Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Goldraub beschäftig­t die Justiz weiter

Angeklagte­r weist Mitschuld an Überfall bei Ludwigsbur­g mit Rapper „Xatar“von sich

- Von Martin Oversohl

STUTTGART (dpa) - Der Überfall auf einen Goldtransp­orter bei Ludwigsbur­g ist filmreif. Als Polizisten der Steuerfahn­dung verkleidet, lotst eine Bande den Wagen aus Nürnberg im Dezember 2009 von der Autobahn 81 bei Ludwigsbur­g und geradewegs in die Falle. Fahrer und Begleiter werden unter einer Brücke mit Handschell­en gefesselt und in einem Waldstück bei Heilbronn ausgesetzt. Dann machen sich die Goldräuber mit dem Besitz des Schmuckhän­dlers aus dem Staub. Im Gepäck: 120 Kilo Schmuck und Zahngold im Wert von schätzungs­weise rund 1,7 Millionen Euro.

Als der leer geräumte Goldtransp­orter am Abend an der Autobahn bei Mundelshei­m gefunden wird, sind die Räuber bereits auf der Flucht, die sie über Moskau bis in den Irak bringen wird. Aber es ist eine Sackgasse, denn sie haben Spuren an einer Handschlie­ße hinterlass­en, die sie verraten.

Mehr als elf Jahre ist das schon her – und fast alle Goldräuber, darunter der populäre Gangster-Rapper „Xatar“, saßen wegen des Beutezugs bereits hinter Gittern. Und doch ist das juristisch­e Nachspiel vor dem Landgerich­t noch nicht zu Ende. Denn seit Freitag sitzt ein mutmaßlich siebter Komplize auf der Anklageban­k des Stuttgarte­r Landgerich­ts.

Auf mehreren Seiten hat der 36Jährige aufgeliste­t, warum er nach seiner Aussage beim Coup damals gar nicht dabei gewesen sein konnte. Ja, er habe die anderen Männer aus Meckenheim gekannt. „Man läuft sich halt hier und da mal über den Weg“, sagt er. „Aber ich war weder zur Tatzeit noch am Tattag mit dabei, auch nicht am Vortag“, sagte der sichtlich aufgebrach­te Familienva­ter. „Alles in der Anklagesch­rift trifft nicht zu“, betont er vehement.

Am Tag des spektakulä­ren Überfalls habe er seinen Bruder zu einem Termin an einer Hochschule in Sankt Augustin bei Bonn begleitet, sagte der Familienva­ter aus dem Bonner Raum. Außerdem habe er am Nachmittag desselben Tages im Rheinland einen Lastwagen verkauft. Das wäre nach seiner Einschätzu­ng als Spediteur mit einer Fahrt vom Tatort aus zeitlich nicht zu schaffen gewesen. „Das alles an einem Tag, da muss man schon gut drauf sein“, sagte er. Mehr als elf Jahre nach der Tat machten ihm allerdings bei der Aussage auch Erinnerung­slücken zu schaffen.

Die Staatsanwa­ltschaft sieht das ganz anders: Der Deutsche sei beim Coup im Dezember 2009 mit einem weiteren Täter dem Goldtransp­ort gefolgt, er sei während der fingierten „Kontrolle“mit dabei gewesen, habe den Schmuck und das Gold auf einem Parkplatz in sein Auto verladen und sei damit Richtung Bonn geflüchtet. Er stand von Anfang an im Verdacht, zumindest sein Fahrzeug für die Tat zur Verfügung gestellt zu haben. Allerdings hatte sich dies damals nicht hinreichen­d erhärten lassen, das Verfahren wurde im August 2010 eingestell­t.

Das änderte sich in den folgenden Jahren. Denn in den Verhandlun­gen gegen seine mutmaßlich­en damaligen Komplizen fiel auf, dass der Deutsche wohl doch wesentlich stärker in den Überfall eingebunde­n sein könnte als bislang gedacht. Die Auswertung von Mobilfunkd­aten habe gezeigt, dass sich der Mann zu relevanten Zeitpunkte­n stets in der Nähe der anderen Täter aufgehalte­n haben soll, sagte die Sprecherin der Stuttgarte­r

Staatsanwa­ltschaft, Melanie Rischke. Das Problem: „Für die eigentlich­e Tat gibt es keine Daten“, räumt sie ein. Dennoch wurde im Juli 2013 Anklage erhoben.

Nach Auskunft der Staatsanwa­ltschaft ist der Mann der einzige Tatverdäch­tige,

gegen den im Zusammenha­ng mit dem Goldraub noch ermittelt wird. Denn der mutmaßlich­e achte Täter war 2010 so schwer erkrankt, dass er für verhandlun­gsunfähig erklärt wurde. Er soll den Goldräuber­n den entscheide­nden Tipp gegeben haben.

Und die Beute? Verschwund­en. Spurlos. Alle Angeklagte­n hatten im Prozess dazu geschwiege­n. Sie wollen die wertvolle Fracht einem unbekannte­n Mann übergeben haben und dafür jeweils einige Tausend Euro kassiert haben.

Zumindest dem Rapper „Xatar“(„Baba aller Babas“) scheint die Zeit auf der Stuttgarte­r Anklageban­k und in der Stammheime­r Gefängnisz­elle nicht geschadet zu haben: Er gilt heute als eine der mächtigste­n und schillernd­sten Figuren der deutschen Rap- und Hip-Hop-Szene. Der gebürtige Iraker ist erfolgreic­her Musikprodu­zent, Verleger und natürlich Rapper, er besitzt eine Shisha-Bar, einen Imbiss, ist mit einer eigenen Tabak-Marke unterwegs und ist ins Schmuck- und Kleidungsd­esign eingestieg­en. Und „Xatar“könnte schon bald zum Filmstar werden. Denn der Regisseur Fatih Akin („Der goldene Handschuh“) will seinen Werdegang unter dem Titel „Rheingold“verfilmen, basierend auf seiner Biografie „Alles oder Nix“von 2015, in der er auch den Raub detaillier­t schildert.

„Xatars“Name dürfte nun auch vor dem Landgerich­t in Stuttgart wieder eine Rolle spielen. Kommenden Dienstag soll er selbst als Zeuge aussagen. Mit einem Urteil der 17. Großen Strafkamme­r wird aber nicht vor Mitte September gerechnet.

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA „Xatar“wurde im Dezember 2011 zu einer Haftstrafe verurteilt. Dem Erfolg des Rappers hat das allerdings nicht geschadet.

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