Die lange Suche nach der Corona-Medizin
Während immer mehr Impfstoffe entwickelt werden, sind Medikamente gegen das Virus noch rar gesät
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KÖLN - Seit rund einem Jahr grassiert die Corona-Pandemie. Die medizinische Forschung sucht ebenso lange schon nach Medikamenten, die gegen die mit dem Virus auftretenden Krankheiten helfen. Allerdings stellt sich das als schwieriger heraus, als angenommen. Überraschenderweise gibt es bereits Impfstoffe, jedoch kaum sicher wirkende Medikamente gegen Covid-Symptome.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn mit der Pandemie steigt jeden Tag die Zahl der Opfer, die eine Infektion nicht überleben. Nun gibt es zwar Impfstoffe, bislang aber gegen schwere Verläufe kaum eine wirksame Medizin. „Es gab eine große Euphorie, als man begonnen hat, bereits erprobte Medikamente umzuwidmen. Man dachte, man würde hier innerhalb von wenigen Monaten und wesentlich schneller als bei er Impfstoffentwicklung einen Durchbruch erreichen“, sagte Sigfried Throm, Geschäftsführer Innovation beim Verband der forschenden Pharmaunternehmen am Mittwoch. „Sehr erstaunlich ist es gewesen, dass es genau umgekehrt gekommen ist: Wir haben in Rekordzeit in weniger als einem Jahr mehrere Impfstoffe zugelassen, auf der medikamentösen Seite sieht es leider nicht so gut aus.“
Hoffnungen machen der Pharmabranche und den Medizinern bereits zugelassene und bewährte Medikamente, die sich quasi für den Einsatz gegen neue Krankheiten umwidmen lassen. Dieser Prozess nennt sich im Fachjargon „Repurposing“. Der Vorteil: Diese Medikamente haben langwierige Studien über deren Verträglichkeit und Wirksamkeit bereits hinter sich. Remdesivir ist ein solcher Kandidat mit einiger Prominenz: Donald Trump hatte sich das Medikament im Verlaufe seiner Infektion verabreichen lassen.
Es handelt sich um ein antivirales Mittel, das ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelt wurde. Mittlerweile weiß man, dass es sich gegen Ebola nicht bewährt hat, dafür erwies es sich in einigen Studien aber wirksam gegen Mers-Viren. Allerdings weisen Studien der Weltgesundheitsorganisation mittlerweile darauf hin, dass Remdesivir den Krankheitsverlauf nicht, wie erhofft, verkürzt.
„Es ist sehr wichtig, dass auch bereits zugelassene Substanzen in Studien kritisch beurteilt werden“, meint deswegen die Professorin Clara Lehmann. Sie ist bei ihrer Arbeit tagtäglich mit solchen Problemen konfrontiert. Denn Lehmann ist Oberärztin und Leiterin der Infektionsambulanz der Universitätsklinik in Köln. Immer wieder dachte man in den vergangenen Monaten, wirksame Medikamente gegen die Infektion entdeckt zu haben – und immer wieder erwiesen sich diese Hoffnungen als trügerisch. „Am Anfang der Pandemie hier in Europa wurde das Hydroxichloroquin gehypt und vielfach eingesetzt in Kombination mit einem Antibiotikum“. Doch auch das erwies sich letztlich als unwirksam. Deswegen seien systematische Studien so wichtig, um verlässliche Daten über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit bestimmter Medikamente gegen Corona-Infektionen zu bekommen.
Hoffnung setzen die Forscher nun in verschiedene Typen von Medikamenten. Zum einen sind das antivirale Medikamente, zu denen auch Remdesivir gehört. Sie sollen verhindern, dass das Virus in Körperzellen eindringt und sich dort vermehrt. Herz-Kreislauf-Medikamente sollen mit einer Covid-Erkrankung einhergehende Beschwerden lindern; Immunmodulatoren könnten das Immunsystem
im Falle einer Überreaktion dämpfen. Und schließlich hoffen Pharmaforscher auch auf bewährte Lungenmedikamente, um die schweren Verläufe in den Griff zu bekommen.
Das Schwierige allerdings bleibt für die Mediziner, dass sich Fälle, Symptome und Verläufe in der Regel kaum miteinander vergleichen lassen. Deswegen ist es auch – im Gegensatz etwa zu Impfstoffen – schwierig bis unmöglich, ein Allheilmittel zu finden. „Deswegen sind Studien so wichtig, weil man für jedes Krankheitsbild ein unterschiedliches Rezept braucht, wie man es behandelt“, sagt Clara Lehmann. Während verschiedene Impfstoffe gegen das Coronavirus also bereits massenhaft verabreicht werden, scheint es noch ein längerer Weg zu sein, wirksame Medikamente gegen die Krankheitssymptome zu finden.