Ein Blankoscheck für die Börse
Mit dem Börsenmantel Lakestar können Privatanleger auf das Gespür des Technologieinvestors Klaus Hommels wetten
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RAVENSBURG/FRANKFURT - Für Anleger ist der deutsche Aktienmarkt um eine weitere Notierung reicher. Seit gut einer Woche können in Frankfurt die Aktien der Lakestar Spac 1 SE ge- und verkauft werden. Das Interessante dabei: Bei der Gesellschaft handelt es sich um einen leeren Unternehmensmantel; stand heute kann Lakestar keinerlei operatives Geschäft vorweisen. Die Anleger haben sich dennoch um die Anteilsscheine gerissen. Die 27,5 Millionen Aktien, die zu einem Preis von je zehn Euro verkauft wurden, waren rund achtfach überzeichnet. Im Laufe der ersten Handelswoche kletterten die Papiere um weitere zehn Prozent und gingen am vergangenen Freitag mit gut elf Euro aus dem Handel.
Geld für nichts? Das auf den ersten Blick kuriose Börsendebüt wird beim Blick hinter die Kulissen plausibler. Bei Lakestar handelt es sich nicht um eine gewöhnliche AG, sondern um eine sogenannte Special Purpose Acquisition Company – kurz Spac. Das ist eine Zweckgesellschaft, ein Unternehmen ohne operatives Geschäft, das an die Börse geht und dann mit viel Geld befüllt wird. Mit diesem Kapital kauft es dann andere Unternehmen auf und fusioniert mit ihnen. Solche Zielunternehmen sucht das Spac auf der ganzen Welt – auch und gerade in Deutschland mit seiner attraktiven Unternehmenslandschaft.
Hinter dem Lakestar Spac steht der Technologieinvestor Klaus Hommels, der sich mit erfolgreichen Investments in Unternehmen wie Facebook und Spotify einen Namen gemacht hat. Mit den nun eingesammelten 275 Millionen Euro will er in Europa auf Einkaufstour gehen und hofft, bei Wachstumsunternehmen aus dem Technologiesektor fündig zu werden. Hommels, der ein vehementer Verfechter einer europäischen Antwort auf das kalifornische Silicon Valley ist, will mit Lakestar auch der US-amerikanischen Spac-Welle etwas entgegensetzen und verhindern, dass junge Unternehmen aus Europa unter US-Börsenmäntel schlüpfen und somit das deutsche TechnologieKnow-how ausverkauft wird.
In den USA sind Spacs am Aktienmarkt der letzte Schrei. Von Januar bis Mitte Februar gab es schon halb so viele Börsengänge dieser auch als Blankoscheck-Unternehmen genannten Börsenvehikel wie im gesamten Jahr 2020. Nach Angaben der Technologiebörse Nasdaq gingen im vergangenen Jahr 237 Spacs an die Börse und sammelten knapp 80 Milliunternehmen arden US-Dollar ein (66 Milliarden Euro). Traditionelle Börsengänge schafften lediglich Emissionserlöse von 67 Milliarden US-Dollar (55 Milliarden Euro).
Hinter dem Spac-Boom stehen sogenannte Sponsoren, das sind meist große Wagniskapitalgeber – wie im Fall von Lakestar Klaus Hommels. Auch Oliver Samwer, Gründer von Rocket Internet, und der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld haben ein Spac angekündigt.
Die Aufgabe dieser Sponsoren: Sie müssen innerhalb von zwei Jahren attraktive Unternehmen für ihre Zweckgesellschaft finden. Begehrte Objekte sind junge unterbewertete Unternehmen, die mithilfe des Kapitals eines solchen Spacs ihr Geschäft ausbauen können. Diese Abkürzung an die Börse finden auch einige Ziel
attraktiv. Der Vorteil für sie gegenüber einem normalen Börsengang: Sie müssen nicht in einem langwierigen Verfahren bei potentiellen Investoren öffentlich um Geld bitten und dafür ihre Bücher öffnen. Das geschieht bei den Spacs bilateral und damit vertraulicher.
Der Vorteil für die Investoren: Sie hoffen in der Nullzinswelt auf attraktive Renditen, darauf nämlich, dass die Aktie ihres Spacs nach der Übernahme abhebt. Das Geld, das sie den Spacs zur Verfügung stellen, wird zuvor auf ein Treuhandkonto eingezahlt und darf nur in sichere Wertpapiere investiert werden – meist in kurz laufende amerikanische Staatsanleihen.
Wenn der Sponsor innerhalb der zwei Jahre kein passendes Objekt findet oder den Investoren das ausgewählte Unternehmen, das der Sponsor schließlich für den Börsenmantel auswählt, nicht gefällt, können sie ihre Anteile zurückgeben. Nur wenn die Mehrheit der Aktionäre zustimmt, kommt der Deal zustande.
Das Risiko, dass Kleinanleger mit Spacs Geld verlieren, scheint damit auf den ersten Blick überschaubar. Doch in der Praxis weisen viele Spacs eine recht miserable Bilanz auf. Einer Studie von Forschern der Stanford University zufolge, hat das durchschnittliche Spac zum Zeitpunkt der Übernahme eines Zielunternehmens bereits ein Drittel seines Kapitals verbrannt. Die Forscher erklären das vor allem mit den enormen Kosten, die für Investoren kaum zu durchschauen seien. Und auch nach dem Übernahmedeal kannten die Kurse der meisten Spacs einer Auswertung zufolge zunächst nur eine Richtung: nach unten.
Satte Renditen streichen vor allem die Sponsoren der Spacs ein. In der Regel bekommen sie 20 Prozent an dem leeren Börsenmantel, ohne dafür selbst Geld in die Hand nehmen zu müssen.
Stefan Riße, Kapitalmarktstratege von Acatis Investment warnt daher: Ein Trend wie der Boom bei Spacs komme meist dann auf, wenn die Börsen schon weit gelaufen seien. Wie es im schlechtesten Fall ausgehen kann, zeigt das Beispiel des allerersten deutschen Spac: Im Jahr 2008 schlossen sich der Unternehmensberater Roland Berger, Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff und Investmentbanker Florian Lahnstein zur Gesellschaft Germany1 zusammen. Die Übernahme des Mittelständlers AEG Power Solutions floppte, die Holding verschwand von der Börse. Middelhoff und Berger stritten sich später vor Gericht um Millionen.