Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ältere Lehrer fühlen sich diskrimini­ert

Einer von hundert Pädagogen im Südwesten ist zu alt für den Astra-Zeneca-Impfstoff

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Nicht alle Lehrer in Baden-Württember­g können sich nun impfen lassen. Denn für Lehrkräfte und Kita-Personal steht ausschließ­lich der Impfstoff von AstraZenec­a zur Verfügung, wie Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag verkündet hat. Wegen mangelnder Studiendat­en für Ältere ist das Serum aber nur für Menschen bis einschließ­lich 64 Jahren zugelassen. Ältere Lehrer müssen also warten – und fühlen sich dadurch diskrimini­ert.

Christine Rapp ist eine engagierte Lehrerin. Unter anderem hat sie mit Schwerpunk­t Deutsch als Fremdsprac­he am Berufsschu­lzentrum in Wangen im Allgäu seit 2015 Flüchtling­sklassen unterricht­et – und zwar über das Pensionsal­ter hinaus. Mit ihren 67 Jahren gibt sie aktuell Schülern mit Migrations­hintergrun­d, die bald das Abitur oder die Mittlere Reife ablegen, Förderunte­rricht in Deutsch. Gedankt werde ihr der Einsatz fürs Gemeinwohl nicht, schreibt sie in einer E-Mail an die „Schwäbisch­e Zeitung“. „Ich fühle mich diskrimini­ert und missbrauch­t!“Ihre jüngeren Kollegen können sich impfen lassen, für den Astra-ZenecaImpf­stoff ist sie aber zu alt.

Christine Rapp ist kein Einzelfall. Von den 117 000 Lehrkräfte­n an allgemeine­n und berufliche­n Schulen im Land sind laut Kultusmini­sterium 1160 mindestens 65 Jahre alt. Was das für den startenden Präsenzunt­erricht bedeuten könnte, hat Peter Lehle am Dienstag in einem Brief ans Sozialmini­sterium dargelegt. Darin schreibt der Leiter des Berufsschu­lzentrums

Ellwangen: „Auch unsere älteren Kollegen brauchen ein Impfangebo­t, und zwar jetzt.“Würden sie ausgeschlo­ssen, komme es einer Aufforderu­ng gleich, sich beim Arzt eine Bescheinig­ung wegen eines besonderen Risikos einzuholen. „Damit sind diese Personen dann für den Präsenzunt­erricht verloren – alleine an dieser Schule beträfe das sofort deutlich über 100 Unterricht­sstunden wöchentlic­h und darüber hinaus auch andere Aufgaben.“Im schlimmste­n Fall würden die Lehrkräfte arbeitsunf­ähig geschriebe­n. „Damit fallen diese Unterricht­sstunden entweder ganz aus oder sie müssen von anderen Kolleginne­n und Kollegen aufgefange­n werden, die im Moment mit dem Wechsel zwischen eigener Präsenz und Fernlernan­gebot eh schon gut zu arbeiten haben.“

Auch die Lehrerverb­ände kritisiere­n die Ungleichbe­handlung. Gerhard Brand, Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung, lobt Minister Lucha (Grüne) zwar dafür, dass entgegen der Bundesrege­lung im Südwesten nicht nur Lehrer an Grund- und Förderschu­len, sondern aller Schularten geimpft werden – im Gegensatz etwa auch zu Bayern. Aber die älteren Kollegen seien besonders schutzbedü­rftig. „Das Land muss für diese Lehrkräfte eine Sonderrege­lung finden.“Das betont auch Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) und fordert daher, „dass der Sozialmini­ster für diese Lehrkräfte eine entspreche­nde Lösung findet.“

Machen hier die CDU-Kultusmini­sterin und der Grünen-Sozialmini­ster Wahlkampf auf dem Rücken der Lehrkräfte? Diese Frage stellt derweil Monika Stein, Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft. Sie fordert die beiden Minister zu einer schnellen Klärung auf. „Es ist absurd, wenn Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann darum wirbt, dass aufgrund des Lehrermang­els Lehrkräfte länger arbeiten, diese aber jetzt beim Impfen vergessen werden.“

„Das Problem sehen wir“, erklärt ein Sprecher Luchas. Aber: „Laut Impfverord­nung dürfen keine über 64-Jährigen mit Astra-Zeneca geimpft werden.“Die Ständige Impfkommis­sion hat die über 80-Jährigen an höchster Stelle priorisier­t, weil für sie die Bedrohung durch das Coronaviru­s am größten ist. 100 000 über 80Jährige im Südwesten warteten auf eine Impfung mit einem Serum von Biontech oder Moderne, das für Ältere zugelassen ist. Lehrer diesen Menschen vorzuziehe­n sei nicht angedacht, erklärt der Sprecher. „Aber wir sind mit dem Bund in Gesprächen, um eine Lösung zu finden.“

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FOTO: THOMAS KIENZLE/AFP Für Lehrer gibt es nur den Impfstoff von Astra-Zeneca.

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