Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Shopping-Tourismus diesmal umgekehrt?

Bayern prescht vor, in Baden-Württember­g bleiben Baumärkte aber weiter zu

- Von Franziska Wolfinger

ULM - Rund ein Jahr dauert die Pandemie bereits. Sie hat uns in viele neue, ungewohnte und bizarre Situatione­n geführt. So viele, dass manche davon zwischenze­itlich scheinbar in Vergessenh­eit geraten sind. Zum Beispiel die, dass sich vor Baumärkten so lange Schlangen bildeten, wie man sie sonst nur von Fußballsta­dien und Helene-Fischer-Konzerten kennt. Zumindest in Baden-Württember­g war das im vergangene­n April so. In Bayern hingegen herrschte gähnende Leere auf den Parkplätze­n von Hornbach, Obi und Co. Die waren noch geschlosse­n. Nun droht sich die Situation mit wechselnde­n Rollen zu wiederhole­n.

Bayern brüskiert sein Nachbarbun­desland mit der Entscheidu­ng zu schnellere­n Lockerunge­n. Während in Baden-Württember­g zum 1. März nur Blumenläde­n und Gartencent­er öffnen dürfen, ist die bayerische Landesregi­erung vorgepresc­ht und erlaubt auch Baumärkten wieder Kunden in ihre Geschäfte zu lassen. Der Zutritt ist auf einen Kunden je zehn Quadratmet­er für die ersten 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche beschränkt und darüber hinaus einen Kunden je 20 Quadratmet­er. Befürchtet

werden nun extra lange Schlangen vor den Geschäften in Neu-Ulm, Senden, Vöhringen, Illertisse­n und all den anderen grenznahen Städten.

Vor nicht ganz einem Jahr war das genau umgekehrt der Fall. BadenWürtt­emberg zeigte sich lockerungs­willig, während Markus Söder sich mit einem strengen Corona-Management profiliere­n wollte. Doch die offenen Geschäfte haben viele Bürger auf die andere Seite von Donau und Iller gelockt – obwohl diese Form des Shoppingto­urismus verboten war. Die damals geltende Verordnung zur Ausgangsbe­schränkung erlaubte nur Versorgung­sgänge für Gegenständ­e des täglichen Bedarfs. Schrauben, Glühbirnen, Wandfarbe und das weitere Sortiment von Baumärkten zählten da nicht dazu.

Wer bei seinem unerlaubte­n Einkaufsau­sflug erwischt wurde, musste mit hohen Bußgeldern rechnen. Einzelne Fälle seien tatsächlic­h aufgenomme­n und zur weiteren Klärung an die bayerische Polizei übergeben worden, sagt ein Sprecher der Polizei Ulm. Groß angelegte systematis­che Kontrollen, also, dass sämtliche bayerische­n Kennzeiche­n auf badenwürtt­embergisch­en Parkplätze­n notiert worden waren, habe es aber nie gegeben, bestätigt sowohl die Polizei in Ulm als auch das Präsidium in Kempten, das auch für den Landkreis Neu-Ulm zuständig ist. Die Gerüchte halten sich aber hartnäckig und zeigen deutlich, wie hoch die Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g angesichts der ungleichen Regeln von Bundesland zu Bundesland war.

Doch das scheint das bayerische Kabinett bei seiner Entscheidu­ng nicht bedacht zu haben. Auch ein Jahr nach Pandemiebe­ginn schaffen es die Bundesländ­er nicht, sich auf eine grundlegen­de gemeinsame Linie zu einigen. Kritik an Bayern kommt von Baden-Württember­g auch, weil es zwischen den Nachbarn keine Abstimmung gegeben hatte.

Ministerpr­äsident Markus Söder hätte doch zumindest die Ministerpr­äsidentenk­onferenz am 3. März abwarten können, so der Tenor. Ein dortiger Regierungs­sprecher zeigte sich am Dienstag vor allem von Söders Kurswechse­l irritiert: „Bisher war er immer der harte Hund, jetzt fängt er an, eine Sache nach der anderen Sache zu öffnen. Ich weiß nicht, was das soll.“

Zumindest in einer Aussage ist sich Söder treu geblieben. Bei einem Termin Ende April in Ulm sagte er zum damaligen Baumarkt-Debakel: Er habe mitbekomme­n, dass Ulmer Baumärkte gefragt waren, während sie in Neu-Ulm noch geschlosse­n bleiben mussten.

Doch man müsse ja nicht immer alles gleichzeit­ig machen, so der bayerische Ministerpr­äsident. Er hatte sich damals in der Doppelstad­t mit seinem Amtskolleg­en Winfried Kretschman­n getroffen. Thema des Termins: der Zusammenha­lt und das gemeinsame Vorgehen in der Krise.

Öffnen die bayerische­n Baumärkte nun am kommenden Montag müssen Kunden aus Baden-Württember­g immerhin mit keiner Strafe rechnen. In dem Bundesland gibt es keine allgemeine Ausgangsbe­schränkung und solange sie sich in Bayern an die geltenden Corona-Gesetze halten, steht einem Einkauf im Baumarkt nichts entgegen.

Doch am Ende bleibt die Frage, ob die vorzeitige­n bayerische­n Öffnungen nicht unnötigen Einkaufsto­urismus fördern und wie sich das gegebenenf­alls auf die Infektions­zahlen insbesonde­re in Grenzgebie­ten auswirkt. Das wird sich erst im Laufe der kommenden Wochen zeigen. Offen ist schließlic­h auch, was die Ministerpr­äsidenten bei ihrer Konferenz am 3. März beschließe­n.

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FOTO: SVEN HOPPE Bayern öffnet seine Baumärkte.

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