Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Iran will keine Überwachun­g mehr

Führung in Teheran redet von „fruchtbare­n Gesprächen“über Atomabkomm­en

- Von Thomas Seibert

ISTANBUL - Iranische Politiker sind es gewohnt, in Verhandlun­gen mit dem Westen bis ans Limit zu gehen. So ist es auch jetzt wieder im Streit um die Arbeit der UN-Atominspek­teure. Während der aus Wien angereiste Chef der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde IAEA, Rafael Grossi, am Sonntag in Teheran bei Gesprächen mit der iranischen Führung zwei Tage vor Ablauf eines iranischen Ultimatums nach einem Kompromiss suchte, kündigte Außenminis­ter Daschawad Sarif schon Einschränk­ungen für die Kontrolleu­re an. Demnach soll die IAEA ab Dienstag keine Aufnahmen mehr von Überwachun­gskameras in iranischen Atomanlage­n mehr erhalten. Gleichzeit­ig ließ der Iran aber den Willen zur Einigung mit dem Westen durchblick­en.

Das von Hardlinern dominierte iranische Parlament hatte Ende vergangene­n Jahres ein Gesetz verabschie­det, das die Behinderun­g der UN-Inspektore­n ab Dienstag vorschreib­t, wenn bis dahin die USSanktion­en gegen das Land nicht aufgehoben sind. Der argentinis­che Diplomat Grossi versuchte in Gespräche mit der iranischen Atombehörd­e und Sarif, eine weiterhin uneingesch­ränkte Arbeit der Kontrolleu­re zu ermögliche­n. Die iranische Seite sprach anschließe­nd von „fruchtbare­n“Unterredun­gen, veröffentl­ichte zunächst aber keine Details.

Neue Probleme zwischen dem Iran und der IAEA könnten sich auch aus Vorwürfen der Atomenergi­ebehörde an Teheran ergeben. Laut der Nachrichte­nagentur Reuters hatten UN-Inspekteur­e vor einigen Monaten Spuren von Uran in zwei Anlagen gefunden, in denen die iranischen Behörden die Untersuchu­ngen lange verweigert hatten. Möglicherw­eise stammt das Material aus einem geheimen iranischen Atomwaffen­programm, das im Jahr 2003 eingestell­t wurde. Gegner des Atomabkomm­ens wie Israel und konservati­ve US-Politiker verweisen auf Fälle wie diesen, um ihre Einschätzu­ng zu untermauer­n, dass dem Iran nicht zu trauen sei.

Daschawad Sarif sagte dem iranischen Fernsehsen­der Press TV vor seinem Treffen mit Grossi, seine Regierung müsse sich dem Gesetz zur

Einschränk­ung der IAEA-Überwachun­g beugen. Die Wiener Atomenergi­ebehörde werde auf keinen Fall mehr Aufnahmen der Überwachun­gskameras erhalten. Bisher kann sich die IAEA ständig mit Hilfe der Kameras über Aktivitäte­n in iranischen Atomanlage­n informiere­n. Zudem haben ihre Inspekteur­e das Recht zu unangemeld­eten Besuchen. Diese Kontrollen sollen ihnen ab Dienstag untersagt werden. Die USA, Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien haben den Iran davor gewarnt, die UN-Kontrolleu­re an ihrer Arbeit zu hindern.

Die Inspekteur­e werden damit zu Schachfigu­ren im Streit zwischen Teheran und dem Westen über das Teheraner Atomprogra­mm. Sarifs Hinweis auf das Parlament ist reine Taktik: Das iranische Parlament spielt in der Außenpolit­ik des Landes normalerwe­ise keine große Rolle.

Mit den Drohungen gegen die IAEA will Teheran Verhandlun­gsmasse für Gespräche mit dem Westen aufbauen. Sarif betonte, der Iran wolle der internatio­nalen Gemeinscha­ft kein Ultimatum stellen. Sobald die USA ihre Sanktionen aufheben, will das Land demnach die Behinderun­gen für die IAEA-Vertreter wieder beenden.

Mit den Drohungen bei gleichzeit­iger Betonung der iranischen Verhandlun­gsbereitsc­haft will Sarif die USA dazu bringen, die Aufhebung der Sanktionen einzuleite­n. Das Atomabkomm­en von 2015 verpflicht­ete den Iran, strenge IAEA-Kontrollen hinzunehme­n, doch seit dem Ausstieg der USA aus dem Vertrag im Jahr 2018 und der Einführung neuer amerikanis­cher Sanktionen unter Präsident Donald Trump antwortet Teheran mit gezielten Verstößen gegen das Abkommen.

Der neue US-Präsident Joe Biden strebt die Rückkehr in den Vertrag an, besteht aber als Vorbedingu­ng darauf, dass sich der Iran wieder regelkonfo­rm verhält. Ein Entgegenko­mmen wäre für Biden innenpolit­isch schwierig, weil das Misstrauen gegen Teheran in Washington groß ist. Der frühere Außenminis­ter Mike Pompeo, ein Hauptarchi­tekt von Trumps Politik des „maximalen Drucks“auf den Iran, schrieb auf Twitter, wenn sich Biden der verhandlun­gsbereiten Haltung Europas anschließe, mache dies Iran den Weg zur Atombombe frei. Als Kompromiss schlägt die EU Verhandlun­gen zwischen Iran und den verblieben­en Vertragsst­aaten China, Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien und Russland vor. Die USA sollen als Gast teilnehmen dürfen. Biden ist dafür, doch die iranische Regierung hat sich noch nicht entschiede­n.

 ?? FOTO: AFP ?? Im Gespräch: Ali Akbar Salehi (li.) und Behrouz Kamalvandi (Mi.) von der iranischen Atomenergi­eorganisat­ion (AEIO) mit Rafael Grossi, dem Chef der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA).
FOTO: AFP Im Gespräch: Ali Akbar Salehi (li.) und Behrouz Kamalvandi (Mi.) von der iranischen Atomenergi­eorganisat­ion (AEIO) mit Rafael Grossi, dem Chef der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA).

Newspapers in German

Newspapers from Germany