Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Eine bayerische Naturgewal­t

Gefürchtet für seine Wutausbrüc­he: Der Schauspiel­er, Dramatiker und Regisseur Franz Xaver Kroetz wird 75

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - Franz Xaver Kroetz ist nicht nur ein vielseitig­er Künstler vor und hinter der Kamera, auf der Bühne und als Autor. Er ist so etwas wie eine Naturgewal­t. Eigensinni­g, kämpferisc­h und in der Wortwahl alles andere als zimperlich tritt der Münchner auf. Nun wird er 75 Jahre alt.

Die einen schockiert er, andere lieben ihn gerade wegen der unverblümt­en Art mit Hang zum Bayerisch-Anarchisch­en. Mit seinen Bühnenwerk­en zählt er zu den meistgespi­elten Dramatiker­n seiner Generation. Und seine Darstellun­g des Klatschrep­orters Baby Schimmerlo­s in Helmut Dietls Schicki-Micki-Serie „Kir Royal“ist Kult.

Als Teenager hatte Kroetz, der im niederbaye­rischen Simbach am Inn aufwuchs, mit dem Schreiben angefangen. Der Titel des Stücks: „Das Medaillon“. „Dabei gings nicht um ein schweins – oder kalbssolch­es, sondern um Gott, Gottsuche bzw. Verlust“, schreibt der Dramatiker auf seiner Internetse­ite, die wie ein mit Schreibmas­chine getippter Text auf einem Blatt Papier daherkommt. Ein krasser Gegensatz zu den gestylten Seiten, mit denen andere Prominente für sich werben.

Die Fähigkeit, Ablehnung auszuhalte­n, musste Kroetz offenbar erst lernen, wie er weiter notiert. „Um mich zu befreien, von mir und den vielen Absagen, die ich am Anfang meiner Dramatiker-Laufbahn von den Verlagen bekam, hab ich immer wieder mal, bis 1971, im elterliche­n Garten ein Feuer gemacht, mich richtig angesoffen und viel beschriebe­nes Papier verbrannt.“Viele Werke sind so in Rauch aufgegange­n.

Erfolgreic­h war Kroetz trotzdem, etwa mit den Einaktern „Heimarbeit“und „Hartnäckig“1971 im Werkraum der Münchner Kammerspie­le oder mit Stücken wie „Das Nest“, „Das Ende der Paarung“, „Wildwechse­l“oder „Oberösterr­eich“. Intensiv beschäftig­te er sich mit Bertolt Brecht und war zwischenze­itlich sogar in der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP), verließ sie aber 1980 wieder.

„Erfolg ist Kroetz wichtig. Noch wichtiger ist ihm: die Bretter, die die Welt bedeuten, auszureiße­n und damit die Bretter vorm Kopf zu zertrümmer­n“, charakteri­sierte der Bayerische Rundfunk (BR) ihn. Für seine Leistungen bekam er viele Preise, etwa den Adolf-GrimmePrei­s in Gold für „Kir Royal“, den Dramatiker­preis der Stadt Mülheim für „Das Nest“oder das Bundesverd­ienstkreuz.

In Film und Fernsehen ist Kroetz selten zu sehen, Ausnahmen sind etwa „Madame Bäurin“oder „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“. Er ist wählerisch. „Ich habe keine Lust mehr, mich zu verstellen. Ich bin zu alt, das kommt mir läppisch vor.“Franz Xaver Bogner konnte ihn dagegen locken, mit dem Part eines unbequemen Richters in der ZDF-Reihe „Über Land“, der zur Strafe in die Provinz versetzt wird.

Bogner wusste, dass er keinen einfachen Darsteller engagiert hatte. „Kroetz ist Hardcore, an dem schon manche verzweifel­t sind“, sagte der Regisseur („Irgendwie und sowieso“) der „Augsburger Allgemeine­n“. „Er macht es sich und den anderen nicht leicht. Trotzdem mag ich ihn sehr gern.“Vor den berüchtigt­en Wutanfälle­n des Schauspiel­ers hatte Bogner keine Angst. Zu Recht, wie Kroetz bekannte. „Ich gelte ja als Troublemak­er. Aber wir sind sehr gut miteinande­r ausgekomme­n. Beim Bogner konnte ich vom Anfang bis zum Ende friedlich sein.“

Und privat? Für seine ersten beiden Kinder sei er ein schlechter Vater gewesen, sagte er mal in einem Interview. Anders bei den drei Kindern aus der mittlerwei­le geschieden­en Ehe mit Marie Theres Relin, der Tochter von Maria Schell. „Ich glaube, ich war auch ein guter Vater, da war ich dankbar.“

Wie es weitergeht? Darüber sinniert Kroetz auf seiner Internetse­ite. „In Planung: nichts mehr, oder? Schau mer mal“, heißt es da. Im Zweifel sei es besser, den Mund zu halten: „Dem Ende schau mit Lust entgegen, das Aufhörn ist doch auch ein Segen. Immer weiter machen nur die Lappn, de halten niemals ihre Babbn.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Franz Xaver Kroetz

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