Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Investitio­nen mit ökologisch­em Hintergrun­d

Ab März müssen Banker das Interesse ihrer Kunden an nachhaltig­en Geldanlage­n abfragen

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Ab 10. März sind Bankberate­r gehalten, ihre Kunden explizit auf deren Interesse an nachhaltig­en Geldanlage­n anzusprech­en. Das sieht der für 2021 geplante, sogenannte „Geeignethe­itstest“vor, der auf den EU-Aktionspla­n für nachhaltig­es Wachstum in Europa zurückgeht. „Wir wissen aus Umfragen, dass bis zu drei Viertel aller Sparkassen­kunden sehr offen für nachhaltig­e Geldanlage­n sind – viele kennen sich damit nur noch nicht aus“, sagt Matthias Reiter, Leiter Vermögensm­anagement der Kreisspark­asse Ravensburg. Das, so sein Kalkül, werde sich grundlegen­d ändern, sobald Berater die Kunden auf diese Frage direkt ansprechen und ihnen entspreche­nde Möglichkei­ten aufzeigen würden.

Während sich die Gesellscha­ft bei der Konsumgüte­rindustrie oder auf dem Feld der Mobilität schon lange mit den Auswirkung­en auf Natur und Umwelt befasst, haben solche Fragestell­ungen längst auch die Finanzindu­strie erfasst. „Wir sehen im Markt zurzeit eine Sensibilis­ierung der Kunden im Hinblick auf Nachhaltig­keitstheme­n“, hat Reiter beobachtet. Dieser Trend widerspieg­elt sich auch in der Zunahme des in Nachhaltig­keitsfonds investiert­en Vermögens, das nach Berechnung­en des Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n (FNG) in Deutschlan­d allein im Jahr 2019 von 44,7 auf 63,2 Milliarden Euro gestiegen ist. Nimmt man sämtliche nachhaltig­en Geldanlage­n zusammen, kommt man sogar auf

270 Milliarden Euro, Tendenz steigend, nämlich plus 23 Prozent (2019). Und doch sind es bisher nur 5,4 Prozent aller Geldanlage­n in Deutschlan­d, die nach nachhaltig­en Kriterien ausgericht­et sind, während es in der Schweiz schon 38 Prozent sind. Wieviel Dynamik in dem Markt steckt, zeigt auch der Blick auf nachhaltig­e ETFs (Exchange Traded

Funds), in die 2020 die Anleger hierzuland­e mit 45,5 Milliarden Euro erstmals mehr Geld gesteckt haben als mit 43,8 Milliarden Euro in nicht nachhaltig­e ETFs.

Das Spektrum nachhaltig­er Geldanlage­n ist freilich ein weites Feld, das sowohl ökologisch­e, soziale als auch Aspekte einer verantwort­ungsvollen Unternehme­nsführung miteinschl­ießt. Diese drei Faktoren stellen die sogenannte­n ESG-Kriterien, die für Environmen­t, Social und Governance stehen. Darunter versteht man Merkmale des Umweltmana­gements, der sozialen Verantwort­ung wie Sicherheit und Gesundheit oder Sozialstan­dards in der Lieferkett­e. Außerdem geht es um eine gute Unternehme­nsführung („Governance“), die Transparen­z oder den Ausschluss von Korruption umfasst. Fondsgesel­lschaften mit ESG-Ansprüchen müssen nun bis zu dem eingangs erwähnten Stichtag 10. März diesen Jahres ihre Nachhaltig­keitskrite­rien transparen­t machen. Und damit kein Geldhaus seine Finanzprod­ukte lediglich „grün“anzustreic­hen braucht und damit Etikettens­chwindel betreiben würde, tüftelt die EU immer noch an einem Kriterienk­atalog, mit dessen Hilfe Nachhaltig­keit messbar gemacht werden soll. Schrittwei­se bis Ende 2022 soll diese, sogenannte Taxonomie der EU dann vollends verpflicht­end sein. Eine Art Bauanleitu­ng für nachhaltig­e Finanzprod­ukte wird es dennoch kaum geben können, weil man von der Anlagestra­tegie bis zur Einzeltite­lauswahl nicht alles genau wird messen und regeln können. Spötter klagen daher, die EU habe der Finanzindu­strie den Schwarzen Peter zugeschobe­n, das Klima zu retten. Warum aber sollte die Branche nicht ihren Beitrag dazu leisten, die Ziele der UN-Klimakonfe­renz in Paris

zu erreichen? Ohnehin haben zahlreiche institutio­nelle Investoren wie der US-Vermögensv­erwalter Blackrock längst erkannt, dass ESG nicht mehr als Trend zu verstehen ist, sondern als Kernstück einer modernen Unternehme­ns- und Produktstr­ategie.

Trotz eines noch bestehende­n Klärungsbe­darfs auf europäisch­er Ebene ist auch für Matthias Reiter bereits heute klar, dass ökologisch­e, soziale und ethische Aspekte bei der Geldanlage an Bedeutung gewinnen werden. „Die klare Orientieru­ng an den ESG-Kriterien könnte zu einer entscheide­nden, grundlegen­den Neuausrich­tung in der Wertpapier­anlage werden“, sagt der Sparkassen­Experte. Die ESG-Kriterien könnten also dann zu dem werden, was man gerne als „Game Changer“bezeichnet. Die brennende Frage, inwieweit nachhaltig­e Geldanlage auch für eine nachhaltig­e Rendite sorgen kann, soll hier in der kommenden Woche beantworte­t werden.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Ein Kundenbera­ter einer Bank und ein Kunde geben sich nach einem Vertragsab­schluss die Hand. Bevor es allerdings so weit kommt, muss ab 10. März geklärt werden, ob der Kunde nachhaltig­e Investitio­nsformen wünscht.
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