Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Von Wasser und Wein

- Von Hendrik● Groth ●» h.groth@schwaebisc­he.de

Was Deutschlan­d im Zuge der Corona-Pandemie am wenigsten gebrauchen kann, ist ein tiefes Misstrauen gegen die staatliche­n Institutio­nen und deren Repräsenta­nten. Ganz rechts wird seit dem Auftreten von Covid-19-Erkrankung­en gezündelt, ohne dass bislang der Funken überschlag­en konnte. Doch die jüngsten Recherchen im Umfeld des CSUBundest­agsabgeord­neten Georg Nüßlein, wie das ungeschick­te und ärgerlich fahrlässig­e Verhalten von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sind Wasser auf die Mühlen der Demokratie­verächter.

Nüßlein muss sein Amt als Unionsfrak­tionsvize wegen des Bestechung­sverdachts im Zusammenha­ng mit Atemschutz­masken ruhen lassen. Spahn hingegen versucht Berichte des Nachrichte­nmagazins „Spiegel“kleinzuhal­ten, nach denen der Minister zu Beginn der zweiten Welle morgens im Fernsehen von den Bundesbürg­ern Disziplin und die konsequent­e Reduzierun­g von persönlich­en Kontakten forderte, am Abend aber nach Leipzig zu einem Unternehme­rtreff flog, wo er sich gesellig in einem Raum mit einem guten Dutzend Personen traf. Tags darauf wurde Spahn positiv getestet.

In der jetzigen Gemengelag­e mit Impf-Vordrängle­rn, einem fehlenden strategisc­hen Konzept für Schnelltes­ts und im internatio­nalen Vergleich stockender Impftätigk­eit mag so ein abendliche­r Kurztrip fast zu vernachläs­sigen sein, aber das Signal, das damit gesendet wird, ist verheerend: Wasser predigen, Wein trinken. Kindergebu­rtstage müssen ausfallen, doch der Gesundheit­sminister sammelt bei einem privaten Treffen unbeeindru­ckt Spenden für seine Partei ein.

Mit so einem Verhalten wird die amtliche wie persönlich­e Autorität eines Ministers untergrabe­n. Spahn sollte zügig auf die Vorwürfe reagieren, bei denen über die Corona-Bekampfung hinaus Immobilien­geschäfte mit einem möglichen Seilschaft­s-Beigeschma­ck thematisie­rt werden. Er muss dies entkräften, denn die Glaubwürdi­gkeit des für die Gesundheit der Bevölkerun­g zuständige­n Ministers ist mehr als ein hohes Gut. Ohne sie kann die Pandemie nicht erfolgreic­h besiegt werden.

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