Miss Punktlandung hat nichts zu verlieren
Skisprung-Olympiasiegerin Carina Vogt aus Degenfeld ist nach ihrer Knieoperation zunächst einmal froh, überhaupt bei der WM in Oberstdorf dabei zu sein
OBERSTDORF (SID) - Vielleicht bringt Carina Vogt ja Eichhörnchen Nordi Glück. Das WM-Maskottchen aus Plüsch darf in Oberstdorf mit ins Bett der Skisprung-Olympiasiegerin, die in ihrer Karriere schon so manches Wunder vollbracht hat. Und die nun selbst ein Wunder oder eben einen guten Glücksbringer braucht, um am Donnerstag (17 Uhr/ARD und Eurosport) bei der ersten Entscheidung der Heim-WM ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen.
Dabei hat die „Wonder Woman“des Skispringens das erste Wunder schon geschafft – die WM-Teilnahme. „Es bedeutet mir wirklich viel, dass ich überhaupt hier bin. Ich habe mich richtig gefreut, als wir hierher gefahren sind“, sagte Vogt nach ihren ersten Sprüngen am Schattenberg. Im Training
allerdings landete sie nur auf Rang 32. Im Juli 2019 war Vogt beim Training in Stams das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen – zwei Wochen bevor in Andreas Wellinger ein anderer deutscher SkisprungOlympiasieger die gleiche Verletzung erlitt. Wellinger schaffte es nicht rechtzeitig zur Heim-WM, Vogt schon. „Die WM war über zwei Jahre mein Anker, der mich hochgezogen hat“, sagt die 29-Jährige.
Es war eine Punktlandung, und mit Punktlandungen kennt sich keiner so gut aus wie die Polizeiobermeisterin aus Degenfeld. Nur zwei Weltcupspringen gewann Vogt, dem gegenüber stehen aber fünf WM-Titel (zwei im Einzel 2015 und 2017) sowie das historische erste Olympiagold für eine Skispringerin 2014 in Sotschi. Nicht schlecht für eine, die im Teenie-Alter als hoffnungsloser Fall galt.
Nun, mit 29, scheint ein erneutes Wunder aber nahezu ausgeschlossen, auch wenn es Anfang Februar beim Weltcup in Hinzenbach für Vogt zu einem guten elften Rang reichte. Immerhin: „Das Knie macht gerade keine
Probleme. Da wäre eigentlich alles bereitet“, sagte Vogt. Genau deshalb zählt auch für Bundestrainer Andreas Bauer nur noch die Gegenwart. Und die heißt WM. „Wir brauchen nicht immer wieder die Geschichte mit dem Knie zu erzählen. Der Zustand ist, wie er ist. Ich bin guter Hoffnung, dass wir zumindest die erste Woche überstehen“, sagt Bauer, warnt aber auch: „Ich sage ganz offen: Wir müssen jeden Tag einen Check-up machen.“
Weil in der zweiten Woche mit der ersehnten WM-Premiere von der Großschanze ein weiteres Highlight auf die Frauen wartet, würde Vogt schon gerne durchhalten. Das Problem: „Mein Knie hat im Wettkampfmodus immer wieder reagiert.“Es bleibt also spannend. Und so ist Vogt wieder mal in der Situation, aus der sie in ihrer Karriere stets am meisten herausgeholt hat: Eigentlich hat sie derzeit keine realistische Chance auf Topplätze. Doch aus vermeintlicher Aussichtslosigkeit hat „Miss Punktlandung“die größte Titelsammlung im Frauen-Springen gemacht.
Weltmeister Markus Eisenbichler glänzte derweil im ersten Training für die WM-Entscheidung von der Normalschanze. Der Bayer gewann mit starken Sprüngen auf 104,5 und 101,5 m am Mittwoch beide Durchgänge. „Ich bin gut reingekommen, so wie ich mir das vorgestellt habe. Ich kenne natürlich die Schanze, da gehe ich extrem entspannt an die Sache. Ich habe hier schon 1000 Sprünge gemacht, ich mag die einfach gern“, sagte er. Zweitbester DSV-Adler war Lokalmatador Karl Geiger auf den Rängen 11 und 14.