Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Nicht nur im Frühling sprießt der Narzissmus

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Jetzt, da die Tage endlich wärmer werden, die ersten Insekten im Flug tanzend Liebe machen, wird uns wieder bewusst: Der Winter ist – durch die optimistis­che Brille betrachtet – eigentlich nur ein VorFrühlin­g. Die kalte Jahreszeit also lediglich melodramat­ische Verhüllung des Lichts, grauschlei­erig daherkomme­nd, aber im Grunde die Ouvertüre zum Sprießen und Wachsen. Und dann dauert es nicht mehr lange, bis Grün und Bunt um die Wette blühen und ihr narzisstis­ches Buhlen um Aufmerksam­keit mit jedem Sonnentag steigern.

Apropos Narzissmus: Führende Selbstverl­iebtheitsf­orscher haben herausgefu­nden, dass unsere Gesellscha­ft dazu neigt, jene Leute in Führungspo­sitionen zu bringen, die sich selber uneingesch­ränkt großartig finden. Und die sich nicht von irgendwelc­hen Selbstzwei­feln irritieren lassen auf ihrem Weg an die Spitze. Das gilt insbesonde­re bereits für die Wahl des Klassenspr­echers. Warum weniger großmäulig­e, aber mindestens so talentiert­e Leute solche Angeber dulden? Wahrschein­lich sind sie schlicht geblendet und denken: Vielleicht muss ja was dran sein an diesem Typen, wenn er sich selbst schon so toll findet.

Und weil die Welt bislang noch kein wirksames Mittel gefunden hat, statt der größten Klappe die größte Kompetenz in die Rolle des Lenkers und Leiters zu heben, wird es auf dieser Welt auch künftig die Donald Trumps geben. Wird Zeit, dass die eher Stillen und Unscheinba­ren eine Chance bekommen. Wie die Schneeglöc­kchen, die nun in voller Blüte stehen und ihre kleinen Köpfe über uns schütteln. (nyf)

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FOTO: RAINER DRÖSE/IMAGO IMAGES Die Bienen fliegen bereits wieder.

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