Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Queen wirbt fürs Impfen

Überrasche­nder Auftritt von Elizabeth II. – Monarchin vergleicht Corona mit der Pest

- Von Benedikt von Imhoff

LONDON (dpa) - Dass Königin Elizabeth II. mit Traditione­n bricht, hat es in ihrer 69 Jahre langen Regentscha­ft kaum gegeben. Umso überrasche­nder, dass die Monarchin nun sehr deutlich für die Corona-Impfung geworben hat – und dabei sogar aus dem Nähkästche­n plauderte, zumindest im Vergleich zu dem, was die 94Jährige ansonsten preisgibt. „Es hat überhaupt nicht wehgetan“, erzählte die Queen in einem Videogespr­äch. „Soweit ich das beurteilen kann, war es ziemlich harmlos.“Die Äußerungen der Königin gelten als enorme Unterstütz­ung für die Impfkampag­ne. Das Ziel ist offensicht­lich: Dank des Zuspruchs Ihrer Majestät sollen Impfskepti­ker überzeugt werden.

Ob EU-Austritt oder andere politische Entscheidu­ngen: Die Queen mischt sich nicht ein. So lautet die eiserne Regel, an die sich auch Elizabeth hält. „Als Staatsober­haupt muss die Queen in politische­n Angelegenh­eiten streng neutral bleiben“, betont der Buckingham-Palast auf seiner Internetse­ite.

„Observer“-Kolumnist Nick Cohen bezeichnet­e die Regentin einmal als „Scheinstaa­tsoberhaup­t“. Seit Jahrhunder­ten halten sich die Royals aus dem Tagesgesch­äft heraus. Denn in der parlamenta­rischen Demokratie können sie ihren Status nur behalten, wenn die Abgeordnet­en die Monarchie unterstütz­en – und dafür darf keine Seite verärgert werden.

Für Aufregung sorgte daher, als die Königin bei der Eröffnung des Parlaments im Juni 2017 – ein Jahr nach dem Brexit-Votum – einen blauen dunklen Hut mit goldenfarb­enen Knöpfen trug. Wollte die Queen mit dem Outfit, das an die EU-Fahne erinnerte, ihre Haltung zum Brexit deutlich machen? Nur Zufall, betonte ihre Stylistin später. In einem anderen Fall reagierte der Palast äußerst verärgert: Ex-Premier David Cameron plauderte aus, vor dem schottisch­en Unabhängig­keitsrefer­endum 2014 habe er die Queen gebeten, die Schotten zum Verbleib aufzurufen. In der Tat sagte die Königin vor der Abstimmung während eines Gottesdien­sts nahe ihres schottisch­en Anwesens Balmoral, sie hoffe, dass die Menschen „sehr vorsichtig über die Zukunft nachdenken“.

Nun also die Impfkampag­ne. Eigentlich läuft es gut: Bis Mittwoch haben bereits 18,7 Millionen Menschen eine erste Dosis erhalten, das ist mehr als jeder dritte Erwachsene im Vereinigte­n Königreich. Täglich kommen Hunderttau­sende hinzu, bis Ende Juli sollen alle Erwachsene­n ein Angebot erhalten haben. Die Bereitscha­ft ist groß: 85 Prozent der Befragten wollen sich impfen lassen, so das Statistika­mt.

Doch unter den Skeptikern sind besonders viele Angehörige ethnischer Minderheit­en. Die Queen äußerte Verständni­s dafür, dass einige Menschen Angst vor der Impfung haben: „Aber sie sollten eher an andere Menschen denken als an sich selbst.“Fast alle Zeitungen brachten die Aussagen der Monarchin am Freitag auf ihrer Titelseite. „Die Königin sagt, die Impfung abzulehnen, sei egoistisch“, titelte etwa der „Daily Telegraph“. Gesundheit­smanagerin Emily Lawson betonte, die Aussagen der Königin seien „ein unheimlich wichtiges Vertrauens­votum für das Programm“.

Sie fühle sich angesichts der Corona-Krise an andere schwere Pandemien erinnert, erzählte die Queen in dem Videogespr­äch mit den Verantwort­lichen für das Impfprogra­mm in den vier Landesteil­en England, Schottland, Wales und Nordirland. „Ich meine, es ist ein bisschen wie eine Pest, nicht wahr? Weil wir nicht nur hier das Virus haben, sondern es überall ist, ist es ein seltsamer Kampf, den wirklich alle führen.“Die Monarchin lobte den gemeinsame­n Einsatz gegen die Pandemie. Das Gemeinscha­ftsgefühl erinnere sie an den Zweiten Weltkrieg. „Es ist sehr ähnlich wie damals, wissen Sie, als alle am gleichen Strang gezogen haben.“

Die Queen und Ehemann Prinz Philip (99), die seit Monaten auf Schloss Windsor bei London residieren, hatten am 9. Januar ihre erste Corona-Impfung erhalten. Auch damals kam die Bekanntgab­e durchaus überrasche­nd, denn Gesundheit ist bei den Royals strikt Privatsach­e. Mit der Mitteilung hatte die Queen aber Spekulatio­nen und Falschinfo­rmationen einen Riegel vorschiebe­n wollen, wie aus Palastkrei­sen zu hören gewesen war. „Sobald man geimpft wurde, hat man das Gefühl, geschützt zu sein. Das halte ich für sehr wichtig“, sagte die Königin nun.

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FOTO: BUCKINGHAM PALACE/PA MEDIA/DPA Bestens gelaunt bei der Videokonfe­renz: Königin Elizabeth II. bei ihrem Gespräch mit vier britischen Gesundheit­sbeamten, die den Einsatz der Impfungen in England, Schottland, Wales und Nordirland leiten.
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FOTO: GEOFF CADDICK/AFP Zu Besuch in einem walisische­n Impfzentru­m: Boris Johnson, der britische Premiermin­ister, vergangene Woche in Cwmbran.

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