Landjugend nimmt Kandidaten unter die Lupe
Landtagskandidaten für den Wahlkreis stellen sich bei der regionalen Jugendkonferenz im Alb-Donau-Kreis vor
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EHINGEN - Die Landtagskandidaten für den Wahlkreis Ehingen haben sich am Sonntag in einer von der Landjugend ausgerichteten Videokonferenz vorgestellt. Robert Jungwirth (Grüne), Manuel Hagel (CDU), Alex Kübek-Fill (SPD), Uli Walter (FDP) und David Rizzotto (Die Linke) haben zu den Themenkomplexen Wohnen auf dem Land, Mobilität, Klima sowie Landwirtschaft Rede und Antwort gestanden. Trotz erteilter Zusage ist der Kandidat der AfD, Eugen Ciresa, nicht aufgetreten. Rund 45 Teilnehmer verfolgten das virtuelle Treffen.
Wohnen
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Beim Thema Wohnen auf dem Land ging es unter anderem um die Frage, wie viele der heute 15- bis 25Jährigen in zehn oder 15 Jahren Wohneigentum haben werden. Alex KübekFill vermutet, dass es 30 bis 40 Prozent sind. Er nennt die begrenzte Anzahl an Baugebieten und Bauplätzen als Problem und fordert bezahlbaren Wohnraum durch ein neues Konzept mit kleineren und kompakteren Wohneinheiten.
Manuel Hagel glaubt an einen höheren Anteil und nennt die Zahl 90 Prozent. Er setzt auf innerörtliche Nachverdichtung, den Bau in die Höhe und den Bau mit Holz. Er möchte Gemeinden weiterhin zum Erschließen neuer Wohngebiete am Ortsrand ermutigen, „wer im Ort arbeitet, muss am Ort bauen können“. Dazu möchte er einen neuen Rechtskreis in die Landesbauordnung aufnehmen, in dem der soziale Aspekt der dörflichen Gemeinschaft zum Tragen kommt.
Für Robert Jungwirth sind Wiederbelebung der Ortskerne und Sanierung wichtig. Dabei spricht er landwirtschaftliche Anwesen an, deren Ställe seit langem ungenutzt sind, und erwähnt die von den Grünen initiierte Änderung der Landesbauordnung, nach der emissionsrechtlicher Bestandsschutz nach sechs Jahren endet, bis zu vier Jahre verlängerbar. Er geht später von 30 bis 40 Prozent Wohneigentum bei den jetzigen Jugendlichen aus, und davon, dass Wohnungen frei werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in kleinere Einheiten ziehen.
Uli Walter glaubt, mindestens 80 Prozent der Jugendlichen wohnen später in Wohneigentum. Auch er kritisiert viele Leerstände in Ortskernen und die Einschränkung von Ersatzneubauten durch Vorschriften. Er fordert eine Entbürokratisierung, angefangen auf EU-Ebene bis zur Reduzierung beim Gewässerschutz, und spricht von „Vermessungsorgien“, die den Wohnungsbau behinderten.
Sozialer Wohnraum ist für David Rizzotto ein wichtiges Element zum Thema Wohnen auf dem Land. Er geht davon aus, dass 25 bis 30 Prozent der Jugendlichen später Wohneigentum haben. Den Baustoff Holz hält er für zukunftsträchtig, da mit ihm platzsparend und ökologisch nachhaltig gebaut werden könne. Er möchte die Umnutzung von Scheunen und Spekulationsobjekten in Wohnungen verstärken.
Mobilität
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Bei der Mobilität spricht sich David Rizzotto für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 Stundenkilometer innerorts und 80 Stundenkilometer außerorts aus. Er plädiert für autofreie Innenstädte und sagt: „Weniger Autos bedeuten Umweltschutz.“Für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fordert er eine bessere Taktung, die auch morgens und abends im Berufsverkehr die Nutzung attraktiv macht. Zudem möchte er kleine Geschäfte erhalten und sieht darin eine Maßnahme zur Verkürzung der Wege. Ferner nennt er Elektromobilität bei Autos für wünschenswert, Wasserstoff für Lastwagen sowie die Elektrifizierung von Bahnstrecken.
Einen getakteten ÖPNV hält Uli Walter für eine Erfindung von Städtern, die auf dem Land nicht funktioniere. „Die Schiene löst das Problem auf dem Land nicht“, so Walter. Dort sei das Auto auch in Zukunft notwendig. Man müsse neue Techniken nutzen. Der Elektroantrieb sei dabei nur eine Variante, er favorisiert synthetisch hergestellten Kraftstoff. Den ÖPNV könne man durch Ruftaxen ergänzen.
Robert Jungwirth hält eine ökologische Verkehrswende für notwendig, durch die 2030 um 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß aus dem Straßenverkehr resultiert. Man müsse anstreben, ein Drittel weniger Strecken mit dem Auto zurückzulegen, zugunsten der Nutzung des nicht motorisierten Verkehrs
LANDTAGSWAHLEN BADENWÜRTTEMBERG 2021 gut
wie Fahrrad- und Fußverkehr. „Ohne Auto ist Mobilität nicht machbar“, davon ist auch er überzeugt. Aber durch eine bessere Taktung im ÖPNV in der Stadt mit einer Verbindung aufs Land könne man vieles verbessern. „Die meisten Wege sind kürzer als fünf Kilometer. Bis zu einer Entfernung von vier Kilometern ist das Fahrrad das schnellste Verkehrsmittel. Ich fahre fast täglich mit dem Fahrrad 13 Kilometer zur Arbeit nach Ulm“, so Jungwirth, der das E-Auto und Wasserstoff für Lastwagen favorisiert.
„Die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen“, fordert Manuel Hagel. „Wir brauchen eine Vernetzung von Auto, Schiene und Fahrrad“, ist er überzeugt. Entlang von Landstraßen möchte er den Bau von Radwegen fördern, dazu an Gemarkungsgrenzen Lücken im Radwegenetz schließen. „Der Verbrennungsmotor ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung“, sagt er und forderte auch für Autos eine Wasserstoffstrategie.
Radwege hält Alex Kübek-Fill für den Freizeitbereich für sinnvoll, nicht für den Weg zur Arbeit oder den Einkauf. Den ÖPNV hält er für wichtig und kritisiert, dass zum Beispiel sein Heimatort von der Bahn abgehängt wurde. 365 Euro-Tickets hält er für wichtig, also Jahreskarten für Schüler und Auszubildende. Kritisch sieht er die Verlegung des Transportverkehrs aufs Land, um Maut zu sparen, da müsse eine Regulierung her.
Klimaschutz
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Beim Klimaschutz spricht sich Kübek-Fill für nachhaltigeres Bauen aus, und er sieht Holz und Beton als gleichwertig an. „Wir haben nicht 5 vor 12, wir haben 12“, sagt er und ergänzt: „Jetzt muss gehandelt werden.“Plastikflaschen seien nicht nachhaltig, mehr Bus und Schiene fördere den Klimaschutz.
Auf Einwurf eines Teilnehmers, die CDU sei seit Jahrzehnten im Land in der Regierungsverantwortung und daher verantwortlich für die aktuelle Situation, räumte Manuel Hagel Fehler seiner Partei in der Vergangenheit ein. Er nannte die Bewahrung der Schöpfung zugehörig zu einer christlichen Partei und sagte: „Wir brauchen in Zukunft mehr Engagement.“Dabei verwies er auf den CO2-Ausstoß in Deutschland, der zwei Prozent des weltweiten Aufkommens ausmache, bei nur einem Prozent Anteil an der Weltbevölkerung. „Global denken, regional handeln“, so seine Devise. Bauen mit Holz gehöre hierzu, ebenso der Ausbau der Windkraft und Photovoltaik auf versiegelten Flächen und Dächern, nicht auf Freiflächen. Wegen der Baukosten habe die CDU auf eine Pflicht zur Errichtung von Photovoltaikanlagen beim privaten Wohnungsbau verzichtet.
Für die FDP sei Klima ein globales, die Luftreinhaltung ein regionales Thema, sagt Uli Walter. Im Südwesten gebe es sieben Zementkraftwerke, die für 40 Prozent der CO2-Belastung im Land verantwortlich seien. 30 Prozent entfielen auf den Straßenverkehr. Die CO2-Last müsse man in synthetischen Kraftstoff umwandeln, verbunden mit einem Technologietransfer in Schwellenländer. Das Forcieren der E-Mobilität schätzt er als einseitig ein, da dadurch der Stromverbrauch stark ansteige. Daher fordert er den Beibehalt des Verbrennungsmotors mit moderner Technik.
„Eine bessere Taktung des ÖPNV mit mehr Anbindung bringt mehr Akzeptanz“, sagt David Rizzotto. Den Verzicht auf das Auto hält auch er nicht für realistisch, spricht sich jedoch für das 365 Euro-Ticket beziehungsweise für kostenlosen ÖPNV aus. Er verweist auf eine moderne Landwirtschaft wie in Holland und sagt, dass große Konzerne für 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich seien. Wasserkraft, Windkraft, elektrisch betriebene Autos und Wasserstoff für Lastwagen nennt er als Problemlösungen.
Robert Jungwirth plädiert für den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft,
auch im Staatswald, wo Abstandsregeln kein Problem seien. Er hält eine Photovoltaikpflicht auch bei privatem Wohnungsbau für sinnvoll, da innerhalb von fünf bis sieben Jahren eine Amortisierung stattfinde. Landwirtschaft und Verkehr müssten reformiert werden, Schiene und Bauen mit Holz seien richtig. Uli Walter warf ein, dass Windkrafträder Schredderanlagen für Greifvögel seien. Dem entgegnete Robert Jungwirth mit dem Argument, Greifvögel lernten, um die Anlagen herumzufliegen, es gebe mehr Rotmilane als je zuvor.
Landwirtschaft
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Beim Thema Landwirtschaft wünscht sich Alex Kübek-Fill die Förderung kleiner Betriebe und die Abschaffung bürokratischer Hürden, „nachhaltiger, ökologischer Anbau mit weniger Pestiziden“.
„Ich komme väterlicherseits aus der Landwirtschaft und bin mit der aktuellen Situation zufrieden“, sagt Uli Walter, plädiert aber für Bürokratieabbau. Er sei gegen die Subvention der Großbetriebe, überhaupt gegen Planwirtschaft.
Der Ertrag bei Biolandwirtschaft sei zwar um 20 Prozent geringer als beim konventionellen Anbau. Jedoch würden 70 Prozent der Lebensmittelproduktion an Tiere verfüttert, kritisiert Robert Jungwirth. Die Reduzierung des Fleischkonsums sei nicht nur gesund, sondern zudem eine Kompensation des geringeren Ertrags, außerdem sei der biologische Landbau ein Plus für die Biodiversität und verbessere den Humusaufbau und die Wasserbindungskapazität.
Manuel Hagel ärgert sich über das „Herumhacken auf den konventionellen Landwirten“und spricht sich für ihre Daseinsberechtigung aus mit dem Argument, dass nirgendwo bessere Lebensmittel hergestellt würden als in Baden-Württemberg.
David Rizzotto ist gegen den Import von Billigfleisch aus dem Ausland, das unter schlechteren Standards produziert wird.