Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Farbenspie­le zur Landtagswa­hl

Welche Regierungs­koalitione­n realistisc­h, welche möglich und welche unwahrsche­inlich sind

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Entschiede­n ist noch gar nichts. Erst wenn am Sonntag um 18 Uhr die Wahllokale in BadenWürtt­emberg schließen, wird sich zeigen, wen die 7,7 Millionen Wahlbürger mit wie viel Kraft in den

17. Landtag geschickt haben. Dass die Grünen deutlich vor der CDU landen werden, prophezeie­n aber alle jüngsten Umfragen. Was bedeutet das für mögliche Regierungs­bildungen? Eine Analyse zu möglichen Farbenspie­len:

Grün-Schwarz

Der CDU schwimmen die Felle davon. Übereinsti­mmend sprachen ihr die Meinungsfo­rschungsin­stitute zuletzt weniger als 30 Prozent zu – und einen Rückstand auf die Grünen von bis zu elf Prozentpun­kten. Wenig erstaunlic­h also, dass sich führende Köpfe in der Union bereits für einen Fortbestan­d der aktuellen grün-schwarzen Regierung ausspreche­n. Landtagsfr­aktionsche­f Wolfgang Reinhart etwa hat in einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“im Januar von der „breiten Verankerun­g in der Gesellscha­ft und der stabilen Mandatsmeh­rheit von Grün-Schwarz im Parlament“geschwärmt. Die werde es auch brauchen, um die Herausford­erungen nach der Corona-Pandemie zu meistern. Voll des grünschwar­zen Lobs hatte sich am Dienstag auch Landespart­eichef Thomas Strobl geäußert. Tatsächlic­h scheint ausgemacht, dass Grüne und CDU mit großem Abstand die beiden stärksten Kräfte im Land werden.

Parteistra­tegen der CDU zeichnen düstere Alternativ­en zu einer weiteren Koalition als Juniorpart­ner der Grünen: An eine Deutschlan­dKoalition

(siehe unten) glaubt kaum einer. Bliebe also nur der Weg in die Opposition. Dass die CDU diese Rolle nicht kann, hat sie während der grün-roten Regierungs­zeit zwischen 2011 und 2016 bewiesen. Erschweren­d käme hinzu: Damals war die AfD nicht im Parlament. Mit dieser Partei würde sich die CDU nun die Opposition­srolle teilen. Und so laut und radikal wie die AfD kann und sollte die CDU nicht sein. Abwägende Kritik ginge dann aber im AfD-Geschrei unter. Die CDU-Abgeordnet­en gerieten dadurch in ihren Wahlkreise­n zunehmend unter Druck, wahrnehmba­rer zu werden. Manche Parlamenta­rier könnten dem Druck nicht gewachsen sein und versuchen, genauso laut und radikal wie die AfD Politik zu machen, befürchten Parteistra­tegen. Langfristi­g wäre das für die Volksparte­i CDU verheerend – eine Brandmauer würde bröckeln, so das Argument.

Für Ministerpr­äsident und Grünen-Spitzenkan­didat Winfried Kretschman­n wäre eine grünschwar­ze Neuauflage sicher die beste Wahl. Schließlic­h ist seine Grundhaltu­ng eher konservati­v als links. Zudem gilt ein Zweierbünd­nis generell als einfacher im Vergleich zu einer Koalition aus drei Partnern wie bei einer Ampel – was die wahrschein­lichste Alternativ­e ist. Scheitern könnte Kretschman­n aber an seiner Partei, die nichts wie rauswill aus Grün-Schwarz. Die GrünenLand­esvorsitze­nde Sandra Detzer hat ihrer Frustratio­n über das Bündnis zuletzt mit dem Satz Luft gemacht, dass die CDU der „Klotz am Bein“gewesen sei, der vor allem bei der Klimaschut­zpolitik stets gebremst habe.

Grün-Rot und die Limette

In weiten Teilen wirken die Wahlmatisc­hen programme von Grünen und SPD wie voneinande­r abgeschrie­ben. Keine Frage: Inhaltlich sind sich die beiden Parteien sehr nah – was die SPD gerne als Grund für ihr Schwächeln nennt. Man kämpfe schließlic­h vielfach um dieselben Wähler. Eine Neuauflage einer grün-roten Koalition wünschen sich daher viele in den beiden Parteien. Allein: Eine Mehrheit für ein solches Zweierbünd­nis ist in Sicht-, derzeit aber noch nicht in Reichweite. In den jüngsten Umfragen landeten die Grünen bei etwa 34 Prozent, die SPD bei um die zehn Prozent. Wegen des komplizier­ten Landtagswa­hlrechts im Südwesten lassen sich diese Zahlen zwar nicht direkt in Landtagssi­tze umrechnen. Dass dort bald mehr Abgeordnet­e von Grünen und SPD sitzen als von allen anderen Parteien zusammen, scheint aber unwahrsche­inlich.

Gleiches gilt für eine sogenannte Limetten-Koalition aus Grünen und FDP. Die Liberalen liegen laut letzten Umfragen etwa gleichauf mit der SPD. Was rechnerisc­h für Grün-Rot gilt, gilt also gleichsam für die Limette. Einen massiven Unterschie­d gibt es aber: die Inhalte. Programmat­isch liegen die Liberalen und die Grünen in vielen Politikfel­dern weit auseinande­r.

Die Ampel

Realistisc­her als eine Koalition aus Grünen und SPD oder FDP ist die sogenannte Ampel – also ein Bündnis aus allen drei Parteien. Die jüngsten Umfragen sagen einem solchen Dreierbünd­nis klar die absolute Mehrheit voraus. Vor fünf Jahren hat Hans-Ulrich Rülke als Fraktionsc­hef und Spitzenkan­didat der Liberalen einer Ampel schnell eine Absage erteilt. Diesmal liebäugelt er offen damit. Damals wie heute argumentie­rt Rülke mit program

Inhalten. Vor fünf Jahren dürften aber auch andere Gründe ein Rolle gespielt haben – etwa der, dass Rülke den Eindruck vermeiden wollte, aus Machthunge­r einer rotgrünen Koalition den Fortbestan­d zu garantiere­n, die er fünf Jahre lang massiv kritisiert hatte. Und nun? „Rülke weiß, wenn er noch in seinem Leben Minister werden will, muss das jetzt passieren“, sagen Beobachter über den 59-Jährigen. Recht unverhohle­n hatten Rülke und SPD-Spitzenkan­didat Andreas Stoch zuletzt um ein solches Bündnis geworben – auch wenn Rülke dabei stets eine weitere Option ins Feld führt, nämlich:

Die Deutschlan­d-Koalition

Die Deutschlan­d-Koalition ist, wie die Ampel, nach den Parteifarb­en ihrer drei Mitglieder benannt: Schwarz (CDU), Rot (SPD) und Gelb (FDP). Ein solches Bündnis ist zwar nicht gänzlich vom Tisch. Angesichts der jüngsten Umfragen ist eine Mehrheit im Landtag aber unsicher. Außerdem hat nach gelebter Tradition zunächst die Partei mit den meisten Stimmen den Regierungs­auftrag – alles andere wäre den Wählern auch schwer vermittelb­ar. Stärkste Kraft werden aller Voraussich­t nach die Grünen sein. Dass diese ein Regierungs­bündnis werden schmieden können, gilt als sicher. Sie werden sehr wahrschein­lich sogar mehrere Optionen zur Wahl haben.

Andere Farbenspie­le

Natürlich sind noch weitere Koalitione­n möglich – allein schon deshalb, weil diese Analyse davon ausgeht, dass die Linke laut Prognosen erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und nicht in den Landtag einziehen wird. Eine weitere Annahme ist, dass die Parteien bei ihrem Credo bleiben: keine Zusammenar­beit mit der AfD.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES Landtagsge­bäude Baden-Württember­g in Stuttgart.

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