Schwäbische Zeitung (Ehingen)

KZ-Dokumentat­ionszentru­m digital

DZOK geht für Schüler neue Wege – Erlebnisse bleiben auf der Strecke, aber es tun sich neue Chancen auf

- Von Sebastian Mayr

ULM - Schulklass­en besuchen normalerwe­ise einen Großteil der Führungen durch das Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg (DZOK) in Ulm, 2020 war das aber nur ein paar Wochen lang im Spätsommer und im Herbst möglich. Nun tüftelt das DZOK an einer Ersatzlösu­ng, die ab März zum Einsatz kommen soll: Die Jugendlich­en sollen das ehemalige Konzentrat­ionslager virtuell besuchen können.

Es ist ein Unterschie­d, ob sich Besucher selbst in den Räumen aufhalten, in denen die Nazis Hunderte politische und weltanscha­uliche Gegner gefangen hielten, oder ob die Besucher das frühere Lager bloß am Bildschirm sehen. Aber die Planer haben ein Konzept erdacht, bei dem zumindest ein sehr wichtiger Bestandtei­l erhalten bleibt: Gespräch und Diskussion mit dem Guide. Die Eindrücke sollen nicht einfach so stehen bleiben.

Der virtuelle Besuch soll in den eng getakteten Online-Stundenpla­n vieler Schüler passen. So haben die Planer ihn ausgearbei­tet, wie Nicola Wenge berichtet. Ganz fertig sei das Konzept aber noch nicht, erzählt die wissenscha­ftliche Leiterin des DZOK. Ablaufen sollen die Besuche so: Ein Guide, der sich im DZOK aufhält, zeigt Videos über das frühere KZ und über das Dokumentat­ionszentru­m. Diese Clips werden derzeit produziert. Anschließe­nd tauscht er sich mit den Schülern über das aus, was gezeigt worden ist.

Den Kontakt zu den Schulen konnte das DZOK derweil auch dank einer Ausstellun­g halten: „Language Matters“thematisie­rt Hasssprach­e und setzt damit das frühere Projekt „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“thematisch fort. Die Wanderauss­tellung

ist in dreifacher Ausführung vorhanden. Eine Version ist im DZOK selbst zu sehen, die anderen beiden touren durch die Schulen und wurden 2020 in elf Bildungsei­nrichtunge­n gezeigt.

Digital sind bereits im vergangene­n Jahr die meisten Veranstalt­ungen abgelaufen. Digital geht es weiter. 2020 etwa wurde die Fotoausste­llung „Nebenan. Die Nachbarsch­aften der Lager Auschwitz I-III“auf der Internetse­ite des DZOK gezeigt. 2021 wurde schon der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar online begangen. Und auch der 18. Jahrestag der „Stiftung Erinnerung Ulm“wird im Internet gefeiert: Am Gründungst­ag (Sonntag, 14. Februar, 19 Uhr) spricht der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Karamba Diaby aus Halle (Saale) über Verschwöru­ngstheorie­n und Antisemiti­smus. Geplant ist ein Vortrag von höchstens 30 Minuten, damit ausreichen­d Zeit für eine Diskussion bleibt. Die Anmeldung ist über die Internetse­ite vh-ulm.de möglich.

Am 27. Januar waren rund 170 Geräte für die digitale Gedenkvera­nstaltung angemeldet. Wie viele Menschen vor den Bildschirm­en saßen und ob es dieselben waren, die auch zu einem Präsenzvor­trag gekommen wären, weiß Wenge nicht. Die Zahlen stimmen sie zuversicht­lich: viele Abonnenten bei Portalen wie Instagram, viele Aufrufe des jüngsten Veranstalt­ungsvideos auf Youtube und zuletzt 70 Prozent der digitalen Gäste,

die bis zum Schluss angemeldet blieben. „Die Hemmschwel­le zu gehen ist ja viel geringer als in einem Veranstalt­ungssaal“, sagt Wenge. Sie sieht auch die Chance, dass das DZOK auf diese Weise neue Zielgruppe­n ansprechen kann. Zumindest eine Chance bei all den Nachteilen.

Für die digitalen Formate hat die „Stiftung Erinnerung Ulm“dem DZOK einen zinslosen Kredit in Höhe von 6000 Euro gewährt. Weil das Dokumentat­ionszentru­m später Fördergeld für diesen Zweck bekam, konnte es das Darlehen bereits komplett zurückzahl­en. Mit 14 000 Euro unterstütz­te die Stiftung im Vorjahr Projekte des DZOK, 2021 sollen es sogar 27 000 Euro sein. Das Geld erhält die eng mit dem DZOk verbundene Stiftung vor allem aus Spenden. Doch auch der Verkauf von Kunstdruck­en des US-amerikanis­chen Künstlers Robert Longo bringt Geld. Zumindest noch 2021, dann läuft die Vereinbaru­ng aus.

Das Vermögen der „Stiftung Erinnerung Ulm“beziffert Vize-Vorsitzend­er Wolfgang Keck auf 355 000 Euro. „Das ist für eine kleine Stiftung in diesen schwierige­n Zeiten nicht schlecht“, findet er. Auf Spenden sei man weiter angewiesen, dennoch sei er optimistis­ch. Einen großen Teil der Spenden hatte die Stiftung im vergangene­n Jahr einem Aufruf anlässlich des Todes ihres Mitglieds Horst Kächele zu verdanken.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Das Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg bietet einen digitalen Besuch an. Dieser soll in den eng getakteten Online-Stundenpla­n vieler Schüler passen. Derzeit werden Clips für das neue Vorhaben produziert. Mit digitalen Formaten hat die Einrichtun­g bereits 2020 Erfahrunge­n gesammelt.
FOTO: ALEXANDER KAYA Das Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg bietet einen digitalen Besuch an. Dieser soll in den eng getakteten Online-Stundenpla­n vieler Schüler passen. Derzeit werden Clips für das neue Vorhaben produziert. Mit digitalen Formaten hat die Einrichtun­g bereits 2020 Erfahrunge­n gesammelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany