Bewegung im Prozess um Brandstiftung und versuchten Mord
Anwalt kündigt Erklärung in der kommenden Sitzung an – Gericht sieht Brandstiftung als erwiesen an
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● EHINGEN/ULM - Beim Landgericht Ulm hat am Mittwoch der dritte Verhandlungstag um Brandstiftung und neunfachen versuchten Mord stattgefunden. Mit einem überraschenden Beweisantrag hat der Anwalt der Angeklagten erstmals Bewegung in die Sache gebracht. Am Ende des Verhandlungstags hat das Gericht seine vorläufige Bewertung dargelegt.
Nachdem die Fortsetzung der Beweisaufnahme mit zunächst fünf Zeugen für die Angeklagte wenig Entlastendes erbracht, vielmehr den von der Staatsanwaltschaft verlesenen Sachverhalt bestätigt hat, ergriff Rechtsanwalt Alexander Hamburg als Verteidiger die Initiative. Unmittelbar vor der Mittagspause stellte er einen Beweisantrag. Er beantragte, zwei weitere beim Einsatz in der Brandnacht in einer Ehinger Spielhalle beteiligte Polizeibeamte zu vernehmen. Es handelt sich dabei um die Kollegen der Beamten, die bereits ausgesagt hatten.
Der Strafverteidiger führte aus, die beiden bereits vernommenen Polizisten hätten durch ihre Aussagen bestätigt, dass vom gelegten Feuer keine Rauchentwicklung ausgegangen sei. Ferner hätten sie ausgesagt, dass aufgrund der Feuermeldeanlage in der Spielhalle eine Alarmierung stattgefunden hat, aufgrund derer die Bewohner vom Wohnbereich ohne Gefahr auf die Straße gelangt seien.
Hintergrund des Beweisantrags ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nachdem im Falle von Brandstiftung dem Täter kein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden kann, wenn Bewohner des angezündeten Objekts, durch eine Alarmanlage gewarnt, gefahrlos das Gebäude verlassen konnten. Genau das sei hier der Fall. Dies sollten, so der Antrag des Strafverteidigers, die beiden noch zu ladenden Polizeibeamten bestätigen. Oberstaatsanwalt Peter Staudenmaier führte daraufhin spontan aus, er sehe das Thema des Beweisantrags bereits durch die Aussagen der zuvor vernommenen Beamten als erwiesen an.
Im Rahmen der vorangegangenen Beweisaufnahme hatte eine Arbeitskollegin der Angeklagten ausgesagt, dass es bei den Servicekräften nicht unüblich sei, in der Freizeit in die Spielhalle zu kommen. Dies war der einzige entlastende Aspekt für die Angeklagte, die sich auch dadurch verdächtig gemacht hat, dass sie nach dem Brand anwesend war, ohne im Dienst zu sein. Insbesondere der Produktmanager des Automatenaufstellers, der die Angeklagte nicht kannte, hat durch seine abstrakte Erläuterung der Abläufe und die Schilderung der konkreten Erkenntnisse aus der Ehinger Spielhalle die Angeklagte belastet.
Ein Kriminalbeamter der Polizeidirektion Ulm, der die Spuren gesichert hat, hat zwar ausgesagt, keine Brandspuren in den Haaren, an der Kleidung oder an den Schuhen der
Angeklagten entdeckt zu haben, jedoch hat er eine fünf mal drei Zentimeter große rote Stelle an der rechten Hand der Angeklagten fotografisch dokumentiert. Dies sei zwar erst einige Tage nach der Brandstiftung geschehen, er könne aber nicht ausschließen, dass es sich bei der Rötung um eine Verbrennung handelt, eventuell beim Anzünden eines Brandbeschleunigers entstanden. Die Angeklagte habe ihm gegenüber von einer Verbrennung am heißen Glas des Schwedenofens ihrer Mutter gesprochen.Ein Rechtsmediziner konnte vor Gericht nicht sagen, worauf die Verbrennung zurückzuführen ist. Er hielt beide Varianten für gleich wahrscheinlich.
Präzise und belastend erwies sich die Aussage einer Vertreterin des Herstellers des konkret verwendeten Brandbeschleunigers. Sie konnte nachvollziehen, dass an den Gewerbetreibenden im Wohnhaus der Angeklagten in Ehingen drei Zehnliterkanister Bioethanol geliefert wurden, exakt wie jener am Tatort gefundene. Diese Kanister verkaufe die Firma ausschließlich über eine Internetplattform und es seien in den Jahren 2019 und 2020 im Postleitzahlengebiet 89 ausschließlich an jenen Gewerbetreibenden drei solche Kanister geliefert worden.
Nach einer 20-minütigen Beratung erläuterte die Kammer ihre auf der bisherigen Beweisaufnahme basierende vorläufige Bewertung. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass der zum Einsatz gekommene Brandbeschleuniger aus einem Kanister stammt, der im Wohnhaus der Angeklagten in einem Raum abgestellt war, zu dem neben dem Gewerbetreibenden auch diese einen Schlüssel hatte. Da DNASpuren auf dem Kanister wahrscheinlich der Angeklagten zuzuordnen seien, sei die auf dem Tatvideo zu sehende Frau mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Angeklagte.
Ihr halte die Kammer neben ihrem straffreien Lebenslauf den objektiv glimpflichen Verlauf aufgrund des selbständigen Erlöschens des Feuers zugute. Aufgrund der Aussageverweigerung könne zum subjektiven Tatbestand nichts gesagt werden, sprich zur Frage, ob sie den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen hat. Ihr Verteidiger zeigte sich einverstanden, jedoch lehnte er die Erklärung für den Moment ab. Beim nächsten Termin am 2. März werde sie erfolgen. Das Gericht machte deutlich, dass es aufgrund der Aussagen der am Einsatz beteiligten Polizisten davon ausgeht, dass bei deren Eintreffen kein Rauch erkennbar war, dass der Alarm ausgelöst wurde und Menschen dadurch gewarnt das Gebäude verlassen hatten.
Ob vor dem Eintreffen der Beamten eine Rauchentwicklung stattfand, sei durch die Aussagen nicht ausgeschlossen. Damit ließ das Gericht offen, wie es zum subjektiven Tatbestand steht, also zur Frage des bedingten Tötungsvorsatzes in neun Fällen.