KZ-Dokumentationszentrum digital
DZOK geht für Schüler neue Wege – Erlebnisse bleiben auf der Strecke, aber es tun sich neue Chancen auf
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ULM - Schulklassen besuchen normalerweise einen Großteil der Führungen durch das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg (DZOK) in Ulm, 2020 war das aber nur ein paar Wochen lang im Spätsommer und im Herbst möglich. Nun tüftelt das DZOK an einer Ersatzlösung, die ab März zum Einsatz kommen soll: Die Jugendlichen sollen das ehemalige Konzentrationslager virtuell besuchen können.
Es ist ein Unterschied, ob sich Besucher selbst in den Räumen aufhalten, in denen die Nazis Hunderte politische und weltanschauliche Gegner gefangen hielten, oder ob die Besucher das frühere Lager bloß am Bildschirm sehen. Aber die Planer haben ein Konzept erdacht, bei dem zumindest ein sehr wichtiger Bestandteil erhalten bleibt: Gespräch und Diskussion mit dem Guide. Die Eindrücke sollen nicht einfach so stehen bleiben.
Der virtuelle Besuch soll in den eng getakteten Online-Stundenplan vieler Schüler passen. So haben die Planer ihn ausgearbeitet, wie Nicola Wenge berichtet. Ganz fertig sei das Konzept aber noch nicht, erzählt die wissenschaftliche Leiterin des DZOK. Ablaufen sollen die Besuche so: Ein Guide, der sich im DZOK aufhält, zeigt Videos über das frühere KZ und über das Dokumentationszentrum. Diese Clips werden derzeit produziert. Anschließend tauscht er sich mit den Schülern über das aus, was gezeigt worden ist.
Den Kontakt zu den Schulen konnte das DZOK derweil auch dank einer Ausstellung halten: „Language Matters“thematisiert Hasssprache und setzt damit das frühere Projekt „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“thematisch fort. Die Wanderausstellung
ist in dreifacher Ausführung vorhanden. Eine Version ist im DZOK selbst zu sehen, die anderen beiden touren durch die Schulen und wurden 2020 in elf Bildungseinrichtungen gezeigt.
Digital sind bereits im vergangenen Jahr die meisten Veranstaltungen abgelaufen. Digital geht es weiter. 2020 etwa wurde die Fotoausstellung „Nebenan. Die Nachbarschaften der Lager Auschwitz I-III“auf der Internetseite des DZOK gezeigt. 2021 wurde schon der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar online begangen. Und auch der 18. Jahrestag der „Stiftung Erinnerung Ulm“wird im Internet gefeiert: Am Gründungstag (Sonntag, 14. Februar, 19 Uhr) spricht der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle (Saale) über Verschwörungstheorien und Antisemitismus. Geplant ist ein Vortrag von höchstens 30 Minuten, damit ausreichend Zeit für eine Diskussion bleibt. Die Anmeldung ist über die Internetseite vh-ulm.de möglich.
Am 27. Januar waren rund 170 Geräte für die digitale Gedenkveranstaltung angemeldet. Wie viele Menschen vor den Bildschirmen saßen und ob es dieselben waren, die auch zu einem Präsenzvortrag gekommen wären, weiß Wenge nicht. Die Zahlen stimmen sie zuversichtlich: viele Abonnenten bei Portalen wie Instagram, viele Aufrufe des jüngsten Veranstaltungsvideos auf Youtube und zuletzt 70 Prozent der digitalen Gäste,
die bis zum Schluss angemeldet blieben. „Die Hemmschwelle zu gehen ist ja viel geringer als in einem Veranstaltungssaal“, sagt Wenge. Sie sieht auch die Chance, dass das DZOK auf diese Weise neue Zielgruppen ansprechen kann. Zumindest eine Chance bei all den Nachteilen.
Für die digitalen Formate hat die „Stiftung Erinnerung Ulm“dem DZOK einen zinslosen Kredit in Höhe von 6000 Euro gewährt. Weil das Dokumentationszentrum später Fördergeld für diesen Zweck bekam, konnte es das Darlehen bereits komplett zurückzahlen. Mit 14 000 Euro unterstützte die Stiftung im Vorjahr Projekte des DZOK, 2021 sollen es sogar 27 000 Euro sein. Das Geld erhält die eng mit dem DZOk verbundene Stiftung vor allem aus Spenden. Doch auch der Verkauf von Kunstdrucken des US-amerikanischen Künstlers Robert Longo bringt Geld. Zumindest noch 2021, dann läuft die Vereinbarung aus.
Das Vermögen der „Stiftung Erinnerung Ulm“beziffert Vize-Vorsitzender Wolfgang Keck auf 355 000 Euro. „Das ist für eine kleine Stiftung in diesen schwierigen Zeiten nicht schlecht“, findet er. Auf Spenden sei man weiter angewiesen, dennoch sei er optimistisch. Einen großen Teil der Spenden hatte die Stiftung im vergangenen Jahr einem Aufruf anlässlich des Todes ihres Mitglieds Horst Kächele zu verdanken.