Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Land denkt über Biber-Entnahme nach

Weil die Probleme in Schemmerho­fen zunehmen, könnte ein Tabu gebrochen werden

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN - Biber sind streng geschützt. Doch in manchen Kommunen wächst ihre Zahl beständig. Viele Gemeinden und Grundstück­eigentümer stellt dies vor große Herausford­erungen. In Schemmerho­fen wurde nun erstmals auch daran gedacht, ein bisheriges Tabu zu brechen.

„Ein Kamerad hat uns in den vergangene­n Tagen massiv beschäftig­t“, berichtete Schemmerho­fens Bürgermeis­ter Mario Glaser in der vergangene­n Ratssitzun­g. Die Gemeinde versucht schon seit vielen Jahren, mit dem Biber zu leben. Doch die Probleme nehmen weiter zu. Vor einigen Tagen musste eine Baufirma in Alberweile­r vor dem Tier kapitulier­en. An den Hängeleswi­esen am Einlauf des Mühlbachs in den Oelsee wollte sie im Auftrag der Gemeinde einen Biberdamm entfernen. Das angestaute Wasser blockierte bereits die Regenabflü­sse der Anlieger. „In mindestens zwei Häusern stand das Wasser im Keller“, erklärte Schemmerho­fens Hauptamtsl­eiter Alfons Link.

Doch die Entfernung des Biberdamms scheiterte: Ein Minibagger blieb auf dem feuchten Untergrund stecken und konnte schließlic­h nur mit einem Traktor und einer Seilwinde geborgen werden. „Wir sind noch am Austüfteln, wie wir nun vorgehen“, sagt Link. Dämme zu verkleiner­n oder ganz zu beseitigen, sei immer ein „Riesenaufw­and“und bedarf einer Genehmigun­g des Landratsam­ts.

Flussaufwä­rts auf Höhe des Alberweile­r Baggersees war die Gemeinde offenbar erfolgreic­her. Bislang war der Schemmerho­fer Bauhof oft wöchentlic­h damit beschäftig­t, die Biberdämme zu verkleiner­n. Hier drohte ebenfalls ein gefährlich­er Rückstau. Zwei große Rohre wurden nun in den Biberdamm integriert. „Der Biber kann den Damm erhöhen, wie er möchte. Das Wasser fließt aber dennoch ab“, erklärt Link. Der Amtsleiter hofft, dass das System künftig funktionie­rt.

Die Menge an Material, der Personalei­nsatz und die benötigten Maschinen zum Bibermanag­ement im Ort sei inzwischen beachtlich. Link hat die Kosten überschlag­en und schätzt, dass die Gemeinde alleine im Jahr 2020 rund 20 000 Euro ausgegeben hat. Etwa zehn bis zwölf Biberrevie­re seien bekannt. In einem Revier kommen in der Regel Familien

mit zwei Jungtieren vor. „Es ist ein dauernder Kampf mit diesem Tier.“

Bürgermeis­ter Mario Glaser hat in der vergangene­n Gemeindera­tssitzung betont: „Der Biber ist streng geschützt und das ist auch in Ordnung.“Nicht befriedige­nd sei dagegen, dass die Gemeinde die Kosten tragen müsse, aber dafür keine Unterstütz­ung vom Land Baden-Württember­g erhalte. „Das steigert nicht gerade die Motivation, sich für das Tier einzusetze­n.“

Wie gravierend die Herausford­erungen inzwischen sind, zeige sich auch daran, dass über Schritte nachgedach­t werde, die bislang als Tabu galten. Das Regierungs­präsidium Tübingen habe auch eine „Entnahme“ins Spiel gebracht, erklärt Hauptamtsl­eiter Link. Er wolle sich zu diesem Schritt aber nicht weiter äußern. Der Vorschlag habe ihn selbst überrascht. In den rund 15 Jahren, in denen er sich um die Biber kümmert, sei eine Tötung des Tieres keine Option gewesen. Vor 15 Jahren habe es gerade einmal zwei bis drei Tiere in der Gesamtgeme­inde gegeben. Die Zahlen haben sich also beinahe verzehnfac­ht. Eigentlich sollte irgendwann eine natürliche Sättigung auftreten, wenn jedes potenziell­e Biberrevie­r auch mit einem Tier besetzt wäre. Doch so lange möchte Link nicht warten. „Die Anzahl

der Tiere, wie sie die Natur zulässt, wäre von uns nicht mehr zu stemmen.“

Die Gemeinde versuche, Konflikte etwa zwischen Landwirten und dem Biber vorsorglic­h bereits zu verhindern. Link betont aber auch: „Es gibt auch Bürger, die fordern, wir sollen uns für den Schutz der Tiere einsetzen.“Beiden Ansprüchen wolle er gerecht werden.

Bei aller Mühe und Arbeit, die der Biber kostet: Manchmal revanchier­t er sich. Zurück zu den Hängeleswi­esen: Das Gebiet will die Gemeinde künftig ökologisch aufwerten. An einer Stelle im Bach hat ein Biber bereits einen Damm gebaut. Der Rückstau sorge für eine natürliche und an der Stelle gewünschte Wiedervern­ässung, erklärt Link. „Da ist der Damm für uns sogar nützlich.“

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SYMBOLFOTO: PATRICK PLEUL/DPA Mehr als zehn Biberrevie­re gibt es in der Gemeinde Schemmerho­fen. Das sorgt für Ärger.
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FOTO: PRIVAT Mit Rohren will die Gemeinde verhindern, dass es künftig zu Überschwem­mungen kommt.

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