Die Jugend von heute
Jugendarbeit ist in Corona-Zeiten nur bedingt möglich, mit unabsehbaren Folgen
● EHINGEN/UNTERSTADION - Soziale Kontakte zu vermeiden, ist das höchste Gebot in der Corona-Krise. Doch das trifft keine Altersgruppe so hart wie die jungen Menschen aus der Region. Die Zeit der Jugend lebt von sozialem Kontakt und direktem Austausch. Genau das ist nicht zuletzt aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen kaum oder zumindest nur stark eingeschränkt möglich. Die Jugendarbeit in Zeiten der Pandemie gestaltet sich besonders schwierig. Es ist für die Jugendzentren und Landjugendvereine in der Region nicht einfach, alle Jugendlichen zu erreichen und die langfristigen Folgen der sozialen Distanz sind noch nicht abzuschätzen.
„Jugendarbeit lebt in hohem Maße vom direkten Kontakt und dem persönlichen Austausch“, sagt Theo Sidiropoulos, Verantwortlicher im Ehinger Jugendzentrum E.GO. Nur so kann aus seiner Sicht Vertrauen geschaffen werden, damit sich Jugendliche öffnen. „Diese niederschwelligen Kontaktmöglichkeiten sind durch den Lockdown weitgehend weggefallen“, betont er. In das soziale Umfeld der Jugendlichen können die Mitarbeitenden des Jugendzentrum aktuell nur bedingt hineinblicken. Dazu fehlt ihnen der direkte Kontakt. Für das Ehinger Jugendzentrum heißt das, dass es nicht mehr zu allen Jugendlichen vordringt. „Die, bei denen im Vorfeld eher lose Kontakte bestanden, werden während der Pandemie deutlich schwieriger erreicht“, sagt Sidiroupolos. Das Jugendzentrum versucht, die Jugendlichen zu animieren sich nicht zurückzuziehen, sondern den digitalen Kontakt mit ihren Freunden zu halten. „Außerdem kann man sich ja entsprechend der aktuellen Rechtsverordnung mit maximal einer Person treffen“, sagt er.
Und das sollten junge Menschen auch tun, schließlich ist der soziale Kontakt für das Miteinander der Jugendlichen unersetzbar, erklärt Theo Sidiropoulos. „Im Austausch mit Gleichaltrigen lernen Jugendliche soziale Spielregeln, können sich in ihren Beziehungen erproben und haben Ansprechpartner auf Augenhöhe“, sagt er. Über langfristige Folgen lassen sich für Sidiropoulos noch keine pauschalen Aussagen treffen. Denn „Jugendliche gehen sehr individuell mit dieser Krisenzeit um. Und grundsätzlich ist das auch immer abhängig vom Umfeld“, betont er.
Um in dieser schwierigen Situation trotzdem für die Jugendlichen da zu sein, bietet das Ehinger Jugendzentrum E.GO verschiedene digitale Angebote an. Die Mädchen und Jungs sind in der Regel digital affin und auf verschiedenen sozialen Netzwerken aktiv. „In Zeiten des Lockdowns ist es notwendig, die Jugendlichen auf diesen Ebenen zu kontaktieren und mit ihnen im Gespräch zu bleiben“, sagt Sidiropoulos. So findet der Austausch aktuell eben nicht im Jugendzentrum E.GO vor Ort statt, sondern virtuell über verschiedene digitale Plattformen. „Die sozialen Medien helfen, miteinander in Kontakt zu bleiben. Die gemeinsamen Aktivitäten mit Gleichaltrigen können sie aber nicht ersetzen“, betont Theo Sidiropoulos.
Auch die Landjugend Unterstadion hat Probleme, in der Pandemie ihre Mitglieder zu erreichen. „Im Moment läuft nicht viel“, sagt Jonas Schosser. Der 21-Jährige ist seit drei Jahren Vorsitzender der Landjugend in Unterstadion und verantwortlich für die rund 15 Mitglieder. Normalerweise treffen sie sich immer montags in ihrem Landjugendheim in Unterstadion. Filme schauen, Spiele spielen – Hauptsache man trifft sich und tauscht sich aus.
Im März vergangenen Jahres kam der schnelle Einschnitt und alles wurde erst einmal auf Eis gelegt. „Wir wussten ja nicht, wie lange das Ganze dauert“, betont Schosser. Die Antwort: lange. Erst im Sommer mit den ausreichenden Lockerungen haben sie sich in Unterstadion wieder treffen können. „Es war den Menschen ganz klar ein Bedürfnis. Das hat man im Sommer gesehen. Die Leute sind regelmäßig gekommen“, betont Schosser. Dann kam der November und aufgrund der hohen Fallzahlen der zweite Lockdown. „Da mussten wir wieder alles dicht machen“, sagt Schosser. Der Raum der Landjugend, der sich unter dem Kindergarten im Gemeindehaus befindet, wurde geschlossen. Seitdem gibt es keine Treffen mehr.
Benedikt Ried ist Mitglied der Unterstadioner Landjugend und bedauert die aktuelle Situation sehr. „Es fehlt uns allen, sich einfach mal auszutauschen“, sagt er. Die Jugendlichen bräuchten endlich eine Perspektive, betont Ried. „Bei allem Verständnis für das Infektionsrisiko und die Gefahren einer Ansteckung, es müssen trotzdem auch die Probleme und Folgen für die jüngere Generation stärker in der Politik thematisiert werden“, sagt Ried. Die Akzeptanz, gerade in der jüngeren Bevölkerung sinke. Jonas Schosser pflichtet seinem Landjugendmitglied bei: „Junge Menschen leiden darunter und haben keinen Lust mehr auf den Lockdown.“
Die digitale Variante ist für die Landjugend Unterstadion eher eine ungenügende Option. „Viele sitzen ja schon den ganzen Tag vor dem PC wegen Homeschooling oder Homeoffice. Da wollen die nicht wegen der Landjugend abends nochmal vor den Bildschirm“, sagt Jonas Schosser. Deswegen habe man keine Online-Treffen gemacht oder geplant. Schosser: „Das ist für uns keine dauerhafte Alternative.“
Ein weiteres Problem ist es, während der Pandemie neue Mitglieder anzulocken. Mit 16 Jahren kann man dem Verein betreten. „Normalerweiße schnuppert man mal rein und schaut, ob es für einen passt. Das fällt jetzt weg“, erklärt Ried. Er befürchtet, dass viele junge Menschen vielleicht nach der Pandemie keine Lust mehr hätten, in die Landjugend zu kommen. Auch die geplanten Veranstaltungen der Landjugend sind im vergangenen Jahr ersatzlos ausgefallen: Keine Landjugendhütte, kein Blumenteppich für Fronleichnam, kein Funken und keine Silvesterparty. „Wir hatten keine Einnahmen dieses Jahr, dafür aber auch kaum Ausgaben“, sagt Benedikt Ried. Nur die Nikolaus-Aktion konnte im Dezember mit genügend Abstand in Unterstadion stattfinden, und habe laut Ried und Schosser durchgehen positive Resonanz erfahren. Die weiteren Planungen des Vereins gehen die beiden äußerst vorsichtig an. „Wir planen derzeit nichts langfristig, weil das einfach bei der Lage ein unnötig hohes Risiko ist“, betont Jonas Schosser. Die Landjugend Unterstadion sowie das Ehinger Jugendzentrum warten sehnsüchtig darauf, dass man sich endlich wieder mit mehr Personen treffen darf. „Einfach nur zusammensitzen, reden und sich übers Wochenende austauschen“, sagt Benedikt Ried. „Immerhin schätzt man genau das mittlerweile viel mehr.“