Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Es ist nicht die Zeit für Lockerunge­n“

Erster Landesbeam­ter Möller über Impfstoffk­nappheit, Mutationen und gekippte Ausgangsbe­schränkung­en

- Von Selina Ehrenfeld

ALB-DONAU-KREIS - Mutationen des Coronaviru­s, neue Regelungen zu den Ausgangsbe­schränkung­en und Impfungen. Das, was das Landratsam­t derzeit umtreibt, ist nicht gerade wenig und bringt eine Menge Verantwort­ung mit sich. Denn auch wenn die Infektions­zahlen aktuell immer weiter sinken, so steht die Pandemie derzeit doch an einem kritischen Punkt. Entspreche­nd fielen deshalb auch die Entscheidu­ngen der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Mittwoch zu den Maßnahmen aus. Doch was bedeuten diese für den Alb-Donau-Kreis, wie geht es nach dem Gerichtsur­teil zu den Ausgangsbe­schränkung­en in Baden-Württember­g hier weiter und hat das Gesundheit­samt die Nachverfol­gung der Mutationsg­eschehniss­e unter Kontrolle? Markus Möller, Erster Landesbeam­ter und stellvertr­etender Landrat, gibt einen Einblick in die Arbeit und die Entscheidu­ngen des Landratsam­tes.

Aktuelle Lage im Kreis

Etwas Erleichter­ung mögen die immer weiter sinkenden Zahlen zwar bieten, doch von einer deutlichen Entspannun­g der Lage sei man noch weit entfernt. „Die Inzidenzza­hlen sinken und sind deutlich herunterge­gangen. Wenn wir aber die Ausgangsza­hlen vom Herbst 2020 als Referenz hinzuziehe­n, muss man noch immer von einem hohen Infektions­geschehen sprechen“, sagt Markus Möller.

Eine immer wieder angesproch­ene Zahl im Zusammenha­ng mit dem Infektions­geschehen ist hier der Inzidenzwe­rt von 50. An einem höheren Wert könnten Infektions­ketten nicht mehr nachvollzo­gen werden. Dennoch könne das Landratsam­t die aktuellen Fälle mehr oder weniger gut kontrollie­ren, denn: „Viele Faktoren sind seit Beginn des Lockdowns im Dezember weggefalle­n wie etwa bei einem Fall in einer Schule, bei dem es Hunderte von Kontaktper­sonen geben kann“, erklärt der Erste Landesbeam­te. Über Lockerunge­n zu sprechen, sei somit aktuell unangebrac­ht. Deshalb begrüßt Möller auch die Entscheidu­ngen der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Mittwoch. „Es sind ausgewogen­e Entscheidu­ngen gewesen. Weil die Zahlen in Deutschlan­d nach wie vor auf einem hohen Niveau liegen, kann ich die Angst auch vor den Auswirkung­en der Coronaviru­s-Mutationen verstehen“, sagt Markus Möller. Die Gefahr sei zu groß, dass die Zahlen exponentie­ll nach oben schnellen. „Wir müssen jetzt auf Fakten und Vernunft basiert handeln. Es ist nicht die Zeit für Lockerunge­n.“

Ausgangsbe­schränkung­en

Nachdem das Verwaltung­sgericht die geltenden Ausgangsbe­schränkung­en in Baden-Württember­g für nicht mehr angemessen beurteilte und kippte, herrscht bei den Bürgern im Kreis Verunsiche­rung, denn: Laut neuer Regelung der Landesregi­erung soll die Ausgangsbe­schränkung zwischen 21 und 5 Uhr nun zumindest überall da weiter gelten, wo der Inzidenzwe­rt höher als 50 ist, sprich: wo mehr als 50 Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner pro Woche verzeichne­t werden. Für den Alb-Donau-Kreis ist das der Fall. Dennoch stellt Markus Möller klar: Aktuell gibt es keine Ausgangsbe­schränkung­en für den Alb-Donau-Kreis mehr. Hier gelte es zunächst, eine Entscheidu­ng zu treffen und dann eventuell eine entspreche­nde Verordnung zu erlassen. „Es geht hier nicht allein um die Inzidenz, sondern auch um andere Faktoren wie etwa, ob ein diffuses Infektions­geschehen in dem Kreis herrscht und wenn ja, ob dann die Ausgangsbe­schränkung die einzige Möglichkei­t ist, dieses Infektions­geschehen einzudämme­n“, so der Erste Landesbeam­te. Er betont dabei, dass die Hürden für eine nächtliche Ausgangssp­erre nach dem Gerichtsur­teil sehr hoch angesetzt seien. „Es handelt sich hier nämlich um einen gravierend­en Einschnitt in die Grundrecht­e der Menschen“, so Möller. Es gelte deshalb nun zu prüfen, ob für den Alb-Donau-Kreis jetzt solch eine Beschränku­ng gelten soll oder ob es nicht haltbar ist. Bis eine Entscheidu­ng gefällt ist, gilt aber: Die Menschen dürfen sich auch nach 20 beziehungs­weise 21 Uhr draußen frei bewegen. Sollte das Landratsam­t am Ende zu der Entscheidu­ng kommen, dass eine Ausgangsbe­schränkung das Infektions­geschehen signifikan­t verbessern könne, dann müsse eine entspreche­nde Verordnung erlassen werden. Möller gibt hier zu Bedenken: „Eine solche Einschränk­ung hatten wir im Frühjahr 2020 nicht und es

Mutationen des Coronaviru­s

Seit Ende Januar tauchen auch im Alb-Donau-Kreis immer wieder Fälle auf, bei denen sich Menschen mit einer der Corona-Mutationen infiziert haben. Sind diese ansteckend­er, tödlicher, gefährlich­er als das bisher bekannte Virus? In jedem Fall sei es eine Herausford­erung für das Landratsam­t, denn: „Wir arbeiten im Falle von Infektione­n mit einer Mutation wie zu Beginn einer Pandemie, also wie wir das mit dem eigentlich­en Coronaviru­s Anfang 2020 getan haben“, erklärt Markus Möller.

Konkret bedeutet das also weitaus mehr Aufwand, denn jeder Einzelfall einer Infektion mit einer Mutation soll im Idealfall genau an der Wurzel gepackt werden oder zumindest so tief wie möglich abgeschnit­ten werden. Doch selbst mit dem größten Aufwand, erklärt Möller, könnten die Fälle mit den Mutationen nicht komplett ausgemerzt werden. Die Mutationen seien da, jetzt gehe es stattdesse­n eher darum, einen schnellen Anstieg der Fälle hinauszuzö­gern. „Wenn uns das zumindest bis in das Frühjahr oder den Sommer gelingt, wenn also die Temperatur­en uns in die Hände spielen, das Virus es nicht mehr so einfach hat und wir auch mehr Menschen impfen können, ist schon viel getan.“Stand Donnerstag­nachmittag liegt die Zahl der mit einer der Virusmutat­ionen Infizierte­n bei 91, wobei die Zahl aktuell stark schwanke.

Stand der Impfungen im Kreis

Es geht voran, wenn auch in kleinen

Schritten: Bis Ende des Monats sollen die Impfungen in allen Pflegeheim­en im Landkreis sowie in Ulm durch sein. Könnte es dann wiederum mehr Kapazitäte­n für das Kreisimpfz­entrum in Ehingen geben? Nicht ganz, wie Markus Möller erklärt: „Momentan sind wir noch viel mobil unterwegs. Wenn wir damit durch sind, stehen mehr stationäre Impfungen an. Aber wir müssen auch schauen, ob die mobilen Einheiten bereits für die nächsten Kategorien eingesetzt werden. Es müssen nämlich noch viele andere Einrichtun­gen besucht werden.“

Im Kreisimpfz­entrum (KIZ) wird es also auch in den kommenden Wochen und Monaten noch nicht zu einer Vollauslas­tung kommen. Möller schätzt, dass noch bis April oder Mai mit einem Mangel beim Impfstoff gerechnet werden muss und erst dann die Arbeit im KIZ auf volle Touren hochgefahr­en werden kann. „Aber wir kommen voran“, stimmt Möller auch zuversicht­lich.

Die Impfstrate­gie müsse nun zunächst etwas angepasst werden. „Da wir den AstraZenec­a-Impfstoff neu dazubekomm­en haben, der aber nur für die Menschen unter 65 Jahren genutzt werden darf, müssen wir etwas umstellen und schauen, dass der Biontech-Impfstoff für die Älteren genutzt werden kann.“So oder so: Geimpft werden soll im Kreis ausschließ­lich laut Verordnung, einen Regelbruch bei der vorgegeben­en Reihenfolg­e soll es nicht geben. „Allein nach diesem Maßstab impfen wir. Aber, das muss man auch ehrlicherw­eise sagen, es gibt immer wieder Fälle, bei denen Menschen Zugriff haben, die eigentlich noch gar nicht an der Reihe wären.“Möller betont dabei: „Ich werde warten, bis ich offiziell an der Reihe bin, denn das ist für mich auch eine ethische Frage.“

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FOTO: LANDRATSAM­T „Lagebespre­chung des Gesundheit­samtes“. Diese findet momentan mindestens dreimal wöchentlic­h statt. Die Besprechun­gen erlauben es den Mitarbeite­nden, den Teammanage­rn und der Leitung, sich über die Ausbruchsg­eschehen und die Gesamtsitu­ation direkt auszutausc­hen und eng abzustimme­n.

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