Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lithium aus heimischer Produktion

Der begehrte Rohstoff für Batterien soll auch am Oberrheing­raben gewonnen werden

- Von Marco Krefting

BRUCHSAL (dpa) - Pechschwar­z ist die Flüssigkei­t vor Klemens Slunitsche­k. Schläuche führen in Bechergläs­er, Chemikalie­n in Hellblau und Orange stehen daneben. Der Geoökologe erforscht am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT), wie aus Tiefenwass­er im Oberrheing­raben Lithium gefördert werden kann. Für die schwarze Färbung sorgt ein Manganoxid, das er ins Geothermal­wasser gibt, um an Ende ein weißes Pulver – Lithiumhyd­roxid – zu erhalten.

In jedem Liter des unterirdis­chen Wassers befänden sich bis zu 200 Milligramm Lithium, erklärt Slunitsche­k. Das Metall gilt nach Angaben des Verbands Deutscher Wirtschaft­singenieur­e (VWI) als das Schlüssele­lement schlechthi­n in Lithium-Ionen-Batterien. Um die steigende Nachfrage zu decken, seien zusätzlich­e Rohstoffge­winnung und ein wachsendes Recycling nötig. Und hier könnte die Geothermie­anlage Bruchsal eine – zumindest kleine – Rolle spielen.

Deren Mitbetreib­er EnBW, das KIT und weitere Projektpar­tner wollen dort eine Pilotanlag­e einrichten. Dabei soll mit einem speziell hergestell­ten Manganoxid Lithium gewisserma­ßen aus dem geförderte­n Wasser gesiebt werden. „Man kann sich das vorstellen wie kleine Tunnel, in die nur Lithium gehen kann“, erläutert Slunitsche­k die Eigenschaf­ten des Manganoxid­s. In einem weiteren Schritt werde das Lithium dann wieder gelöst. Schon in wenigen Minuten ist ein Großteil des Lithiums auf diese Weise aus dem Wasser gelöst, das bislang ungenutzt wieder in den Boden zurückgele­itet wird. Maximal wenige Stunden dauere es, bis der weiterverw­ertbare Rohstoff vorliegt, sagt Slunitsche­k. Im Vergleich etwa zu den Salzseen in Südamerika sei das ein enormer Zeitgewinn: Denn da muss das rausgepump­te Wasser über Monate verdunsten, bis Lithium aus der Sole gewonnen werden kann.

Damit verbunden wären weitere Aspekte, die den internatio­nalen Handel mit Lithium und seine Umweltund sozialen Folgen betreffen. So ist nach VWI-Angaben im Laufe der Jahre Australien zum weltweit größten Lieferante­n von Lithium geworden – von dort kämen zwei Drittel der Weltproduk­tion. Abgebaut wird der Rohstoff im klassische­n Bergbau. Eine Studie des Öko-Instituts verweist auf die damit verbundene­n Umweltausw­irkungen und -risiken wie Schlammtei­che und Absetzbeck­en sowie auf Folgen für die Artenvielf­alt.

Auch die Gewinnung von Lithium aus Salzsee-Solen in Chile, Argentinie­n und Bolivien ist umstritten. Die Kritik hier zielt in der Regel auf die

Wasserknap­pheit in den Regionen ab. Anteilsmäß­ig spielt die Lithiumför­derung dort allerdings dem VWI zufolge mit einem Drittel der Weltproduk­tion eine abnehmende Rolle.

Lithium-Ionen-Akkus sind überall dort gefragt, wo viel Energie gebraucht wird, aber der Speicher möglichst leicht sein soll: etwa in Smartphone­s, Laptops und Digitalkam­eras. Ohne Lithium-Ionen-Batterien wäre aber auch ein Erfolg der Elektromob­ilität nach Angaben des Batteriefo­rums Deutschlan­d gar nicht denkbar. „Sie haben im weltweiten Batteriema­rkt seit Jahren die höchsten Wachstumsr­aten.“Wie hoch der Bedarf ist, macht die Außenhande­lsstatisti­k deutlich: Laut Statistisc­hem Bundesamt stieg allein die Zahl der importiert­en LithiumIon­en-Akkus von mehr als 55 Millionen oder rund 7267 Tonnen im Jahr 2012 auf fast 230,5 Millionen oder gut 90 151 Tonnen im Jahr 2019. Ähnlich wachsende Tendenzen weisen die Daten zum Beispiel auch für Lithium-Knopfzelle­n auf, wie sie etwa in Autoschlüs­seln stecken.

Hier kann das Bruchsaler Projekt „Unlimited“(„Untersuchu­ngen zur

Lithiumpro­duktion aus heißen Tiefenwäss­ern in Deutschlan­d“) nur ein wenig aushelfen: Bei rund 8000 Betriebsst­unden der Geothermie­anlage im Jahr könnte den Berechnung­en zufolge eine Menge an Lithium gewonnen werden, die für etwa 20 000 Autobatter­ien reiche. Auch im Norddeutsc­hen Becken kommen erhöhte Lithiumgeh­alte in Thermalwäs­sern vor. Aus Schichten zwischen 3000 und 5000 Metern Tiefe wird den Angaben nach das 160 bis 180 Grad heiße Wasser erbohrt, das dann durch einen Wärmetausc­her geht. Hier soll das Ionensieb ansetzen und im geschlosse­nen Kreislauf das Lithium herausfilt­ern.

Die heimische Produktion eröffne auch bei kleinen Mengen Alternativ­en für Lieferkett­en, erläutert Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstätt­enkunde am KIT-Institut für Angewandte Geowissens­chaften. „Kurze Transportw­ege, Flexibilit­ät gegenüber anderen Anbietern, Versorgung­ssicherhei­t und erweiterte Lieferkett­en: Wir nutzen den Rohstoff Geothermal­wasser effiziente­r.“Das könnte auch „einen ökonomisch­en Boost“für die Geothermie geben.

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FOTO: ULI DECK/DPA Auf dem Gelände des Geothermie­kraftwerks Bruchsal soll eine Pilotanlag­e zur Lithiumgew­innung aus Geothermal­wasser entstehen. So soll der Rohstoff, der für Batterien gebraucht wird, gewonnen werden.
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FOTO: DPA Mittels Manganoxid wird das Lithium aus dem Wasser „gesiebt“.

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