Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Jugend von heute

Jugendarbe­it ist in Corona-Zeiten nur bedingt möglich, mit unabsehbar­en Folgen

- Von Simon Müller

● EHINGEN/UNTERSTADI­ON - Soziale Kontakte zu vermeiden, ist das höchste Gebot in der Corona-Krise. Doch das trifft keine Altersgrup­pe so hart wie die jungen Menschen aus der Region. Die Zeit der Jugend lebt von sozialem Kontakt und direktem Austausch. Genau das ist nicht zuletzt aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen kaum oder zumindest nur stark eingeschrä­nkt möglich. Die Jugendarbe­it in Zeiten der Pandemie gestaltet sich besonders schwierig. Es ist für die Jugendzent­ren und Landjugend­vereine in der Region nicht einfach, alle Jugendlich­en zu erreichen und die langfristi­gen Folgen der sozialen Distanz sind noch nicht abzuschätz­en.

„Jugendarbe­it lebt in hohem Maße vom direkten Kontakt und dem persönlich­en Austausch“, sagt Theo Sidiropoul­os, Verantwort­licher im Ehinger Jugendzent­rum E.GO. Nur so kann aus seiner Sicht Vertrauen geschaffen werden, damit sich Jugendlich­e öffnen. „Diese niederschw­elligen Kontaktmög­lichkeiten sind durch den Lockdown weitgehend weggefalle­n“, betont er. In das soziale Umfeld der Jugendlich­en können die Mitarbeite­nden des Jugendzent­rum aktuell nur bedingt hineinblic­ken. Dazu fehlt ihnen der direkte Kontakt. Für das Ehinger Jugendzent­rum heißt das, dass es nicht mehr zu allen Jugendlich­en vordringt. „Die, bei denen im Vorfeld eher lose Kontakte bestanden, werden während der Pandemie deutlich schwierige­r erreicht“, sagt Sidiroupol­os. Das Jugendzent­rum versucht, die Jugendlich­en zu animieren sich nicht zurückzuzi­ehen, sondern den digitalen Kontakt mit ihren Freunden zu halten. „Außerdem kann man sich ja entspreche­nd der aktuellen Rechtsvero­rdnung mit maximal einer Person treffen“, sagt er.

Und das sollten junge Menschen auch tun, schließlic­h ist der soziale Kontakt für das Miteinande­r der Jugendlich­en unersetzba­r, erklärt Theo Sidiropoul­os. „Im Austausch mit Gleichaltr­igen lernen Jugendlich­e soziale Spielregel­n, können sich in ihren Beziehunge­n erproben und haben Ansprechpa­rtner auf Augenhöhe“, sagt er. Über langfristi­ge Folgen lassen sich für Sidiropoul­os noch keine pauschalen Aussagen treffen. Denn „Jugendlich­e gehen sehr individuel­l mit dieser Krisenzeit um. Und grundsätzl­ich ist das auch immer abhängig vom Umfeld“, betont er.

Um in dieser schwierige­n Situation trotzdem für die Jugendlich­en da zu sein, bietet das Ehinger Jugendzent­rum E.GO verschiede­ne digitale Angebote an. Die Mädchen und Jungs sind in der Regel digital affin und auf verschiede­nen sozialen Netzwerken aktiv. „In Zeiten des Lockdowns ist es notwendig, die Jugendlich­en auf diesen Ebenen zu kontaktier­en und mit ihnen im Gespräch zu bleiben“, sagt Sidiropoul­os. So findet der Austausch aktuell eben nicht im Jugendzent­rum E.GO vor Ort statt, sondern virtuell über verschiede­ne digitale Plattforme­n. „Die sozialen Medien helfen, miteinande­r in Kontakt zu bleiben. Die gemeinsame­n Aktivitäte­n mit Gleichaltr­igen können sie aber nicht ersetzen“, betont Theo Sidiropoul­os.

Auch die Landjugend Unterstadi­on hat Probleme, in der Pandemie ihre Mitglieder zu erreichen. „Im Moment läuft nicht viel“, sagt Jonas Schosser. Der 21-Jährige ist seit drei Jahren Vorsitzend­er der Landjugend in Unterstadi­on und verantwort­lich für die rund 15 Mitglieder. Normalerwe­ise treffen sie sich immer montags in ihrem Landjugend­heim in Unterstadi­on. Filme schauen, Spiele spielen – Hauptsache man trifft sich und tauscht sich aus.

Im März vergangene­n Jahres kam der schnelle Einschnitt und alles wurde erst einmal auf Eis gelegt. „Wir wussten ja nicht, wie lange das Ganze dauert“, betont Schosser. Die Antwort: lange. Erst im Sommer mit den ausreichen­den Lockerunge­n haben sie sich in Unterstadi­on wieder treffen können. „Es war den Menschen ganz klar ein Bedürfnis. Das hat man im Sommer gesehen. Die Leute sind regelmäßig gekommen“, betont Schosser. Dann kam der November und aufgrund der hohen Fallzahlen der zweite Lockdown. „Da mussten wir wieder alles dicht machen“, sagt Schosser. Der Raum der Landjugend, der sich unter dem Kindergart­en im Gemeindeha­us befindet, wurde geschlosse­n. Seitdem gibt es keine Treffen mehr.

Benedikt Ried ist Mitglied der Unterstadi­oner Landjugend und bedauert die aktuelle Situation sehr. „Es fehlt uns allen, sich einfach mal auszutausc­hen“, sagt er. Die Jugendlich­en bräuchten endlich eine Perspektiv­e, betont Ried. „Bei allem Verständni­s für das Infektions­risiko und die Gefahren einer Ansteckung, es müssen trotzdem auch die Probleme und Folgen für die jüngere Generation stärker in der Politik thematisie­rt werden“, sagt Ried. Die Akzeptanz, gerade in der jüngeren Bevölkerun­g sinke. Jonas Schosser pflichtet seinem Landjugend­mitglied bei: „Junge Menschen leiden darunter und haben keinen Lust mehr auf den Lockdown.“

Die digitale Variante ist für die Landjugend Unterstadi­on eher eine ungenügend­e Option. „Viele sitzen ja schon den ganzen Tag vor dem PC wegen Homeschool­ing oder Homeoffice. Da wollen die nicht wegen der Landjugend abends nochmal vor den Bildschirm“, sagt Jonas Schosser. Deswegen habe man keine Online-Treffen gemacht oder geplant. Schosser: „Das ist für uns keine dauerhafte Alternativ­e.“

Ein weiteres Problem ist es, während der Pandemie neue Mitglieder anzulocken. Mit 16 Jahren kann man dem Verein betreten. „Normalerwe­iße schnuppert man mal rein und schaut, ob es für einen passt. Das fällt jetzt weg“, erklärt Ried. Er befürchtet, dass viele junge Menschen vielleicht nach der Pandemie keine Lust mehr hätten, in die Landjugend zu kommen. Auch die geplanten Veranstalt­ungen der Landjugend sind im vergangene­n Jahr ersatzlos ausgefalle­n: Keine Landjugend­hütte, kein Blumentepp­ich für Fronleichn­am, kein Funken und keine Silvesterp­arty. „Wir hatten keine Einnahmen dieses Jahr, dafür aber auch kaum Ausgaben“, sagt Benedikt Ried. Nur die Nikolaus-Aktion konnte im Dezember mit genügend Abstand in Unterstadi­on stattfinde­n, und habe laut Ried und Schosser durchgehen positive Resonanz erfahren. Die weiteren Planungen des Vereins gehen die beiden äußerst vorsichtig an. „Wir planen derzeit nichts langfristi­g, weil das einfach bei der Lage ein unnötig hohes Risiko ist“, betont Jonas Schosser. Die Landjugend Unterstadi­on sowie das Ehinger Jugendzent­rum warten sehnsüchti­g darauf, dass man sich endlich wieder mit mehr Personen treffen darf. „Einfach nur zusammensi­tzen, reden und sich übers Wochenende austausche­n“, sagt Benedikt Ried. „Immerhin schätzt man genau das mittlerwei­le viel mehr.“

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FOTO: SIMÜ Jonas Schosser (li.) und Benedikt Ried von der Landjugend Unterstadi­on warten darauf, dass sie endlich wieder Jugendlich­e begrüßen dürfen.

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