Politik trifft auf Handwerk
Landtagskandidaten stellen sich bei der hybriden Podiumsdiskussion wichtigen Fragen
● ULM/EHINGEN - Im Vorfeld der Landtagswahlen am 14. März in Baden-Württemberg haben am Donnerstagabend die Handwerkskammer Ulm und die Kreishandwerkerschaft sieben Kandidaten aus den Wahlkreisen Ulm und Ehingen in einer hybriden Online-Veranstaltung vorgestellt. Moderiert wurde die Diskussion von Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, und dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Ulm, Thomas Jung. Robert Jungwirth (Grüne), Manuel Hagel (CDU), Thomas Kienle (CDU), Martin Rivoir (SPD), Uli Walter (FDP), Leon Genelin (FDP) und Eugen Ciresa (AfD) stellten sich wichtigen Fragen der Zukunft.
„Gespräche sind der Schlüssel, damit Politikerinnen und Politiker wissen, was uns im Handwerk bewegt, was das Arbeiten in Handwerksbetrieben schwierig macht und was Handwerkerinnen und Handwerker bei der Arbeit für den Kunden unterstützt und ihnen hilft“, sagt Uwe Wöhrle, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Ulm, zur Begrüßung der Landtagskandidaten vor Ort und der Zuschauer an den Bildschirmen. Ziel dieser Veranstaltung sei, den Austausch zwischen Handwerk und Politik so zu gestalten, dass ein Kennenlernen und Verständnis für die gegenseitigen Anliegen entsteht, so Wöhrle.
Die Auswahl der Gäste sei nach zwei Kriterien erfolgt, erklärt Tobias Mehlich zu Beginn der Diskussion: Vertreten sind alle Parteien, die aktuell im Landtag vertreten sind oder nach den aktuellen Umfragen eine Aussicht darauf haben, in den Landtag gewählt zu werden. Themenschwerpunkte des Abends waren: Bildungspolitik, Wirtschaft/Umwelt, Infrastruktur/Digitalisierung, Finanzen und Bürokratieabbau.
Im Mittelpunkt der ersten Fragerunde steht die Förderung und Stärkung des Handwerks und Mittelstands, das Tobias Mehlich als „Motor des Landes“bezeichnet. Auf die erste Frage, wie das Handwerk gefördert und gestärkt werden kann, stellt
Robert Jungwirth zwei Aspekte in den Vordergrund: „Die Bildung ist zentral für alle Bereiche: Dazu gehört zum einen eine gute berufliche Bildung, aber auch eine gute schulische Bildung.“Die zentrale Zukunftsarbeit des Handwerks sei des Weiteren auch die energetische Sanierung des Gebäudebestandes. „Gegenwärtig haben wir ein Prozent Renovierungsquote, diese müssen wir deutlich erhöhen, um das Energieeinsparpotenzial zu nutzen.“Somit könne der Motor des Handwerk weiter angetrieben werden.
Martin Rivoir schloss sich den zwei Aspekten Jungwirths nahtlos an: „Die Gemeinschaftsschulen sind ein Projekt, das in der nächsten Legislaturperiode weiter vorangetrieben und intensiviert werden muss“. Zudem gebe es weiterhin enorme Probleme an Berufsschulen, wie Lehrermangel und gefährdete Standorte, die mehr Beachtung erfahren müssen.
Uli Walter sieht einen großen Nachholbedarf in der Gleichstellung der beruflichen und akademischen Bildung. „Ich sehe überhaupt nicht ein, dass so große Brüche sein müssen. Zudem muss es möglich sein, dass jemand, der seine Berufsausbildung gemacht hat und nun seine Meisterprüfung machen will, finanziell so gestellt ist, dass er das ohne große Einbußen machen kann.“Walter fordert außerdem, dass Betriebe gefördert werden sollten, damit sie nicht auf den Kosten der Ausbildung sitzen bleiben.
„Handwerk und Mittelstand brauchen in der Zukunft mehr Beachtung“, sagt Manuel Hagel und weist auf die Corona-Krise hin, die wirtschaftlich alles auf den Kopf stellt. „Wenn wir wollen, dass das Handwerk der Motor bleibt, müssen wir bereit sein mehr zu tun, als wir es bisher getan haben.“Dabei gebe es laut Hagel insbesondere Nachholbedarf bei der schulischen Bildung, die die Grundfertigkeiten wieder stärkt. Damit das Land nicht nur Master, sondern auch weiterhin qualifizierte Handwerksmeister hat, fordert Hagel die Abschaffung der Meistergebühren.
„Die Handwerkerschaft ist darauf angewiesen, von den Hauptschulen Schüler zu bekommen, die auch ausbildungsfähig sind“, sagt Eugen Ciresa und kritisiert, dass Ausbildungsstätten die Aufgabe aufgebürdet werde, Auszubildenden erst einmal rechnen und schreiben beizubringen.
Wirtschaft/ Umwelt: Wie das Thema Ökologie mit wirtschaftlichem Erfolg von kleinen und mittelständischen Betrieben zusammengebracht werden kann, ist für Martin Rivoir bereits geklärt: „Die Energiewende und der Klimaschutz sind für das Handwerk die Chance für die Zukunft.“Ob es um die Dächer geht, um die Sanierung, den Austausch von Kesseln im Keller oder Ladesäulen: „Diese werden ganz konkret von den Handwerksbetrieben in der Region ausgeführt.“Daher sei klar, dass die Klimaziele von Paris nur mit einem starken Handwerke erreicht werden könne.
Uli Walter hat da seine Bedenken. Für ihn bestehe das Handwerk nicht nur aus Betrieben, die Anlagen auf Dächern anbringen. Für Handwerksbetriebe, die von Vorschriften der Emissionen betroffen sind, fordert Walter den Zertifikatenhandel über den gesamten Produktionsprozess bei dem CO2-Ausstoß anfällt. Somit könne ökonomisch sinnvoll an den Stellen eingespart werden, an denen es auch wirtschaftlich sinnvoll sei.
Manuel Hagel setzt in diesem Themenblock seinen Schwerpunkt auf Technologie und Innovation: „Wir Deutsche sind ein Prozent der Weltbevölkerung und verantwortlich für zwei Prozent des CO2-Ausstoßes. In der Debatte so zu tun als könnte die zwei Prozent die 98 Prozent regulieren, wäre etwas vermessen.“Daher hält Hagel nichts von Verboten und Verzicht, sondern stützt sich auf Hochtechnologie und Innovation. Zudem ist Hagel dafür, dass die Dokumentationsund Vorschriftspflicht vereinfacht wird: „Für jede neue Verordnung und jedes Gesetz, das diese Gruppe tangiert, sollen zwei andere außer Kraft gesetzt werden.“
Für Eugen Ciresa werde viel zu viel über Klimawandel und regenerative Energie gesprochen. Ihm sei es wichtiger, die Energiepreise so zu senken, dass sie auch bezahlbar werden. Dem hält Robert Jungwirth folgendermaßen entgegen: „Im Moment
LANDTAGSWAHLEN BADENWÜRTTEMBERG 2021
Manuel Hagel
Robert Jungwirth spricht sich bei der Diskussion für das 365-Euro-Ticket aus und will sie das Angebot sogar auf alle Erwachsenen ausweiten, um den Wunsch nach Mobilität zu erfüllen. So auch Martin Rivoir. Dazu gehöre aber auch ein Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum.
Digitalisierung/Infrastruktur: Alle Landeskandidaten sind sich einig, dass Digitalisierung und die dazu erforderliche Infrastruktur, vor allem im ländlichen Raum, weiße Flecken aufweise. „Wir haben in den letzten Jahren einen großen Aufholstau erledigt“, erklärt Thomas Kienle und teilt die Pläne seiner Partei, in der kommenden Legislaturperiode ein Digitalministerium einrichten zu wollen, um den Fortschritt in diesem
Bereich zu eta- blieren. Es gebe zwar noch viel zu tun, aber „wir verstecken uns nicht, sondern bringen die Digitalisierung voran“, so Kienle.
Bürokratieabbau: Wo und bei welchen Themen der Staat aus Sicht der Kandidaten Bürokratie abbauen und „einfach mal weglassen“könnte, sind sich die Parteien in einem Punkt weitestgehend einig. Es gebe viel unnötige Bürokratie im Land, die man auf den Prüfstand stellen müsse.