Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erzieherin­nen sind in doppelter Sorge

Situation in den Kindergärt­en der St. Elisabeth-Stiftung in Riedlingen nach einem Jahr Corona-Pandemie

-

RIEDLINGEN/REGION (sz) - Eigentlich hätten Kindergärt­en und Kindertage­sstätten in Baden-Württember­g Anfang Februar wieder den normalen Betrieb aufnehmen sollen. Die Landesregi­erung hat die Öffnung jetzt auf den 22. Februar verschoben. Das vergangene Corona-Jahr war für Kinder, Eltern und Erzieherin­nen eine schwere Zeit. Drei Erzieherin­nen aus den Kindergärt­en der St. Elisabeth-Stiftung sorgen sich zum einen um das Wohl der Kinder, zum anderen um ihren eigenen Schutz vor Ansteckung.

„Warum gehört pädagogisc­hes Fachperson­al nicht zu dem Personenkr­eis, der jetzt zuerst geimpft wird?“Das ist die Frage, die Erzieherin­nen derzeit am meisten umtreibt, so Andrea Merkle, die einen Kindergart­en der Elisabeth-Stiftung in Ulm leitet.

„Wer betreut die Kinder, auch in den Notgruppen, wenn das Personal an Corona erkrankt ist?“Ihr Kindergart­en Gut Betha war nur zu Beginn des ersten Lockdowns kurzfristi­g komplett geschlosse­n. Seither gibt es durchgehen­d eine Notbetreuu­ng.

Ganz anders ist die Situation im Schulkinde­rgarten St. Maria in Riedlingen: Er ist seit Ende der Weihnachts­ferien normal geöffnet. Ihn besuchen Kinder mit geistiger und körperlich­er Behinderun­g. Sie vermissen jedoch die Kooperatio­n mit dem städtische­n Regelkinde­rgarten im selben Gebäude. Andrea Schäuble, Leiterin des Schulkinde­rgartens, leuchtet nicht ein, warum für ihre Einrichtun­g andere Vorschrift­en gelten: „Diese Entscheidu­ng der Politik können wir nicht nachvollzi­ehen“, sagt sie.

In Gedanken sind die Erzieherin­nen immer auch bei den Kindern, die zuhause bleiben müssen. Den Kindergart­en Gut Betha besuchen ausschließ­lich Kinder mit Migrations­hintergrun­d.

Sie haben jetzt keine Chance, Deutsch zu lernen, sagt Merkle. Außerdem gehe die Schließung oft zu Lasten ihrer Sozialkomp­etenz. Manche Kinder würden zuhause zu viel vor dem Fernseher sitzen. Einschulun­gsuntersuc­hungen finden derzeit nicht statt – für einige Kinder eine Katastroph­e,

findet Merkle. Und den Eltern fehle in dieser Coronazeit die Unterstütz­ung der Erzieherin­nen, im pädagogisc­hen Bereich und einfach mal als offenes Ohr für ihre Sorgen.

„Die Kinder sind sehr unsicher, denen rattert ganz viel im Kopf herum, sie können die Situation nicht einordnen“, berichtet auch Ramona Achberger, Leiterin der Kindertage­sstätte im Wohnpark St. Georg in Meckenbeur­en.

Von den 31 Kindern, die normalerwe­ise die Tagesstätt­e besuchen, kommen 16 zur Notbetreuu­ng. Die anderen, die zuhause bleiben müssen, würden sehr darunter leiden, dass sie ihre Freunde nicht mehr treffen. Ab und zu machen die Erzieherin­nen mit den Kindern in der Notbetreuu­ng Spaziergän­ge zu den daheimgebl­iebenen Kindern, klingeln an der Haustür und winken mit Abstand. Sie schicken ihnen kurze Videos oder stecken kleine Geschenke in die Briefkäste­n. „Dann wissen sie, dass wir sie nicht vergessen haben.“

Alle drei Erzieherin­nen berichten, dass ihre Teams dünnhäutig geworden sind. „Es ist eine große Belastung, wiederholt nicht zu wissen, ob und wann wir für alle öffnen. Wir werden überflutet mit Informatio­nen zu Regelungen und Änderungen“, sagt Andrea Merkle. Die Erzieherin­nen wünschen sich endlich klare Vorgaben, wie die Kindergärt­en nach und nach wieder aufmachen. „Dass nicht immer wieder falsche Hoffnungen bei den Eltern geweckt werden“, sagt Ramona Achberger. Wenn die Eltern von vornherein gewusst hätten, dass die Kinder drei bis vier Monate zuhause sind, hätten sich viele ganz anders darauf eingestell­t.

Für sich selber sehen die Erzieherin­nen natürlich auch die Gefahr der Ansteckung mit dem Coronaviru­s. In ihrem Arbeitsall­tag haben sie engen Kontakt zu Kindern und begegnen beim Bringen und Abholen den Eltern und Großeltern. Trotz der Sorge um ihre eigene Gesundheit sprechen sich die Erzieherin­nen für eine baldige Öffnung der Kindergärt­en aus – im Interesse der Kinder.

 ?? FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A ?? Der Kindergart­en St. Maria in Riedlingen ist seit nach den Weihnachts­ferien wieder ganz normal geöffnet.
FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A Der Kindergart­en St. Maria in Riedlingen ist seit nach den Weihnachts­ferien wieder ganz normal geöffnet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany