Gegen Tricks und Gaunereien
EU-Rat beschließt Regeln zur Unternehmenssteuer
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BERLIN - Für große Unternehmen wird es in Europa wohl bald schwieriger, Steuerzahlungen zu vermeiden oder trickreich zu verringern. Mehrheitlich beschloss der EU-Rat für Wirtschafts-, Industrie- und Forschungspolitik am Donnerstagnachmittag, dass Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz künftig öffentlich berichten müssen, in welchem Land der Europäischen Union und in welchen Steueroasen außerhalb der Union sie wie viele Abgaben zahlen. Die Steuerbehörden der EU-Staaten sollen diese Daten untereinander austauschen.
Damit können Regierungen, Behörden und Öffentlichkeit beispielsweise nachvollziehen, ob transnational tätige Firmen Gewinne aus Staaten, in denen sie viel Geld verdienen, in Länder verlagern, wo die Steuern besonders niedrig sind. Das ist eine Voraussetzung dafür, solche Steuersparmodelle zu erschweren oder abzuschaffen. Länder mit geringen Steuersätzen wie Irland und Luxemburg könnten verlieren, Deutschland eher gewinnen. Die EU-Kommission brachte den Gesetzentwurf 2016 auf den Weg, nachdem journalistische Recherchen massive Steuergestaltung und -hinterziehung in Luxemburg und Panama aufgedeckt hatten.
Trotzdem enthielt sich die deutsche Vertreterin im Rat – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gefällt die Regelung nicht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dagegen kommentierte: „Multinationale Konzerne können sich nicht mehr verstecken.“Mit Nein oder Enthaltung votierten im EU-Rat außerdem Irland, Luxemburg, Malta, Schweden, Tschechien, Ungarn und Zypern. Für Steuertransparenz waren Finnland, Griechenland, Dänemark, Estland, Österreich, Rumänien, Polen, Niederlande, Italien, Slowenien, Spanien, Frankreich, Bulgarien und Belgien.
Hiesige Wirtschaftsverbände kritisierten die Entscheidung. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fürchtet, dass sensible Unternehmensdaten öffentlich würden. Konkurrenten könnten die Informationen nutzen, um Rückschlüsse auf Kostenstrukturen, Preispolitik und Gewinnmargen zu ziehen, erklärte Joachim Lang, Geschäftsführer des Industrieverbandes BDI. Die Stiftung der Familienunternehmen ließ schon durchblicken, dass die Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof landen könnte. „Das ist ein riesiger Erfolg gegen Steuervermeidung“, sagte dagegen Sven Giegold, EU-Parlamentarier der Grünen. Die Hilfsorganisation Oxfam begrüßte die Entscheidung ebenfalls.
Bisher handelt es sich allerdings um einen vorläufigen Beschluss. Die bindende Abstimmung im Rat steht noch aus. Dann folgen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Schließlich könnten Klagen vor EUGerichten eingereicht werden. Denn die Abstimmung ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formal umstritten. Ratsentscheidungen in Transparenzfragen können mit Mehrheit fallen, in Steuerfragen dagegen nur einstimmig. Möglicherweise müssen dann Richterinnen und Richter entscheiden, welches Verfahren anzuwenden ist.