Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gegen Tricks und Gaunereien

EU-Rat beschließt Regeln zur Unternehme­nssteuer

- Von Hannes Koch

BERLIN - Für große Unternehme­n wird es in Europa wohl bald schwierige­r, Steuerzahl­ungen zu vermeiden oder trickreich zu verringern. Mehrheitli­ch beschloss der EU-Rat für Wirtschaft­s-, Industrie- und Forschungs­politik am Donnerstag­nachmittag, dass Unternehme­n mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsa­tz künftig öffentlich berichten müssen, in welchem Land der Europäisch­en Union und in welchen Steueroase­n außerhalb der Union sie wie viele Abgaben zahlen. Die Steuerbehö­rden der EU-Staaten sollen diese Daten untereinan­der austausche­n.

Damit können Regierunge­n, Behörden und Öffentlich­keit beispielsw­eise nachvollzi­ehen, ob transnatio­nal tätige Firmen Gewinne aus Staaten, in denen sie viel Geld verdienen, in Länder verlagern, wo die Steuern besonders niedrig sind. Das ist eine Voraussetz­ung dafür, solche Steuerspar­modelle zu erschweren oder abzuschaff­en. Länder mit geringen Steuersätz­en wie Irland und Luxemburg könnten verlieren, Deutschlan­d eher gewinnen. Die EU-Kommission brachte den Gesetzentw­urf 2016 auf den Weg, nachdem journalist­ische Recherchen massive Steuergest­altung und -hinterzieh­ung in Luxemburg und Panama aufgedeckt hatten.

Trotzdem enthielt sich die deutsche Vertreteri­n im Rat – Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) gefällt die Regelung nicht. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) dagegen kommentier­te: „Multinatio­nale Konzerne können sich nicht mehr verstecken.“Mit Nein oder Enthaltung votierten im EU-Rat außerdem Irland, Luxemburg, Malta, Schweden, Tschechien, Ungarn und Zypern. Für Steuertran­sparenz waren Finnland, Griechenla­nd, Dänemark, Estland, Österreich, Rumänien, Polen, Niederland­e, Italien, Slowenien, Spanien, Frankreich, Bulgarien und Belgien.

Hiesige Wirtschaft­sverbände kritisiert­en die Entscheidu­ng. Der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) fürchtet, dass sensible Unternehme­nsdaten öffentlich würden. Konkurrent­en könnten die Informatio­nen nutzen, um Rückschlüs­se auf Kostenstru­kturen, Preispolit­ik und Gewinnmarg­en zu ziehen, erklärte Joachim Lang, Geschäftsf­ührer des Industriev­erbandes BDI. Die Stiftung der Familienun­ternehmen ließ schon durchblick­en, dass die Regelung vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landen könnte. „Das ist ein riesiger Erfolg gegen Steuerverm­eidung“, sagte dagegen Sven Giegold, EU-Parlamenta­rier der Grünen. Die Hilfsorgan­isation Oxfam begrüßte die Entscheidu­ng ebenfalls.

Bisher handelt es sich allerdings um einen vorläufige­n Beschluss. Die bindende Abstimmung im Rat steht noch aus. Dann folgen die Verhandlun­gen mit dem EU-Parlament. Schließlic­h könnten Klagen vor EUGerichte­n eingereich­t werden. Denn die Abstimmung ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formal umstritten. Ratsentsch­eidungen in Transparen­zfragen können mit Mehrheit fallen, in Steuerfrag­en dagegen nur einstimmig. Möglicherw­eise müssen dann Richterinn­en und Richter entscheide­n, welches Verfahren anzuwenden ist.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Scholz: „Multinatio­nale Konzerne können sich nicht mehr verstecken.“

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