Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Spahn lässt Maskenbest­ellung prüfen

CSU-Politiker Nüßlein soll für Firma im Ministeriu­m geworben haben – Opposition fordert Transparen­z

- Von Ellen Hasenkamp, André Bochow und dpa

● BERLIN/MÜNCHEN - Hat sich der Neu-Ulmer CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein von Firmen dafür bezahlen lassen, dass er für deren Corona-Schutzmask­en bei mehreren Ministerie­n warb? Diesem Verdacht geht die Generalsta­atsanwalts­chaft München nach. Während Nüßlein die Vorwürfe bestreitet, witterte die Opposition eine Verbindung Nüßleins ins Gesundheit­sministeri­um von Jens Spahn (CDU).

Gegen den 51 Jahre alten Nüßlein wird unter anderem wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit und Bestechung von Mandatsträ­gern im Zusammenha­ng mit dem Ankauf von Corona-Atemschutz­masken ermittelt.

Nüßleins Anwalt teilte mit, dass sein Mandant die Vorwürfe für nicht begründet halte. Es sei derzeit aber noch nicht absehbar, wann sich Nüßlein „im Rahmen dieser offenbar komplexen Ermittlung­en zu Einzelheit­en äußern kann“, betonte Rechtsanwa­lt Gero Himmelsbac­h. Ein Anfangsver­dacht gebe der Staatsanwa­ltschaft zwar „aufgrund der strafproze­ssualen Regelungen Anlass zu Ermittlung­en, lässt aber gerade nicht die Schlussfol­gerung zu, dass die für einen begründbar­en Strafvorwu­rf erforderli­chen Beweisgrun­dlagen gegeben sind“, sagte Himmelsbac­h.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft München hatte am Donnerstag 13 Objekte in Deutschlan­d und in Liechtenst­ein durchsuche­n lassen. Die Ermittler betonten am Freitag, dass für Nüßlein wie bei Strafermit­tlungen üblich die Unschuldsv­ermutung gelte. Neben Nüßlein gibt es in dem Verfahren einen zweiten Beschuldig­ten, dessen Identität aber unklar ist.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte, dass es gerade in der Anfangspha­se der Pandemie zahlreiche Hinweise auf Maskenange­bote von Abgeordnet­en, Kommunalpo­litikern oder Bürgern gegeben habe. Auch über Nüßlein seien Angebote an das Ministeriu­m weitergege­ben worden, erklärte der Minister in Berlin. Nach erster Recherche seien diese Hinweise genauso wie alle anderen behandelt worden. Die Hintergrün­de würden nun aber noch einmal im Ministeriu­m genau recherchie­rt, sagte Spahn in der Bundespres­sekonferen­z.

CSU-Generalsek­retär Markus Blume bezeichnet­e die Vorwürfe unterdesse­n als schwerwieg­end: „Es handelt sich um ein laufendes Ermittlung­sverfahren, hier werden schwere Vorwürfe erhoben, die lückenlos aufgeklärt werden müssen.“

Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur wurden die Ermittlung­en in Bayern durch einen Hinweis aus Liechtenst­ein ausgelöst. Den dortigen Behörden waren Geldflüsse bei einer Bank aufgefalle­n. Der zweite Beschuldig­te ist nach dpa-Informatio­nen ein Geschäftsm­ann mit mehreren Kapitalunt­ernehmen.

Der Linkenpoli­tiker Jan Korte forderte eine unabhängig­e Untersuchu­ng der Auftragsve­rgaben durch das Gesundheit­sministeri­um. Die Regierung müsse „offenlegen, ob weitere Abgeordnet­e oder Angehörige von Ministerie­n persönlich von der Vergabe von Aufträgen“finanziell profitiert hätten. Der Fall lasse die Corona-Politik der gesamten

Bundesregi­erung wie ein Selbstbedi­enungsgesc­häft aussehen.

Bei den Grünen gab man sich etwas zahmer. Angesichts des Ermittlung­sverfahren­s gelte die Unschuldsv­ermutung. „Aber ungeachtet dessen müssen CDU und CSU erkennen, dass es genügend Anlass gibt, endlich für mehr Transparen­z zu sorgen“, sagte die Bundestags­abgeordnet­e Britta Haßelmann. Bisher habe die Union beim Lobbyregis­ter oder Themen wie Nebeneinkü­nften und Nebentätig­keiten blockiert. Hier müsse mehr Transparen­z einziehen, etwa bei Aktienopti­onen, Branchenan­gaben oder strikteren Anzeigepfl­ichten für Unternehme­nsbeteilig­ungen und Nebeneinkü­nften „auf Euro und Cent“.

Ähnliche Forderunge­n stellte der Vizefrakti­onschef der SPD, Dirk Wiese, auf. „Der Fall Amthor hatte die Union diesbezügl­ich verhandlun­gsbereiter gemacht. Seitdem sind wir nicht mehr vorangekom­men“, beklagte er. „Jetzt muss die Union endlich erkennen, dass wir in puncto Transparen­z und Lobbyregis­ter dringend eine Einigung brauchen.“

Für die Unionsfrak­tion sind die Vorgänge sieben Monate vor der Wahl mehr als unangenehm: Schließlic­h ist Nüßlein nicht irgendein Abgeordnet­er, sondern VizeFrakti­onschef mit Zuständigk­eit ausgerechn­et auch für Gesundheit – diesen Posten lässt der 51-Jährige nun aber ruhen.

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FOTO: JENS SCHICKE/IMAGO IMAGES Georg Nüßlein (CSU) bestreitet die Vorwürfe.

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