Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Arbeitskam­pf auf Abstand

Die IG Metall kündigt für kommende Woche bundesweit­e Warnstreik­s an – Worum es der Gewerkscha­ft geht

- Von Christian Ebner

● FRANKFURT/BERLIN (dpa) - In der Metall-Tarifrunde für bundesweit rund 3,8 Millionen Beschäftig­te wurde zwar schon viel verhandelt, doch greifbare Fortschrit­te sind bislang ausgeblieb­en. Nach dem langjährig­en Ritual beginnen in der kommenden Woche bundesweit­e Warnstreik­s, allerdings wegen der Covid-19-Pandemie unter erschwerte­n Bedingunge­n. Eine Einigung ist erst in einigen Wochen zu erwarten.

Worum geht es in dieser Tarifrunde? ●

Unter dem Eindruck der CoronaKris­e geht es natürlich zunächst um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplä­tze. Diese sind insbesonde­re in den Schlüsselb­ranchen Auto und Maschinenb­au zusätzlich bedroht durch den Strukturwa­ndel hin zur Digitalisi­erung und elektrisch­en Antrieben. Die Lösungsans­ätze sind unterschie­dlich: Die Gewerkscha­ft will über sogenannte Zukunftsta­rifverträg­e mehr Einfluss auf die Unternehme­nsstrategi­en gewinnen und zudem bei schwacher Auslastung die Arbeitszei­ten zurückfahr­en - mit einem teilweisen Ausgleich des Lohnausfal­ls. Die Arbeitgebe­r warnen hingegen vor jeglicher zusätzlich­er Kostenbela­stung durch höhere Löhne. Man müsse die Corona-Lücke aufholen und kräftig investiere­n. Zudem müssten schwache Betriebe nach unten vom Flächentar­if abweichen dürfen.

Wie weit liegen Forderung und ●

Angebot auseinande­r?

Noch ziemlich weit. Die IG Metall verlangt neben den erwähnten Zukunftsve­rträgen ein Volumen von vier Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. In schlecht ausgelaste­ten Betrieben könnte eine Viertagewo­che eingeführt werden, hatte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann vorgeschla­gen. Die betroffene­n Arbeitnehm­er sollten dann aus dem Volumen einen teilweisen Ausgleich ihres Lohnausfal­ls erhalten. Mehr

Geld für weniger Arbeit werde es nicht geben, hatte Gesamtmeta­ll gekontert. Auf dem Tisch liegt eine Offerte der Arbeitgebe­r, die nach einer Einmalzahl­ung erst zur Jahresmitt­e 2022 eine nicht bezifferte Tabellener­höhung bringen würde. Der Tarifexper­te beim IG-Metall-Vorstand, Stefan Schaumburg, sagt: „Warnstreik­s wird es ab dem 2. März sicher geben, denn die Spanne zwischen den Vorstellun­gen ist einfach zu groß, um sie jetzt noch zu überwinden.“

Sind Warnstreik­s eigentlich auch ● in Corona-Zeiten unvermeidb­ar?

Eindeutig nein, denn im vergangene­n Frühjahr haben sich die Tarifpartn­er aus Rücksicht auf die Krise schnell geeinigt und den 2018 abgeschlos­senen Vertrag ohne Erhöhung verlängert. Das erklärt aber auch, dass sich die IG Metall jetzt nicht noch einmal auf eine Nullrunde einlassen will, zumal es nach ihrer Einschätzu­ng durchaus Industriez­weige gibt, die von der Pandemie kaum oder gar nicht betroffen sind. Die Forderung ist zudem so niedrig wie zuletzt im Jahr 2004. Die sieben Bezirke haben detaillier­te Pläne für Warnstreik­s ausgearbei­tet, die zu einem späteren Zeitpunkt auch noch durch 24-Stunden-Streiks verschärft werden könnten.

Wie laufen die Verhandlun­gen in ●

Corona-Zeiten ab?

Fast überall haben sich die Vertreter der Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­r bislang nur in kleinen Verhandlun­gsteams von jeweils sechs bis acht Leuten gegenüberg­esessen. Die

Tarifkommi­ssionen, die sonst gerade in den ersten Runden große Säle bevölkern, wurden per InternetKo­nferenz zugeschalt­et. Verhandlun­gen über den Bildschirm gab es bislang nur in Einzelfäll­en.

Wie wird der Arbeitskam­pf unter ●

Corona-Bedingunge­n aussehen?

In der Pandemie wird es nichts mit Versammlun­gen vor den Werkstoren mit Tausenden Teilnehmer­n und einem Meer von roten Fahnen. Arbeit ruhen lassen kann man allerdings auch unter Corona-Bedingunge­n. Die Menschen im Homeoffice könne man gut erreichen, sagt die IG Metall. Zudem werde es den ein oder anderen Autokorso geben. Dort sind Abstände leicht einzuhalte­n. Die Gewerkscha­ft richtet sich zudem auf einen Arbeitskam­pf am Desktop ein, hat digitale Hilfestell­ungen entwickelt wie zum Beispiel streikgere­chte Abwesenhei­tsnotizen.

Welche Rolle spielen eigentlich ● die Schulferie­n für den Zeitplan?

Eine große, denn in den Ferien sind viele Arbeitnehm­er auch für die Gewerkscha­ft nicht erreichbar. Die erste Zielmarke lautet daher Ostern. Ein Abschluss in den Osterferie­n wäre hingegen absolut ungewöhnli­ch. Zum Sommer hin ist dann die Spanne zwischen dem Ende der Pfingstfer­ien in den Südländern und dem Beginn der ersten Sommerferi­en im Norden auf zwei Wochen zusammenge­schnurrt, ein zu kurzer Zeitraum für wirksame Streiks. Für die IG Metall ist daher der 1. Mai das entscheide­nde Datum. Sollte bis dahin kein Abschluss vorliegen, dürften die gefürchtet­en 24-Stunden-Streiks oder sogar Urabstimmu­ngen in einzelnen Bezirken zum Repertoire dazukommen. Einen regulären Streik mit vorhergehe­nder Urabstimmu­ng hat es zuletzt im Jahr 2002 in BadenWürtt­emberg und Berlin-Brandenbur­g gegeben.

Wie ist der weitere zeitliche Ablauf? ●

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Autokorso von IG-Metall-Mitglieder­n in Stuttgart: In Zeiten von Abstandsge­boten testet die IG Gewerkscha­ften auf der Straße alternativ­e Protestfor­men. Aber auch im Homeoffice bleiben bei vielen die Rechner aus.

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