Investitionen mit ökologischem Hintergrund
Ab März müssen Banker das Interesse ihrer Kunden an nachhaltigen Geldanlagen abfragen
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STUTTGART - Ab 10. März sind Bankberater gehalten, ihre Kunden explizit auf deren Interesse an nachhaltigen Geldanlagen anzusprechen. Das sieht der für 2021 geplante, sogenannte „Geeignetheitstest“vor, der auf den EU-Aktionsplan für nachhaltiges Wachstum in Europa zurückgeht. „Wir wissen aus Umfragen, dass bis zu drei Viertel aller Sparkassenkunden sehr offen für nachhaltige Geldanlagen sind – viele kennen sich damit nur noch nicht aus“, sagt Matthias Reiter, Leiter Vermögensmanagement der Kreissparkasse Ravensburg. Das, so sein Kalkül, werde sich grundlegend ändern, sobald Berater die Kunden auf diese Frage direkt ansprechen und ihnen entsprechende Möglichkeiten aufzeigen würden.
Während sich die Gesellschaft bei der Konsumgüterindustrie oder auf dem Feld der Mobilität schon lange mit den Auswirkungen auf Natur und Umwelt befasst, haben solche Fragestellungen längst auch die Finanzindustrie erfasst. „Wir sehen im Markt zurzeit eine Sensibilisierung der Kunden im Hinblick auf Nachhaltigkeitsthemen“, hat Reiter beobachtet. Dieser Trend widerspiegelt sich auch in der Zunahme des in Nachhaltigkeitsfonds investierten Vermögens, das nach Berechnungen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in Deutschland allein im Jahr 2019 von 44,7 auf 63,2 Milliarden Euro gestiegen ist. Nimmt man sämtliche nachhaltigen Geldanlagen zusammen, kommt man sogar auf
270 Milliarden Euro, Tendenz steigend, nämlich plus 23 Prozent (2019). Und doch sind es bisher nur 5,4 Prozent aller Geldanlagen in Deutschland, die nach nachhaltigen Kriterien ausgerichtet sind, während es in der Schweiz schon 38 Prozent sind. Wieviel Dynamik in dem Markt steckt, zeigt auch der Blick auf nachhaltige ETFs (Exchange Traded
Funds), in die 2020 die Anleger hierzulande mit 45,5 Milliarden Euro erstmals mehr Geld gesteckt haben als mit 43,8 Milliarden Euro in nicht nachhaltige ETFs.
Das Spektrum nachhaltiger Geldanlagen ist freilich ein weites Feld, das sowohl ökologische, soziale als auch Aspekte einer verantwortungsvollen Unternehmensführung miteinschließt. Diese drei Faktoren stellen die sogenannten ESG-Kriterien, die für Environment, Social und Governance stehen. Darunter versteht man Merkmale des Umweltmanagements, der sozialen Verantwortung wie Sicherheit und Gesundheit oder Sozialstandards in der Lieferkette. Außerdem geht es um eine gute Unternehmensführung („Governance“), die Transparenz oder den Ausschluss von Korruption umfasst. Fondsgesellschaften mit ESG-Ansprüchen müssen nun bis zu dem eingangs erwähnten Stichtag 10. März diesen Jahres ihre Nachhaltigkeitskriterien transparent machen. Und damit kein Geldhaus seine Finanzprodukte lediglich „grün“anzustreichen braucht und damit Etikettenschwindel betreiben würde, tüftelt die EU immer noch an einem Kriterienkatalog, mit dessen Hilfe Nachhaltigkeit messbar gemacht werden soll. Schrittweise bis Ende 2022 soll diese, sogenannte Taxonomie der EU dann vollends verpflichtend sein. Eine Art Bauanleitung für nachhaltige Finanzprodukte wird es dennoch kaum geben können, weil man von der Anlagestrategie bis zur Einzeltitelauswahl nicht alles genau wird messen und regeln können. Spötter klagen daher, die EU habe der Finanzindustrie den Schwarzen Peter zugeschoben, das Klima zu retten. Warum aber sollte die Branche nicht ihren Beitrag dazu leisten, die Ziele der UN-Klimakonferenz in Paris
zu erreichen? Ohnehin haben zahlreiche institutionelle Investoren wie der US-Vermögensverwalter Blackrock längst erkannt, dass ESG nicht mehr als Trend zu verstehen ist, sondern als Kernstück einer modernen Unternehmens- und Produktstrategie.
Trotz eines noch bestehenden Klärungsbedarfs auf europäischer Ebene ist auch für Matthias Reiter bereits heute klar, dass ökologische, soziale und ethische Aspekte bei der Geldanlage an Bedeutung gewinnen werden. „Die klare Orientierung an den ESG-Kriterien könnte zu einer entscheidenden, grundlegenden Neuausrichtung in der Wertpapieranlage werden“, sagt der SparkassenExperte. Die ESG-Kriterien könnten also dann zu dem werden, was man gerne als „Game Changer“bezeichnet. Die brennende Frage, inwieweit nachhaltige Geldanlage auch für eine nachhaltige Rendite sorgen kann, soll hier in der kommenden Woche beantwortet werden.