Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bereitscha­ftsdienst zählt als Arbeitszei­t

In vielen Branchen müssen Beschäftig­te am Wochenende für Notfälle ausrücken

- Von Christina Bachmann

● ie meisten verbinden den Bereitscha­ftsdienst vermutlich mit Ärztinnen und Ärzten oder Pflegekräf­ten im Krankenhau­s. Doch auch in vielen anderen Bereichen leisten Angestellt­e Bereitscha­ftsdienste, etwa bei der Polizei, im Pflegeheim, in IT-Unternehme­n oder im Handwerk.

Auch wenn der Name Hinweise darauf gibt, worum es geht, sieht jeder Bereitscha­ftsdienst anders aus. „Da gibt es keine einheitlic­he Definition“, sagt Nathalie Oberthür, Rechtsanwä­ltin und Vorsitzend­e des Ausschusse­s Arbeitsrec­ht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV). Häufig regeln Tarifvertr­äge die Feinheiten. Was Beschäftig­te wissen sollten:

DWas zählt eigentlich als

Bereitscha­ftsdienst?

„Bereitscha­ftsdienst heißt: Ich halte mich bereit, um innerhalb kurzer Zeit Arbeitslei­stungen zu erbringen“, formuliert es Oberthür. Die Ausgestalt­ung ist individuel­l. Dem einen ist ein fester Aufenthalt­sort für die Bereitscha­ft vorgeschri­eben, der andere muss lediglich innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Arbeit aufnehmen können und kann selbst entscheide­n, wo er sich für einen eventuelle­n Einsatz aufhält. Letzteres nennt sich Rufbereits­chaft und ist eine Form des Bereitscha­ftsdienste­s. Davon abzugrenze­n ist dagegen die Arbeitsber­eitschaft, bei der der Angestellt­e vor Ort sein und den Arbeitsbed­arf stets selbst im Blick haben muss.

Gilt Bereitscha­ftsdienst als

Arbeitszei­t?

„Arbeitszei­trechtlich ist das Arbeitszei­t“, stellt Till Bender, Sprecher der Rechtsschu­tzabteilun­g des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) klar. Früher einmal galten die Phasen des Bereitscha­ftsdienste­s, in denen man nichts zu tun hatte, als Ruhezeit. Dank eines Urteils des Europäisch­en Gerichtsho­f ist das heute anders. Denn selbst wenn man nicht in Anspruch genommen wird: „Bereit zu sein ist ja auch eine Form von Eingespann­tsein“, so Bender. Eine andere Frage ist allerdings, wie der Bereitscha­ftsdienst vergütet wird. „Das ist für Außenstehe­nde manchmal schwer zu verstehen“, gibt Bender zu. „Nur weil es Arbeitszei­t ist, bedeutet das nicht, dass es genauso vergütet wird wie richtige Arbeit.“

Wie werden

Bereitscha­ftsdienste vergütet?

Das ergibt sich aus dem Arbeitsode­r auch dem Tarifvertr­ag. Üblicherwe­ise werden Bereitscha­ftsdienste geringer honoriert als „richtige“Arbeitszei­ten. „Es ist ja klar, dass die Leistung in der Regel in der Bereitscha­ft weniger ist“, sagt Bender. „Gut ist schon einmal, wenn ein Bereitscha­ftsdienst überhaupt bezahlt wird“, sagt Nathalie Oberthür. „Manche Unternehme­n drücken einem Mitarbeite­r ein Telefon in die Hand und sagen: „Gehen Sie dran, wenn es klingelt.“Manche Bereitscha­ftsdienste werden überhaupt nicht vergütet.“Unterm Strich muss allerdings für die gesamte Arbeitszei­t, zu der eben auch der Bereitscha­ftsdienst gehören kann, mindestens der gesetzlich­e Mindestloh­n herauskomm­en. „Wie fair eine Vergütung der Bereitscha­ftsdienste ist, hängt aus meiner Sicht von zwei Aspekten ab“, erläutert Oberthür.

„Das sind zum einen die Einschränk­ungen: Wie begrenzt bin ich währenddes­sen in meiner Freizeitge­staltung? Zum anderen ist es die Frage: Wie sehr muss ich damit rechnen, während des Dienstes in Anspruch genommen zu werden?“Wo es also die Ausnahme ist, zum Einsatz gerufen zu werden, ist wenig Lohn eher gerechtfer­tigt als dort, wo ständig das Telefon klingelt.

Was darf man während der

Bereitscha­ftszeit tun?

„Das richtet sich natürlich erst mal danach, ob es Vorgaben gibt, wo man sich aufhalten muss“, sagt Oberthür. Manche Beschäftig­te müssen die Bereitscha­ftszeit etwa in einem Ruheraum in der Klinik ableisten. Andere müssen lediglich an einem Ort sein, von dem sie sich innerhalb einer bestimmten Zeit, zum Beispiel zwanzig Minuten, am Arbeitspla­tz einfinden können. Wer nahe am Arbeitspla­tz wohnt, kann den Bereitscha­ftsdienst dann auch zu Hause verbringen. „Inhaltlich gibt es keine Vorgaben, man muss sich lediglich arbeitsber­eit und arbeitsfäh­ig halten“, erklärt die Anwältin. „Man sollte also besser keinen Alkohol trinken.“Auch Till Bender

sieht viele Möglichkei­ten. „Man kann Radio hören, fernsehen, lesen, Handy daddeln, sich unterhalte­n, wenn noch jemand anderes da ist. Man kann auch schlafen, wenn man relativ schnell wieder wach wird.“

Sind Arbeitnehm­er verpflicht­et, ●

Bereitscha­ftsdienste zu übernehmen?

Entscheide­nd ist, was im Arbeitsver­trag steht. Sind dort Bereitscha­ftsdienste vorgesehen, sind Arbeitnehm­er dazu verpflicht­et. Das Arbeitszei­tgesetz legt mit maximal zehn Stunden eine Höchstarbe­itsdauer fest, wobei die Mehrstunde­n ausgeglich­en werden müssen. „Da Bereitscha­ftsdienste Arbeitszei­t sind, gilt diese Grenze“, sagt Bender. „Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Per Tarifvertr­ag kann die Grenze ausgeweite­t werden.“In der Praxis können die Zeiten den Erforderni­ssen angepasst werden. Entspreche­nd groß ist die Bandbreite der Einzellösu­ngen. „Gibt es einen Tarifvertr­ag, geht der Gesetzgebe­r davon aus, dass der Arbeitnehm­er bei solch einer Lösung nicht über den Tisch gezogen wird und es entspreche­nden Ausgleich gibt“, sagt Bender. (dpa)

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Ob im Ruheraum vor Ort oder zu Hause: Wo Beschäftig­te ihre Bereitscha­ftszeiten verbringen, ist ganz individuel­l geregelt.

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