Letzte Ruhe im Einklang mit der Natur
In Oberdischingen soll es bald einen Ruhewald geben
● OBERDISCHINGEN - Die letzte Ruhestätte in naturbelassener Umgebung im Wald: Diese Möglichkeit soll es bald im Gewann Häldele in Oberdischingen geben. Entsprechende Pläne von Waldbesitzer Christoph Graf Leutrum von Ertingen in Zusammenarbeit mit zwei Bestattungsinstituten hat der Gemeinderat am Dienstag einstimmig befürwortet. Im nächsten Schritt beantragt die Verwaltung die Genehmigung bei der unteren Verwaltungsbehörde.
„Ein Bestattungswald bietet eine sehr würdevolle letzte Ruhestätte“, erklärte Graf Leutrum bei der Vorstellung des Projekts im Rat. Die Asche seines vor drei Jahren verstorbenen Vaters ist auf dem Familienfriedhof im Privatwald im Gewann Häldele am nördlichen Ortsrand von Oberdischingen beigesetzt. „Ich war schon oft dort oben. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern – das spendet den Angehörigen viel Trost und Kraft. Auf den normalen Friedhöfen herrscht oft eine traurige Stimmung“, sagt Leutrum. Er habe sich daher entschlossen, diese alternative Bestattungsweise auch anderen Menschen in und um Oberdischingen zu ermöglichen.
Christoph Graf Leutrum wohnt und arbeitet in Norddeutschland, ist aber mit dem Zweitwohnsitz schon sehr lange in Oberdischingen gemeldet, erzählte er im Rat. Als Kind habe er hier oft seine Ferien im Forsthaus und im angrenzenden Wald der Familie verbracht hat. Nachdem sein Vater im Jahr 2009 nach einem mit vielen Reisen verbundenen Arbeitsleben im diplomatischen Dienst in den Heimatort zurückgekehrt ist, sei auch seine Beziehung zu Oberdischingen nochmals enger geworden.
Der Privatwald der Familie Leutrum biete sich auch deshalb als künftiger Begräbnisort an, weil sich in unmittelbarer Nachbarschaft die Pilgerstätte Christmarienau befindet. „Die Verbindung stellt eine einzigartige Ergänzung zwischen Religion und Natur dar“, heißt es in einer kleinen Broschüre, die Leutrum bereits zusammen mit den Bestattungsinstituten Baur aus Ehingen und Streidt aus Ulm herausgebracht hat. Auf der Suche nach Partnern für sein Anliegen war er auf die beiden Institute gestoßen, nachdem ihn die vor allem kommerzielle Ausrichtung größerer Waldbestattungsunternehmen abgeschreckt habe. „Bei Baur gibt es etwa 20 Anfragen pro Jahr, bei Streidt 50. Wenn wir in Oberdischingen auf 40 bis 50 Interessenten pro Jahr kämen, würde es sich lohnen“, sagte Leutrum.
Denn ganz ohne wirtschaftliches Interesse ginge es auch bei ihm nicht. „Wenn man einen Wald gesund bewirtschaften will, muss man zumindest kostendeckend arbeiten“, erklärte er im Rat. Nach der Dürre im Jahr 2018 seien jedoch die Preise für Fichtenhölzer eingebrochen, so dass er eine verstärkte Pflanzung einheimischer Laubbäume beabsichtige – die außerdem eher zum Charakter eines Ruhewaldes passen. „Die Umgestaltung könnte vielleicht mit den Erlösen aus dem Bestattungswald finanziert werden“, so Leutrum. Laut Broschüre kostet ein Beisetzungsplatz an einem Baum je nach Lage ab 370 Euro, hinzu kommen einmalige Kosten für die Bestattung (ab 550 Euro) und den Gedenkstein (ab 500 Euro). Die Nutzungszeit beträgt 99 Jahre. Die Asche des Verstorbenen wird grundsätzlich in einer biologisch abbaubaren Urne beigesetzt und wird so im Laufe der Zeit Teil der Natur. Trauerzeremonien können persönlich gestaltet werden.
Zu klären sind noch die Verkehrsanbindung und Parkmöglichkeiten, wobei sich die Nutzung der bestehenden Parkplätze für die Pilgerstätte Christmarienau an der Kreisstraße nach Ringingen anböte. Die Trauergemeinden bei Urnenbestattungen im Wald seien jedoch in der Regel klein, erklärte Bürgermeister Friedrich Nägele. Die Verwaltung habe sich bei Bürgermeister Engler in Weidenstetten über die Erfahrungen mit dem dortigen Ruhewald erkundigt. So liege die Besucherfrequenz – je nach Anzahl der Grabstätten – bei drei bis maximal acht Personen pro Tag.
Als Teil eines größeren Waldgebiets bleibe ein Bestattungswald für alle Erholungssuchenden zugänglich. Er soll auch nicht eingezäunt werden. Geplant seien ein Zugangsbereich mit Beschilderung sowie ein Andachtsplatz, auf den Wegen zu den Grabstätten soll es nur kleine Hinweisschilder geben, erklärte Nägele.
Die Verwaltung befürworte die Pläne, betonte der Bürgermeister. Und auch aus den Reihen des Gemeinderats gab es ausschließlich positive bis begeisterte Stimmen. „Eine wunderbare Idee“, sagte etwa Thomas Wuchenauer. Seine Anregung, einen mit Schotter befestigten Rundweg zwischen Ruhewald und Christmarienau einzurichten, nahmen Christoph Graf Leutrum und Friedrich Nägele auf. Die Gemeinde wäre letztlich auch Träger der Stätte und würde eine Friedhofsordnung erlassen sowie einen Nutzungsvertrag mit den Bestattungsunternehmen als Betreiber und dem Waldeigentümer schließen.