Von Kindesbeinen an in der Fasnet zuhause
Willy Schüssler ist ein Urgestein der Ehinger Fasnet – Er blickt auf seine Anfangszeiten zurück und erklärt, warum er erst mit 21 in die Zunft kam
●
EHINGEN - Als kleiner Junge noch ganz ohne Zunft „auf dr Gass“während der Fasnet unterwegs und Jahrzehnte später in der Ehrenloge des Ehinger Narrenrats: Willy Schüssler kennt die närrischen Tage in Ehingen seit seiner Kindheit aus nächster Nähe. Schüssler organisierte zudem jahrelang den Ehinger Umzug und hat auch nach seiner Zeit im Narrenamt viel übrig für die Fasnet. Beim Sortieren alter Dokumente, die er und Josef „Beppe“Mantz sichteten, sind die beiden Ehinger Narren auf ein bemerkenswertes Papier gestoßen – das originale Gründungsprotokoll der Narrengesellschaft aus der Zeit von 1874. „Das war natürlich ein Glücksfund“, freut sich Schüssler. Die Traditionen waren schon damals wichtig, doch vieles hat sich in den zurückliegenden Jahren rund um die Fasnet auch verändert „Die Fasnet sollte immer eine Momentaufnahme sein“, erklärt Schüssler – was damals Usus war, ist heute teils nicht mehr denkbar.
Wenn Schüssler zurückblickt, wie ihn die Freude am närrischen Sein erfasst hat, dann stellte er einige Unterschiede in der Fasnet im Vergleich zu heute fest. Als Junge sei er auf die Straße
gelaufen, habe mitgemacht (Schüssler: „Da bisch halt draußa.“), doch bis er 1967 offiziell in die Reihen der Narren aufgenommen wurde, sollten 21 Lebensjahre vergehen. „Man musste volljährig sein und außerdem brauchte man einen Fürsprech. Dann stellte man sich vor den Ausschuss, der einen auf Herz und Nieren getestet hat“, sagt er. Die noch „kompakte Zunft“habe ihr Okay gegeben, damals, so schätzt er, sei der harte Kern der Ehinger Narren 50 bis 60 Mitglieder gewesen. Bei den Hexen, bei denen er ist, hätte man von 20 bis 25 Bewerbern pro Jahr lediglich fünf oder sechs aufgenommen. Und schon damals galt für ihn persönlich, aber im Sinne der Narren eigentlich generell: „Entweder bisch ganz dabei oder läsch es bleiba.“
Schüssler ließ es nicht bleiben, im Gegenteil. Für jede Veranstaltung ließ er sich begeistern, bei jedem Treffen sei er dabei gewesen. „Damals hatten wir eine gehörige Narrenfreiheit, ganz im Sinne des Wortes“, sagt er. Auf Häuser klettern etwa, erinnert er sich, sei normal gewesen. „Und, wenn mal eine Dachrinne kaputt ging, hat man das ein paar Tage später von sich aus geklärt.“So etwas sei heute nicht mehr vorstellbar, allein schon, weil deutlich mehr Leute zu den Umzügen und sonstigen Fasnetshöhepunkten kommen. „Der Umgang insgesamt war leger und locker“, hält er fest. Dabei meint er seinen Vergleich zu heute nicht wertend, es habe einfach der Zeit damals entsprochen. So wie es eben zum Beispiel derzeit nötig sei, angesichts der Umstände, die Fasnet digital stattfinden zu lassen.
Und doch sei die aktuelle Saison etwas trostlos. Entsprechend könne er gerade die Jugend verstehen, die etwas enttäuscht ist, nicht von Lokal zu
Lokal ziehen zu können. Die Kommunikation untereinander sei eben aktuell eine andere, „das ist eine ganz andere Geschichte“. Die jetzige Fasnet, so vergleicht Schüssler, sei wie ein Film, während die „sonstige“Fasnet wie ein Theaterspiel ist. Aber dass die „Fasnet so riesig geworden ist, überall etwas stattfindet“, das freue ihn. Früher seien es stets dieselben Städte gewesen, in den etwas Närrisches passiert ist. Früher habe es zudem generell weniger Menschen gegeben und dementsprechend hätten sich auch insgesamt weniger mit der Fasnet identifiziert. Heute nehme man sich eine Woche zwischen Glombigen und Fasnetsdienstag frei. „Fasnet isch a feina Sach, wenns jedem a Freude macht!“, sagt er.
Auch hält er fest: „Die Fasnet ist total vergänglich, wenn sie vorbei ist, dann ist sie vorbei.“Gut, dass es daher viele Dokumente gibt, die das Geschehen schriftlich festhalten. In den vergangenen Jahre sei er zusammen mit Ehrennarrenratskollege Mantz die Ablage, die im Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden ist und sich in Kisten angesammelt hat, durchgegangen. 70 Prozent der Dinge habe man zwar nicht mehr gebrauchen können, aber das Wichtigste, das liege jetzt in 15 bis 20 Ordner sortiert in vier Schränken im Narrenstadel. Darunter sei neben Fotos und alten Protokollen auch ein wahrer Schatz: das Gründungsprotokoll der Narrengesellschaft von 1874 im Original. Auch die darauffolgenden Jahre seien gut dokumentiert. „Nur ab 1946 haben wir eine große Lücke. Da muss irgendjemand im April l945 am Werk gewesen sein“, sagt er. Die Hoffnung, dass die Dokumente allerdings nur verschollen auf irgendeiner Bühne liegen, sei nie ganz weggegangen. Ebenso nie verschwunden ist Willy Schüsslers Lust auf das große Narrentreiben und die Fasnet. Und so ist er auch in dieser Saison bei allen Veranstaltungen dabei – nur eben digital.