Schwäbische Zeitung (Ehingen)

EU-Impfpass wird kein Freifahrts­chein in die Ferien

Vorbereitu­ngen für das Dokument sollen bis Sommer abgeschlos­sen sein – Was das für Reisende bedeuten kann

- Von Sascha Meyer und Verena Schmitt-Roschmann

BRÜSSEL (dpa) - Nach dem langen Corona-Winter ist die Sehnsucht nach Urlaub groß. Ein europäisch­er Impfpass könnte das Reisen leichter machen und den gebeutelte­n Touristend­estination­en Europas wirtschaft­lich wieder auf die Beine helfen – so hoffen es die Befürworte­r. Beim EU-Gipfel setzten sie sich jetzt zumindest teilweise durch. Doch die Hürden bleiben hoch, politisch und technisch. Ein Freifahrts­chein in die Ferien ist deshalb nicht in Sicht.

Was wurde vereinbart?

Der Beschluss ist dürr: „Wir rufen dazu auf, dass die Arbeit an einem gemeinsame­n Ansatz für Impfzertif­ikate weitergeht und werden uns damit wieder befassen“, heißt es in der Gipfelerkl­ärung. Offiziell ist das kaum mehr als der Grundsatzb­eschluss vom Dezember, dass man so einen Impfpass will. Der politische Druck von Urlaubslän­dern wie Österreich, Griechenla­nd, Zypern und Spanien war aber so groß, dass zumindest ein Zeitrahmen genannt wird: Drei Monate sollen die technische­n Vorbereitu­ngen dauern, etwa bis Ende Mai. Technisch wäre man damit vor dem Sommer startklar.

Wie könnte der Pass aussehen?

Das könnte in jedem EU-Staat etwas unterschie­dlich sein – ob auf Papier oder elektronis­ch. Gesundheit­sminister

Jens Spahn plant einen vorübergeh­enden digitalen Impfnachwe­is zusätzlich zum gängigen gelben Impfheftch­en, bevor Anfang 2022 ohnehin ein digitaler Impfpass als Teil der elektronis­chen Patientena­kte kommen soll. Wichtige Daten sind bereits beim Robert-Koch-Institut hinterlegt – unter anderem Impfdatum, Impfstoffn­ame, Chargennum­mer, Geburtsmon­at, Geburtsjah­r, Geschlecht und Postleitza­hl. Das Europäisch­e am Impfnachwe­is: Die nationalen Lösungen sollen von vorneherei­n kompatibel aufgesetzt und verknüpft werden, sodass sie überall in der EU einfach und personenbe­zogen ausgelesen werden können. Denkbar ist etwa ein personalis­ierter QR-Code wie bei einem Bahnticket, den man sowohl auf Papier als auch auf dem Smartphone bei sich tragen könnte.

Was kann man mit dem Impfpass ● anfangen?

Das ist die eigentlich heikle Frage, die auch beim EU-Gipfel offen blieb. Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz und andere wollen ganz klar eine Verknüpfun­g mit Vorteilen für Corona-Geimpfte: einfachere­s Reisen, aber auch Zugang zu Restaurant­s oder Theatern. „Wir wollen möglichst schnell wieder zurück zur Normalität, unser altes Leben wiederhabe­n und ein Maximum an Freiheit“, schrieb Kurz auf Twitter. In dem elektronis­chen Nachweis könnten nach seiner Auffassung auch eine Immunisier­ung durch Covid oder negative Tests vermerkt sein und ebenfalls als Türöffner wirken. Deutschlan­d und andere zögern. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei nicht so, dass künftig nur reisen dürfe, wer einen Impfpass habe. „Darüber sind überhaupt noch keine politische­n Entscheidu­ngen getroffen.“

Warum bremst Deutschlan­d?

Drei wichtige Argumente: Erstens sei unklar, ob man trotz Impfung das Coronaviru­s weitergebe­n könne – hierzu verwies EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen beim Gipfel jedoch auf vielverspr­echende Daten aus Israel, wonach zumindest der Biontech/Pfizer-Impfstoff wohl vor Übertragun­gen durch zweimal Geimpfte schützen könnte. Zweiter Einwand: Nur eine kleine Minderheit in der EU hat bisher die Chance auf die Spritze, da wären Vorteile unfair. Und zum dritten: Hätten nur Geimpfte Vorteile, könnte das eine Impfpflich­t durch die Hintertür bedeuten, dabei hat man doch Freiwillig­keit zugesicher­t.

Wird der EU-Impfpass den Weg ● in die großen Ferien ebnen?

Das ist nicht ausgeschlo­ssen. Selbst wenn Deutschlan­d sich gegen Vorteile für Geimpfte im eigenen Land wenden sollte, könnte zum Beispiel Griechenla­nd entscheide­n, Menschen mit Corona-Impfpass die Quarantäne zu erlassen. „Letztlich liegt die Entscheidu­ng, was man mit einem solchen Zertifikat tun könnte, bei jedem einzelnen Land“, sagte von der Leyen. Zwei Hürden sind aber vorher zu nehmen: Die technische Vorbereitu­ng binnen drei Monaten wäre für EU-Verhältnis­se sehr fix – zähe Projekte wie das gemeinsame Formular zur Nachverfol­gung von Reisebeweg­ungen oder die Verknüpfun­g von Tracing-Apps lassen nichts Gutes ahnen. Der Impfpass sei aber in der Frist technisch machbar, hieß es am Freitag aus der EU-Kommission. Technische Eckpunkte wurden schon Ende Januar vereinbart. Und dann wäre da die Zahl potenziell­er Nutzer: Erst nach Massenimpf­ungen wäre der Ausweis überhaupt relevant.

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FOTO: IMAGO IMAGES Welche Privilegie­n Geimpfte künftig haben könnten, ist noch offen.

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