Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bewegung im Prozess um Brandstift­ung und versuchten Mord

Anwalt kündigt Erklärung in der kommenden Sitzung an – Gericht sieht Brandstift­ung als erwiesen an

- Von Friedrich Hog

www.giftberatu­ng.de,

● EHINGEN/ULM - Beim Landgerich­t Ulm hat am Mittwoch der dritte Verhandlun­gstag um Brandstift­ung und neunfachen versuchten Mord stattgefun­den. Mit einem überrasche­nden Beweisantr­ag hat der Anwalt der Angeklagte­n erstmals Bewegung in die Sache gebracht. Am Ende des Verhandlun­gstags hat das Gericht seine vorläufige Bewertung dargelegt.

Nachdem die Fortsetzun­g der Beweisaufn­ahme mit zunächst fünf Zeugen für die Angeklagte wenig Entlastend­es erbracht, vielmehr den von der Staatsanwa­ltschaft verlesenen Sachverhal­t bestätigt hat, ergriff Rechtsanwa­lt Alexander Hamburg als Verteidige­r die Initiative. Unmittelba­r vor der Mittagspau­se stellte er einen Beweisantr­ag. Er beantragte, zwei weitere beim Einsatz in der Brandnacht in einer Ehinger Spielhalle beteiligte Polizeibea­mte zu vernehmen. Es handelt sich dabei um die Kollegen der Beamten, die bereits ausgesagt hatten.

Der Strafverte­idiger führte aus, die beiden bereits vernommene­n Polizisten hätten durch ihre Aussagen bestätigt, dass vom gelegten Feuer keine Rauchentwi­cklung ausgegange­n sei. Ferner hätten sie ausgesagt, dass aufgrund der Feuermelde­anlage in der Spielhalle eine Alarmierun­g stattgefun­den hat, aufgrund derer die Bewohner vom Wohnbereic­h ohne Gefahr auf die Straße gelangt seien.

Hintergrun­d des Beweisantr­ags ist die Rechtsprec­hung des Bundesgeri­chtshofs, nachdem im Falle von Brandstift­ung dem Täter kein Tötungsvor­satz nachgewies­en werden kann, wenn Bewohner des angezündet­en Objekts, durch eine Alarmanlag­e gewarnt, gefahrlos das Gebäude verlassen konnten. Genau das sei hier der Fall. Dies sollten, so der Antrag des Strafverte­idigers, die beiden noch zu ladenden Polizeibea­mten bestätigen. Oberstaats­anwalt Peter Staudenmai­er führte daraufhin spontan aus, er sehe das Thema des Beweisantr­ags bereits durch die Aussagen der zuvor vernommene­n Beamten als erwiesen an.

Im Rahmen der vorangegan­genen Beweisaufn­ahme hatte eine Arbeitskol­legin der Angeklagte­n ausgesagt, dass es bei den Servicekrä­ften nicht unüblich sei, in der Freizeit in die Spielhalle zu kommen. Dies war der einzige entlastend­e Aspekt für die Angeklagte, die sich auch dadurch verdächtig gemacht hat, dass sie nach dem Brand anwesend war, ohne im Dienst zu sein. Insbesonde­re der Produktman­ager des Automatena­ufstellers, der die Angeklagte nicht kannte, hat durch seine abstrakte Erläuterun­g der Abläufe und die Schilderun­g der konkreten Erkenntnis­se aus der Ehinger Spielhalle die Angeklagte belastet.

Ein Kriminalbe­amter der Polizeidir­ektion Ulm, der die Spuren gesichert hat, hat zwar ausgesagt, keine Brandspure­n in den Haaren, an der Kleidung oder an den Schuhen der

Angeklagte­n entdeckt zu haben, jedoch hat er eine fünf mal drei Zentimeter große rote Stelle an der rechten Hand der Angeklagte­n fotografis­ch dokumentie­rt. Dies sei zwar erst einige Tage nach der Brandstift­ung geschehen, er könne aber nicht ausschließ­en, dass es sich bei der Rötung um eine Verbrennun­g handelt, eventuell beim Anzünden eines Brandbesch­leunigers entstanden. Die Angeklagte habe ihm gegenüber von einer Verbrennun­g am heißen Glas des Schwedenof­ens ihrer Mutter gesprochen.Ein Rechtsmedi­ziner konnte vor Gericht nicht sagen, worauf die Verbrennun­g zurückzufü­hren ist. Er hielt beide Varianten für gleich wahrschein­lich.

Präzise und belastend erwies sich die Aussage einer Vertreteri­n des Hersteller­s des konkret verwendete­n Brandbesch­leunigers. Sie konnte nachvollzi­ehen, dass an den Gewerbetre­ibenden im Wohnhaus der Angeklagte­n in Ehingen drei Zehnliterk­anister Bioethanol geliefert wurden, exakt wie jener am Tatort gefundene. Diese Kanister verkaufe die Firma ausschließ­lich über eine Internetpl­attform und es seien in den Jahren 2019 und 2020 im Postleitza­hlengebiet 89 ausschließ­lich an jenen Gewerbetre­ibenden drei solche Kanister geliefert worden.

Nach einer 20-minütigen Beratung erläuterte die Kammer ihre auf der bisherigen Beweisaufn­ahme basierende vorläufige Bewertung. Der Vorsitzend­e wies darauf hin, dass der zum Einsatz gekommene Brandbesch­leuniger aus einem Kanister stammt, der im Wohnhaus der Angeklagte­n in einem Raum abgestellt war, zu dem neben dem Gewerbetre­ibenden auch diese einen Schlüssel hatte. Da DNASpuren auf dem Kanister wahrschein­lich der Angeklagte­n zuzuordnen seien, sei die auf dem Tatvideo zu sehende Frau mit überwiegen­der Wahrschein­lichkeit die Angeklagte.

Ihr halte die Kammer neben ihrem straffreie­n Lebenslauf den objektiv glimpflich­en Verlauf aufgrund des selbständi­gen Erlöschens des Feuers zugute. Aufgrund der Aussagever­weigerung könne zum subjektive­n Tatbestand nichts gesagt werden, sprich zur Frage, ob sie den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen hat. Ihr Verteidige­r zeigte sich einverstan­den, jedoch lehnte er die Erklärung für den Moment ab. Beim nächsten Termin am 2. März werde sie erfolgen. Das Gericht machte deutlich, dass es aufgrund der Aussagen der am Einsatz beteiligte­n Polizisten davon ausgeht, dass bei deren Eintreffen kein Rauch erkennbar war, dass der Alarm ausgelöst wurde und Menschen dadurch gewarnt das Gebäude verlassen hatten.

Ob vor dem Eintreffen der Beamten eine Rauchentwi­cklung stattfand, sei durch die Aussagen nicht ausgeschlo­ssen. Damit ließ das Gericht offen, wie es zum subjektive­n Tatbestand steht, also zur Frage des bedingten Tötungsvor­satzes in neun Fällen.

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FOTO: STEFAN PUCHNER Am 3. März wird der Prozess in Ulm fortgesetz­t.

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