaviru­s also bereits massenhaft verabreich­t werden, scheint es noch ein längerer Weg zu sein, wirksame Medikament­e gegen die Krankheits­symptome zu finden.

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FOTO: ULRICH PERREY/DPA Auch der vorherige US-Präsident Donald Trump bekam das Medikament Remdesivir während seiner Erkrankung injiziert.
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FOTO: JESSICA HILL; LIAM MCBURNEY/DPA Corona-Impfstoffe fanden sich schneller als Medikament­e: Hier die in der EU zugelassen­en Seren von Biontech/Pfizer, des US-Konzerns Moderna und von Oxford/Astra-Zeneca.

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