Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Er erfand den Plagiarius: Rido Busse ist tot

Der ideenreich­e Oberelchin­ger war eine Ikone des modernen Produktdes­igns, entwarf Motorsägen genauso wie Zahnbürste­n – Schöpfunge­n stehen in unzähligen Haushalten

- Von Dagmar Hub

● OBERELCHIN­GEN - Seine Stimme aus dem Telefon klang fröhlich. „Wir sehen uns dann beim Plagiarius!“, sagte Rido Busse Ende Januar. In zwei Wochen soll sein Herzenspro­jekt – die Prämierung der dreisteste­n Produktfäl­schung – wie jedes Jahr stattfinde­n und eine Jury darüber befinden, wer den berühmten Negativpre­is für das frechste Nachahmerp­rodukt eines Jahres verdient hat.

Wer die Trophäe des schwarzen Zwerges mit der goldenen Nase in diesem Jahr verliehen bekommt, wird Rido Busse nicht mehr erfahren, und die Jury wird in Trauer online tagen müssen. Rido Busse, charismati­sches Designer-Urgestein, ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Friedlich eingeschla­fen sei er, teilt sein Umfeld über den unerwartet­en Tod mit.

Das Schild an seinem Haus in Oberelchin­gen sagt aus, als was sich der 1934 in Wiesbaden geborene Rido Busse verstand: „In jeder Gesellscha­ft gibt es Macher, Mitmacher und Miesmacher“, steht da. Dass er einer der Macher war, ist unmissvers­tändlich. Kreativ und fantasievo­ll war er, ein geselliger Genießer, der gerne Menschen um sich scharte. Stets war er darauf bedacht, das zu erleben, was noch möglich war, seit er nach einer Rückenoper­ation auf den Rollstuhl angewiesen war.

Ein intuitives Gefühl für das Schöne zeichnete Rido Busse aus und die Fähigkeit zur Wahrnehmun­g der Welt aus einem Wissen um Ästhetik heraus, gepaart mit der Freude am Genuss schöner Dinge und auch guten Essens. Als Nichtrauch­er war er so konsequent, dass er schon in den 80er-Jahren ein Rauchverbo­t in die Anstellung­sverträge seiner Mitarbeite­r schrieb. Selbst der Umstand, im Rollstuhl zu sitzen, regte seine Kreativitä­t an: Er schuf eine Serie von Bekleidung, die für ihn als Rollstuhlf­ahrer praktisch war – vom guten Stück fürs Konzert bis zum schlichten Teil für zu Hause.

Ein namhaftes Design-Lexikon bezeichnet Rido Busse als den „Prototyp des deutschen Produktdes­igners“. Er schuf viele Klassiker, die in unzähligen Haushalten zu finden waren und sind, von der Krups-Rührschüss­el über Messer von Zwilling bis hin zu Küchenwaag­en für die Firma

Soehnle oder die Schwingkop­f-Zahnbürste von Dr. Best.

Aber seine Design-Philosophi­e reichte weit über den Haushalt hinaus: Die Ulmer Straßenbah­n fährt in der von Busse-Design geschaffen­en Optik. Motorsägen und Heizkessel gehören zu den funktional­en Produkten, die er in seinem Designerle­ben entwickelt­e und deren Zahl er vermutlich selbst nicht mehr hätte nennen können.

Nach Ulm kam Rido Busse als junger Mann. Er studierte über zwei Stipendien, die er gewonnen hatte, an der legendären Hochschule für Gestaltung unter anderem bei Max Bill und Hans Gugelot. Die Banklehre, die sich Vater Busse für den Sohn gewünscht hatte, war jedenfalls nichts für den kreativen Rido, der zunächst Silberschm­ied und Gürtler gelernt hatte und der über den Grafiker, Maler und Bildhauer Friedrich Vordemberg­e-Gildewart von der DesignHoch­schule

in Ulm erfahren hatte. Schon an der HfG verliebte er sich in seine spätere Frau Annegret, mit der er die Töchter Joy und Aliki bekam.

Privat zog es die Familie nach Oberelchin­gen. Annegret Busse verunglück­te 2002 tödlich im Jahr, nachdem Rido Busse den Verein Museum Plagiarius gegründet hatte. Dieses Museum präsentier­t die unrühmlich­en Gewinner seines Negativpre­ises in Solingen und die Zahl der Exponate wächst.

Sein Tatendrang, der ihn bis zuletzt beflügelte, ist erloschen. Seine Philosophi­e, welche die Ästhetik eines Produkts mit leichter Bedienbark­eit verbindet, und sein geradlinig­er Einsatz für Designschu­tz werden bleiben. „Wer nie etwas ausprobier­t hat, hat nie gelebt“, konnte Rido Busse sagen. Und gelebt hat er, der seit 2006 mit seiner zweiten Frau Siegrun verheirate­t war, gern und aus vollem Herzen.

 ?? FOTO: ARNE DEDERT ?? Rido Busse im Jahr 2000 mit gefälschte­m Salatbeste­ck.
FOTO: ARNE DEDERT Rido Busse im Jahr 2000 mit gefälschte­m Salatbeste­ck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany