„Ausbau in Ungarn ist erforderlich“
- Bis zu 1400 Stellen will der Flugzeugausstatter Diehl Aviation wegen der Krise der Luftfahrtindustrie an den deutschen Standorten streichen, davon mehr als 600 in Laupheim. Seit Donnerstag verhandeln Konzernleitung, Konzernbetriebsrat und IG Metall über den geplanten Personalabbau. Für Empörung in der Belegschaft sorgen im Vorfeld bekannt gewordene Informationen, wonach Diehl sein Werk in der ungarischen Stadt Nyírbátor erweitern und zusätzliche Arbeitspakete dorthin verlagern will.
Als die Unterhändler am Donnerstag in Laupheim zusammenkamen, wurden sie von rund 250 DiehlMitarbeitern empfangen. „Faire und transparente Verhandlungen“forderten die Beschäftigten auf Spruchbannern, und eine Zukunftsperspektive. „Das war eine spontane Aktion“, berichtet Dieter Kramer, Betriebsratsvorsitzender von Diehl Aviation Laupheim und im Teilkonzern der Diehl-Gruppe. Eine Aktion, die unterstreiche: „Die Kolleginnen und Kollegen stehen hinter uns und sind bereit, für unseren Standort zu kämpfen.“Kramer erwartet ein hartes Ringen.
„Unsere Vorstellungen und die der Arbeitgeberseite liegen weit auseinander“, verdeutlichte Petra Wassermann, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ulm, bei einem Pressegespräch am Freitag. Diehl Aviation wolle das Stammpersonal in Deutschland bis März 2022 um ein Drittel reduzieren. 620 Stellen sollen in Laupheim wegfallen – von den im November angekündigten Maßnahmen „wird nichts zurückgenommen“. Diese Zahlen könne man unmöglich akzeptieren. Überdies seien im vergangenen Jahr in Laupheim bereits rund 350 Leiharbeitskräfte entlassen und Dutzende befristete Arbeitsverhältnisse nicht verlängert worden – „das heißt, 400 Menschen sind schon weg“. 70 befristete Verträge laufen diesen Sommer aus...
Konzernbetriebsrat und Gewerkschaft wollen erreichen, dass weniger Stellen gestrichen werden als vorgesehen, und dass mehr Zeit dafür bleibt. Dieter Kramer und Petra Wassermann fordern einen Korridor bis Ende 2023, damit der Personalabbau möglichst sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen gestaltet werden kann. Um das zu erreichen, wolle man alle verfügbaren Instrumente nutzen; dazu zählten tarifliche Mittel wie etwa eine Absenkung der Arbeitszeit. 2023 werde man eher einschätzen können, welche Entwicklung die Luftfahrtindustrie nimmt, sagt Kramer –
Seit fast zehn Jahren betreibt Diehl Aviation den Produktionsstandort Nyírbátor in Ungarn. Die Belegschaft ist nach Angaben des Laupheimer Betriebsrats in dieser Zeit auf rund 750 Köpfe angewachsen. „Bei wieder zunehmender Nachfrage in einigen Jahren wird die aktuelle Kapazität in Ungarn nicht ausreichend sein“, erklärte die Chefetage von Diehl Aviation am Freitag auf Anfrage der SZ. Das liege insbesondere an zwei neu hinzukommenden Arbeits-paketen,
„momentan gleichen Prognosen dem Blick in die Glaskugel“.
Auch ein zusammen mit der IG Metall und dem Stuttgarter imo-Institut ausgearbeitetes Zukunftskonzept wollen die Betriebsräte als Baustein in die Verhandlungen einbringen. „Es handelt von Perspektiven und wie sich Diehl Aviation aufstellen sollte, um die Arbeitsplätze langfristig zu erhalten“, sagt Kramer. Er betont: „Wir haben diese Initiative vor der CoronaPandemie gestartet. Bereits 2018/2019 zeichnete sich ein Sinkflug in unserer Branche ab.“In dem Konzept gehe es zum Beispiel um die Erfordernis, Arbeitsabläufe zu optimieren, und den Versuch, in anderen Branchen Fuß deren Vergabe an Nyírbátor bereits mit den Sozialpartnern abgestimmt sei. Eines dieser Pakete übernehme man von einem Zulieferer aus Rumänien, aus logistischen Gründen könne es optimal in Ungarn angesiedelt werden. „Ein Ausbau von Nyírbátor ist auch ohne Verlegung von Laup-heimer Arbeitspaketen erforderlich und daher unabhängig von den laufenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern zur Restrukturierung“, erklärte die Unternehmensleitung.
„Die Kolleginnen und Kollegen sind bereit, für unseren Standort zu kämpfen.“Dieter Kramer, Betriebsratsvorsitzender
zu fassen, etwa mit einer Teilefertigung für die Hersteller von Wohnmobilen, Bussen oder Eisenbahnwaggons. Und um die notwendige Balance zwischen den deutschen Standorten von Diehl Aviation und Verlagerungen ins Ausland.
Ebendiese Balance sehen Betriebsrat und Gewerkschaft massiv gefährdet. Vor wenigen Tagen habe man auf inoffiziellem Weg erfahren, dass die Konzernleitung den Standort der ungarischen Tochterfirma von Diehl Aviation Laupheim in Nyírbátor erweitern will. „Dort stehen heute zwei Hallen, von denen eine nur zum Teil ausgelastet ist“, schildert Petra Wassermann. Trotzdem solle jetzt mit einer Investition