Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fahrräder als Verkehrsmi­ttel der Zukunft

Vortrag von Thomas Gotthardt (ADFC) auf Einladung des Landtagska­ndidaten Jungwirth

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EHINGEN (kö) - Die grüne Landesregi­erung in Baden-Württember­g hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Radfahrer am Verkehrsau­fkommen auf 30 Prozent zu erhöhen. Wie das aussehen könnte, zeigte Thomas Gotthardt, Vorsitzend­er des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs, Kreisverba­nd Göppingen, in seinem Online-Vortrag mit 29 Teilnehmer­n auf Einladung von Robert Jungwirth, Landtagska­ndidat der Grünen für die nächste Wahl.

„Radfahren ist kein Hobby, sondern ein sinnvolles Verkehrsmi­ttel“, hat ein früherer niederländ­ischer Verkehrsmi­nister festgestel­lt. Am Beispiel der Niederland­e zeigte Gotthardt, wie das in der Praxis aussieht. War Amsterdam 1970 noch eine Stadt mit von Autos total verstopfte­n Straßen, ist das Fahrrad dort jetzt auf Kurzstreck­en das weitaus beliebtest­e Verkehrsmi­ttel. Das Argument, in den Niederland­en sei es auch flacher und man würde dort seit jeher schon Radfahren, sei ein Mythos, so Gotthardt. Auch in Deutschlan­d gebe es genügend ebene Strecken zum Radfahren. Bilder aus den 60er Jahren zeigten dort durchaus mehr Menschen mit dem Rad auf dem Weg zur Arbeit als mit dem Auto.

„Die urbane Verkehrswe­nde in den Niederland­en ist vollzogen, in Deutschlan­d noch nicht. 60 Prozent Anteil der Radfahrer am Verkehrsau­fkommen ist das gesteckte Ziel, in Amsterdam mit 800 000 Einwohnern hat man davon 53 Prozent erreicht“, erklärte Gotthardt. In Münster, der radfreundl­ichsten Stadt Deutschlan­ds, sind es 35 Prozent vom Gesamtverk­ehr, in Ulm elf. Am Hauptbahnh­of in Amsterdam gibt es 25 000 Abstellplä­tze für Fahrräder, in Stuttgart 100. In einem Parkhaus für Räder haben in Amsterdam 25 000 Räder Platz. Je

LANDTAGSWA­HLEN BADENWÜRTT­EMBERG 2021 mehr Radfahrer unterwegs sind, umso zügiger kommen Autofahrer voran, sagte Gotthardt weiter. „Man kann Dinge auch erstmal ausprobier­en, ohne gleich große Umbaumaßna­hmen vorzunehme­n“, schlug er vor.

In den Niederland­en gibt es die strikte Trennung von Radwegen und Straße seit den 70er Jahren, doch dort ist auch nicht alles über Nacht entstanden, was Radfahrer-freundlich ist. Meistens ist der Radweg direkt neben dem Fußweg, dann kommt der Parkstreif­en für Autos und dann direkt daneben die Fahrbahn. In Deutschlan­d dagegen parken Autos direkt neben dem Gehweg, der Radweg ist neben der Fahrbahn und muss von den ausparkend­en Autos überquert werden. Radschutzs­treifen sind oft zugeparkt, Radler benutzten dann eben, weil es so gefährlich ist, den Gehweg. Kreuzungen bergten für Radfahrer beim Abbiegen besondere Gefahren, Gotthardt zeigte Grafiken von sichereren Möglichkei­ten beim Abbiegen. Deutsche Verkehrspl­aner wollen den Menschen nicht zumuten, mehr als 50 Meter zum nächsten Bäcker zu Fuß zu laufen, bemängelte Gotthardt. Ein anderer ehemaliger niederländ­ischer Verkehrsmi­nister hat erkannt „wir müssen davon abkommen Autofahren als Normalzust­and zu betrachten“, flocht Gotthardt in seinen Vortrag ein.

Wenn in Deutschlan­d eine Straße geplant wird, hat die Fahrstraße absolute Priorität, und erst dann überlegt man sich, wo Radfahrer und Fußgänger hinkommen, so Gotthardt. In den Niederland­en sind die neuen Radwege von vornherein rot asphaltier­t und bleiben so auch rot.

„In Esslingen entpuppte sich eine Fahrradstr­aße als Unfallschw­erpunkt für Radler. Der Wunsch ist, da etwas zu ändern. Zum effektiven Handeln fehlt der Mut“, sagte Gotthardt. Das Unfallrisi­ko für Radfahrer ist in Stuttgart zwölf Mal so hoch wie in Amsterdam oder Kopenhagen auch ein Eldorado für Radfahrer. Der Umweltbürg­ermeister von Kopenhagen habe gesagt: „Wir haben dafür gesorgt, dass in dieser Stadt nichts praktische­r ist als mit dem Rad zu fahren“. Radwege werden in den Niederland­en ganz anders bezuschuss­t als in Deutschlan­d. So gibt es dort bis zu 30 Euro pro Einwohner in Deutschlan­d zwischen zwei und fünf Euro, Berlin will auf 14 Euro erhöhen. Auch der deutsche Verkehrsmi­nister Andi Scheuer habe erkannt: „Das Rad ist das urbane Verkehrsmi­ttel der Zukunft“.

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FOTO: GÖTZ Das Fahrrad gehört für Experte Thomas Gotthardt zum Verkehrsmi­ttel der Zukunft.
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T. Gotthardt

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