Tierisch viel los trotz Lockdown
Einige Neuerungen im Ulmer Tiergarten – Aquarium hat allerdings einen Star weniger
●
ULM - Seit über 50 Jahren ist „Timo“jetzt schon in seinem Becken im Tiergarten Ulm zuhause. Aber so aufregend wie im Lockdown war das Leben des Mississippi-Alligators seit Jahrzehnten nicht mehr. Denn so gut wie alles in seinem kleinen Reich ist neu.
Dass ausgerechnet das Krokodil zum „Zootier des Jahres 2021“gekürt wurde, sei aber Zufall, sagt Stefanie Kießling, die Leiterin des Ulmer Tiergartens. Aber passend. Nicht nur Timo, sondern auch seine Nachbarn Jayjay und Amy, zwei Brillenkaimane, profitieren. Denn sämtliche Panzerechsen im Tropenhaus freuen sich über eine bessere Wasserqualität.
Das Wasser werde jetzt in einem neuen System laufend gefiltert. Und mit Lehm verkleidete Wände verbessern das Mikroklima. Timo, der alte Haudegen, hat jetzt zudem eine echte Mangrove in seinem Tümpel. „Eine Spende der Wilhelma aus Stuttgart“, sagt Kießling. Und neben neu gepflanzten Bromelien können jetzt die Kaimane und der alte Alligator im Sand wühlen. „Das war schon lange fällig.“
Die Begeisterung bei Timo ließ aber auf sich warten. Wochenlang habe sich der Irritierte kaum gerührt. Wer 55 Jahre in seinem Becken hockt, mag keine Änderungen. Doch eines Tages lag Timo im Sand. „Alle Viere von sich gesteckt“, erzählt Kießling. Da wusste die Biologin, dass 20 000 Euro und viel Eigenarbeit gut investiert wurden.
Dass auch in alten Tagen ein zweiter Frühling kommen kann, zeigte während des Lockdowns ein weiterer Bewohner des Tropenhauses. Seit 1979 flattert hier schon ein Senegalpapagei umher. Die Art gilt als sensibel, Veränderungen würden nur langsam akzeptiert. Umso skeptischer war Kießling, als mitten im Lockdown ein Anruf vom Tierheim Weißenhorn kam. Ein Senegalpapagei, die früher Mohrenkopfpapageien genannt wurden, sei hier als
„Fundtier“abgegeben worden. Doch anscheinend war es Liebe auf den ersten Blick. Der Senior aus Ulm fütterte die Neue aus Weißenhorn auf Anhieb. Schon jetzt gelten die zwei unter Pflegern als unzertrennlich.
Wie schwer Veränderungen für Tiere sind, mussten zwei Stars am Korallenriff mit ihrem Leben bezahlen. Nachdem jüngst ein Leck am großen Becken festgestellt wurde, gab es zu einer zeitweisen Umsiedlung der Riffbewohner keine Alternative. „Wir haben gleich gewusst, das wird schwierig“, sagt Kießling. Die größte Vorsicht habe aber nicht geholfen: Neben einem ImperatorDoktorfisch starb auch ein sehr alter Paletten-Doktorfisch, die Art, die als Dorie im Film findet Nemo berühmt wurde. Die gute Nachricht: Nemo lebt.
Das Tiergarten-Team nutzt den Lockdown für große und kleine Veränderungen: Zu den kleinen zählt die Zusammenlegung von zwei Schlangen-Schildkröten-Terrarien zu einem. Und auch zwei ohnehin renovierungsbedürftige MeerwasserAquarien werden durch ein neues Dreimeterbecken ersetzt. Größter Bewohner wird hier der Schwarze Weißbinden-Drückerfisch.
Die größte Veränderung steht kurz vor der Fertigstellung: das neue Zoozentrum. Rund drei Millionen Euro werden in einen neuen Betriebshof investiert. Der mit Holz verkleidete Neubau ist fast fertig. Unterschlupf finden hier neben Räumen für die Mitarbeiter eine Fischzucht, eine Art Freilufttierklinik und ein Kiosk. Derzeit wird der Platz davor gebaut, der einmal viele Sitzgelegenheiten bieten soll. Zudem werde der Umbau den Besuchern einen echten Rundgang ermöglichen. Im März sollte eigentlich die feierliche Eröffnung sein. Ob es dazu kommen kann, stehe aber in den Sternen.
Vorübergehend sind derzeit die Emus im früheren Bärengehege untergebracht. Das sei aber keine Dauerlösung. Die Emus hätten plötzlich begonnen, ihren Mitbewohner namens Hüpfer zu ärgern. Und so trennte Kießling das Känguru von den australischen Laufvögeln.
Noch dieses Frühjahr soll entschieden werden, wie es im früheren Zuhause der inzwischen gestorbenen Bären Susi und Cheppo weitergeht. Klar ist nur, dass Vierbeiner aus dem länderübergreifenden Donauraum hier einziehen werden. Mögliche Varianten haben nun Zoospezialisten erarbeitet, die dann im Tiergarten der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Wenn es nach Kießling gehen würde, wird kein Bär mehr dort einziehen. Es gebe geeignetere Rettungsstationen für geplagte Bären. Die Besucher und der Artenschutz hätten aus ihrer Sicht mehr davon, wenn das 2700 Quadratmeter große Gelände für mehrere Tiere aufgeteilt würde. Luchs, Wolf oder Huftiere? Was diskutiert wird, will Kießling noch nicht verraten.
Kießling befürchtet, dass wegen der Pandemie im Tiergarten Ulm der Rotstift angesetzt werde. Wenn statt über 20 000 Tickets im Monat kein einziges mehr verkauft wird, fehlt ein großer Batzen. Eine Großbaustelle kommt unaufhaltsam auf Ulm zu: An dem aus den 1980ern stammenden Tropenhaus nagt der Zahn der Zeit.
Fenster ließen sich schon längst nicht mehr öffnen. Ein kalter Winter wie dieses Jahr decke zudem die massiven energetischen Mängel auf. Auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Stadt das nächste Zoo-Großprojekt angeht, könnte es bei einer grundlegenden Sanierung des Tropenhauses wieder stressig werden, nicht nur für Timo.