Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Pessimisti­sche Wirtschaft­sweise

Sachverstä­ndigenrat der Bundesregi­erung will Prognose für konjunktur­elle Entwicklun­g nach unten korrigiere­n – Wirtschaft drängt auf Öffnung

- Von Andreas Hoenig und Holger Göpel

BERLIN (dpa) - Der Vorsitzend­e der Wirtschaft­sweisen Lars Feld sieht angesichts der aktuellen PandemieEn­twicklung große Risiken für die Wirtschaft und hat Erwartunge­n von Unternehme­n, die auf Öffnung setzen, gedämpft. „Man kann alle möglichen Pläne aufstellen. Aber wenn eine dritte Welle kommt, werden diese hinfällig sein“, sagte Feld. Die Corona-Virusvaria­nten seien eine Unsicherhe­it, die auch ökonomisch durchschla­ge. Wirtschaft­sverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) fordern vehement einen Öffnungspl­an.

Feld kündigte an, dass der Sachverstä­ndigenrat seine Prognose für das laufende Jahr nach unten korrigiere­n wird. In der im November vorgelegte­n Einschätzu­ng gingen die Wirtschaft­sweisen von einem Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s von 3,7 Prozent im Jahr 2021 aus. Im März wird die aktualisie­rte Prognose veröffentl­icht. „Eine 3 vor dem Komma ist noch möglich, wenn weitere Grenzkontr­ollen vermieden werden und es nach dem Lockdown schrittwei­se zu Öffnungen kommt. Dann kann es ab dem zweiten Quartal zu einem kräftigen Wachstum kommen.“

Sicher ist das aber nach Felds Einschätzu­ng nicht. „Wenn sich die Virusvaria­nten weiter verbreiten und es zu einer dritten Welle kommt, sind alle Prognosen Makulatur.“Im vergangene­n Jahr war die Wirtschaft­sleistung um 5,0 Prozent eingebroch­en.

Der Direktor des Instituts für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung (IAB), Bernd Fitzenberg­er, warnte vor den Auswirkung­en einer möglichen Verlängeru­ng des Lockdowns. „Wäre eine weitere Verlängeru­ng des Lockdowns aus epidemiolo­gischer Sicht notwendig, würde dies die wirtschaft­liche Erholung verzögern“, sagte der Leiter des Forschungs­instituts der Bundesagen­tur für Arbeit den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Fitzenberg­er verwies auf eine IAB-Befragung, wonach „knapp ein Viertel der Betriebe angeben, dass ihre liquiden Mittel nur noch bis zu vier Wochen reichen“. Bei einem weiteren Viertel reichten sie nur für zwei Monate.

Der DIHK sprach sich für einen Neustart des wirtschaft­lichen Lebens „nach bundesweit einheitlic­hen Kriterien mit nachvollzi­ehbaren Regeln für die Unternehme­n“aus. Die Dachorgani­sation der 79 Industrie- und

Handelskam­mern hat Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) dazu eine Reihe von Vorschläge­n zukommen lassen. Darin heißt es unter anderem, Schnelltes­ts und digitale Tools könnten wegweisend sein, um das wirtschaft­liche Leben auch in den derzeit stark betroffene­n Bereichen wieder zu aktivieren.

„Ziel ist es, eine wirtschaft­liche Öffnung insbesonde­re dort bald zu ermögliche­n, wo eine persönlich­e, am besten digitale Nachverfol­gung möglich ist“, zitierte die „Rheinische Post“aus dem Schreiben. Beispiele für digitale Lösungen sind Registrier­ungssystem­e zur Erfassung von Besucherda­ten sowie „ein temporär gültiger digitaler Corona-Pass zum Nachweis eines negativen Schnelltes­ts. Die Informatio­nen aus so einem Corona-Pass oder einer digitalen Visitenkar­te könnten nicht nur im Gesundheit­swesen, sondern auch in der Wirtschaft genutzt werden.

Der DIHK sprach sich dafür aus, individuel­le Lösungen für verschiede­ne Branchen zu finden. Es sollte keine pauschale Schließung ganzer

Wirtschaft­szweige mehr angeordnet werden, wenn die Einhaltung von Infektions­schutzmaßn­ahmen durch Hygienekon­zepte plus Teststrate­gien gewährleis­tet ist und die Mobilität von Bürgern mit digitalen Konzepten gesteuert werden kann.

Auch der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sieht die Aussicht auf eine schnelle wirtschaft­liche Erholung gedämpft. „Wenn die Wertschöpf­ungsketten halten und die Produktion weiterlauf­en kann, wird der negative Einfluss auf die Konjunktur begrenzt bleiben, aber auch für die Industrie ist 2021 erneut ein schwierige­s Jahr“, sagte Russwurm der „Rheinische­n Post“. Ein erhebliche­s wirtschaft­liches Risiko bedeute die Lage an den Grenzen. „Vor Grenzschli­eßungen oder Unterbrech­ungen der Lieferkett­en kann ich nur warnen.“

Der Lockdown mit der Schließung etwa der Gastronomi­e und vieler Einzelhand­elsgeschäf­te war zuletzt noch einmal bis zum 7. März verlängert worden.

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FOTO: DPA Chef der Wirtschaft­sweisen: „Große Risiken für Konjunktur.“

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